[erschienen in der 10. Ausgabe der “Rosen auf den Weg gestreut”]
Einer Einschätzung des Verfassungsschutzes des Landes Brandenburg nach den Kommunalwahlen 2008 zufolge, ist die Zusammenarbeit zwischen den beiden rechtsextremen Parteien, der „Nationaldemokratischen Partei Deutschland“ (NPD) und der „Deutschen Volksunion“ (DVU) durch Konkurrenz und Distanz geprägt. Eine Ausnahme – so räumt es auch der Verfassungsschutz an mehreren Stellen ein — scheint allerdings der Landkreis Barnim (im Nordosten Brandenburgs) zu sein. Vermehrt treten hier DVU und NPD gemeinsam in Erscheinung. Enge Verbindungen haben beide Parteien auch zu Kameradschaften und sogenannten „Freien Kräften“. Ein hohes Maß an
Aktivismus, ob Konzerte, Demonstrationen oder Flyeraktionen, der rechtsextremen Szene zeigte sich im Vorfeld der Kommunalwahlen.
Die Akteure
NPD — Nationaldemokratische Partei Deutschlands
Im Vergleich der Bundesländer ist die NPD in Brandenburg relativ schwach organisiert. Trotz der schlechten Ausgangsbedingungen ist die NPD in Brandenburg zu einem Bezugspunkt für die rechtsextreme Szene geworden.
Seit Ende 2006 versucht sich die NPD mit der offiziellen Gründung des Kreisverbandes Barnim-Uckermark im Nordosten Brandenburgs zu etablieren. Vorsitzender wurde Mike Sandow [Foto], ein gelernter Fliesenleger aus Biesenthal.
Zum ersten Auftreten kam es bereits im Januar 2006 bei einer Kranzniederlegung der Stadt Bernau in Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus. Ein Kranz mit der Aufschrift „NPD Kreisverband Barnim“ wurde von dem DVU´ler Klaus Mann [Foto] (Mitglied des Landesvorstandes und Vorsitzender der Landkreise Barnim, Uckermark und Oberhavel), seiner Familie sowie dem NPD‘ler Detlef Appel [Foto] (Stellvertretender Vorsitzender der NPD Brandenburg, Kreisvorsitzender Oberhavel) niedergelegt. Eine Zusammenarbeit der beiden Parteien DVU und NPD zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt bereits ab. Durch die knappen personellen Ressourcen, beschränkten sich die Aktivitäten des Kreisverbandes auf antisemitische Texte auf ihrer damaligen Internetseite, dem Nationalen Netztagebuch. Mit
dem Jahr der Kommunalwahlen 2008 steigerten sich die Aktivitäten. Anfang 2008 reaktivierte die NPD nach eigener Ausage das „Nationale Bündnis Preußen“ (NBP) – eine Kameradschaft aus Barnim und Uckermark. Zuletzt
marschierten NPD und Kameradschaft´ler des NBP und der „Kameradschaft Märkisch-Oder/ Barnim“ in Dresden 2009 gemeinsam hinter einem Transparent der „Märkischen Aktionsfront“ (MAF) – jene gilt als möglicher Nachfolger
des Märkischen Heimatschutzes (MHS). Nicht verwunderlich, so ist der aktuelle Vorsitzendes des Kreisverbandes Marco Rohde [Foto] ein ehemaliger MHS — Aktivist.
DVU — Deutsche Volksunion
In den neuen Bundesländern musste die DVU mit dramatischen Mitgliederverlusten kämpfen. 2008 sollen es in Brandenburg nur noch 220 Mitglieder sein und nach Verfassungsschutz davon „nur ein Bruchteil politisch aktiv.“ Nach der Vereinbarung zwischen NPD und DVU, dem sogenannten „Deutschlandpakt“ sollte die DVU für den Brandenburger Landtag kandidieren. Trotz des Rufes als „Phantompartei“ erlangte die Partei bei den Wahlen 2004 6 Mandate und damit eines mehr als bei den Wahlen 5 Jahre zuvor. Auf kommunaler Ebene spielt die Partei kaum eine Rolle. Im Barnim ist allein Klaus Mann aus Finowfurt sowie sein Sohn Enrico [Foto] und seine Frau Sybille [Foto] aktiv. Das Grundstück der Manns ist dank guter Kontakte zur Kameradschaft- und Rechtsrock- Szene zentraler Veranstaltungsort für Konzerte und Feiern. Der 27-jährige Schönower Kai Hasselmann [Foto], der für die DVU bei der Kommunalwahl antrat, ist Mitglied der Band „Preußenfront“, welche u.a. dort auftrat. Auch die Kameradschaft
Spreewacht sowie andere Berliner Rechtsrockbands wie „Legion of Thor“, „Deutsch Stolz Treue“ und „Spreegeschwader“ sollen enge Kontakte nach Finowfurt pflegen.
Der 21. Juni — Demonstration und Sommerfest
Der 21. Juni stellte für beide rechten Parteien einen wichtigen Tag dar:
Zum Vormittag rief die NPD Barnim- Uckermark zu ihrer ersten eigenen Demonstration nach Joachimsthal. Der Grund, ein Sexualstraftäter der wegen Kindesmissbrauch im Gefängnis saß, wohnte nach seiner Entlassung im Ort.
Bereits vor der Demonstration mischten sich Rechtsextreme von NPD und Kameradschaften unter den bürgerlichen Protest im Ort.
Am Nachmittag des 21. Juni fand in Finowfurt, auf dem Grundstück der Familie Mann, (ca. 20 km von Joachimsthal entfernt) das jährliche Sommerfest der DVU statt. Auf eine Kooperation der NPD und der DVU deuten
sowohl die zeitliche Absprache, ebenso wie die Überschneidungen der jeweiligen Teilnehmer_innen und des weiteren die Tatsache, dass Manns Freund der NPD´ler Detlef Appel den Shuttle-Service übernommen hatte.
Neue Schwerpunkte — Schönow und Biesenthal
Die Gaststätte „Alter Dorfkrug“ im Bernauer Ortsteil Schönow hat sich im Jahr 2008 als Veranstaltungsort für die rechtsextreme Szene etabliert:
Erstes Aufsehen erregte der Landesparteitag der Brandenburger NPD im Dezember 2007. Neben mehreren großen Konzerten und Liederabenden mit NPD und Kameradschaftskadern aus Berlin und Brandenburg finden dort
regelmäßige Treffen der NPD statt. Eine „gute Zusammenarbeit“ zwischen NPD und Dorfkrug nannte es Lore Lierse [Foto] (stellv. Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes Oberhavel) bei einer Bürger_innen- Veranstaltung im Ort. Der „Alte Dorfkrug“ sollte bereits 2004 als Veranstaltungsort für ein Konzert dienen, zu dem u.a. die Kameradschaften „Nationales Bündnis Preußen“ und „Nationale Jugend Barnim“ aufriefen. Zuletzt im Januar diesen Jahres veranstaltete die NPD eine sogenannte „Reichsgründungsfeier“.
Biesenthal ist neben dem Gründungsort des Kreisverbandes Barnim- Uckermark auch Wohnort von Mike Sandow, seines ehemaligen Vorsitzenden und schon auf Grund dessen ein Schwerpunkt der NPD. Anfang 2008 wurde bekannt, die NPD plane auf dem ehemaligen Gelände des Asylbewerberheims ein Schulungszentrum zu errichten. Besitzer ist mittlerweile eine GmbH unter der Geschäftsführung von Mike Sandow. Das Gelände soll als
„Landesgeschäftsstelle“ der NPD Veranstaltungsort für Schulungen, Lager und Konzerte werden. Im 21. März diesen Jahres wurde das zweijährige Bestehen der KMOB mit ca. 80 – 100 Rechtsextremen auf dem NPD-Gelände
gefeiert. Und zuletzt fand dort am 1.Mai ein Rechtsrockkonzert statt. Kurz vor den Wahlen im September gab es einen Anschlag auf die Autos von Sandow. Bereits am nächsten Tag mobilisierte die NPD etwa 150
Rechtsextremisten von DVU, „Freien Kräften“ und Kameradschaften. Auch der NPD-Chef von Brandenburg Klaus Beier [Foto] und der Parteichef Udo Voigt [Foto] folgten dem Aufruf.
Fazit: Konkurrenten und Freunde zugleich – der Pragmatismus dominiert
Für die NPD waren die Kommunalwahlen 2008 ein Etappenziel ihres „Kampfes um die Parlamente“. Auch wenn sie – wie 2007 groß angekündigt – nicht flächendeckend antreten konnte, zog sie überall dort in die Parlamente wo
sie angetreten war. Im Barnim zog Mike Sandow für die NPD in die Stadtverordnetenversammlung (SVV) von Biesenthal und für die DVU in den Kreistag3. Die DVU erreichte, trotz ihrer geringen kommunalen Präsenz, 4
Mandate: Zwei im Kreistag (Mike Sandow, Dietmar Lange), eines in der SVV von Bernau sowie ein Mandate in der Gemeinde Schorfheide. Letzteres übernahm Sybille Mann. Stimmenmäßig toppte die NPD die DVU. Eine eindeutige Machtverschiebung innerhalb des rechtsextremen Lagers zugunsten der NPD und zu Lasten wie sie noch 2008 vom Verfassungsschutz prognostiziert wurden, scheint es im Landkreis Barnim nicht zugeben.
Vielmehr zeichnet sich eine (notwendige) Zusammenarbeit beider Parteien ab. Zwar hatte die NPD im Endergebnis Wahlen die DVU überflügelt, jedoch verfügen beide Parteien über kaum Personal. Aber nicht nur der notwendige
Pragmatismus bindet die eigentlichen Konkurrenten aneinander. Auch freundschaftliche Verbindungen zwischen DVU- und NPD-Funktionären wie Klaus Mann und Detlef Appel gehören dazu. Die Absprache für den 21. Juni
sowie die gemeinsame Liste von DVU und NPD für den Kreistag zeigen ebenfalls den Willen im Sinne der „Volksfront von rechts“ zusammenzuarbeiten. Auf die Unterstützung seitens der Kameradschaften und
„Freien Kräfte“ sind NPD und DVU dabei angewiesen. Die Zusammenarbeit wird vor allem für die DVU nötig sein, sollte sie 2009 den Wiedereinzug in den Landtag versuchen.