(MAZ) ORANIENBURG Die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen hat einen gestern früh von der rechtsextremen DVU am zentralen Obelisken niedergelegten Kranz entfernt. Ausschlaggebend sei die Aufschrift der Schleife gewesen, hieß es zur Begründung. Der Text zeige, dass die DVU die Opfer der Nationalsozialisten für ihre “revisionistische Propaganda” missbrauche, sagte ein Sprecher der Gedenkstätte. Dort würden die Opfer des NS-Konzentrationslagers mit denen des späteren sowjetischen “Speziallagers” vermengt.
Auf dem Kranz war zu lesen: “Allen Opfern des KZ Sachsenhausen — auch Edmund Stadtler, Karl Heinrich, Horst Graf von Einsiedel, Heinrich George, Emil Unfried, Otto Nerz, Erich Nehlhans. DVU- Fraktion im Landtag Brandenburg”. Die Genannten waren in den kommunistischen Speziallagern inhaftiert. Nach Kriegsende 1945 wurden dort außer Nationalsozialisten Oppositionelle und Regimegegner festgehalten.
Überlebende des KZ Sachsenhausen bezeichneten die Aufschrift als “Verhöhnung der Opfer”. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten erklärte: “Durch ihr Bündnis mit der NPD lässt die DVU keinen Zweifel daran, dass sie die Verbrechen des Nationalsozialismus mit dem Ziel verharmlost, Rassismus, Fremdenhass und Nationalismus in Deutschland wieder salonfähig zu machen.” Der Text sei die Kurzform der DVU-Erklärung vom Mittwoch. Dieser Text hatte der rechtsextremen Partei ein Hausverbot für die Gedenkfeier zur Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 60 Jahren eingebracht. dpa/MAZ
DVU sorgt für Eklat in Sachsenhausen
Gedenkstätte lässt Kranz mit provozierendem Text wieder entfernen
(Martin Klesmann und Marlies Emmerich; BZ) POTSDAM/ORANIENBURG. Am Freitagmorgen kamen sie doch. Der DVU-Landesvorsitzende Sigmar-Peter Schuldt und der DVU-Landtagsabgeordnete Markus Nonninger legten in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen einen Kranz nieder. Die Inschrift auf der Kranzschleife zeugt von kalkulierter Provokation: “Allen Opfer des KZ Sachsenhausen” steht da. Und dann werden zusätzlich sieben Namen aufgeführt — darunter ist der Name des Schauspielers Heinrich George, des Vaters von Götz George, und auch der Name von Erich Nehlhans, dem ersten Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlins nach dem Krieg. Alle Genannten waren nach Kriegsende im sowjetischen Speziallager Sachsenhausen interniert und kamen dort um, Nehlhans starb nach der Deportation in einem sibirischen Lager. Die Sowjets betrieben ihr Lager auf dem Areal des einstigen Konzentrationslagers.
Die DVU verfolgt mit diesem angeblichen Gedenktext eine perfide Strategie: Während die Welt der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz vor 60 Jahren gedenkt, relativiert die DVU die grausame Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Konzentrationslager und verweigert den Opfern des deutschen KZ-Terrors auch noch eine namentliche Ehrung. Albert Meyer, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlins sagte: “Es ist für einen Juden weder körperlich noch psychisch zu ertragen, dass die DVU im Zusammenhang mit dem Gedenktag an Auschwitz überhaupt in Erscheinung tritt.”
Ursprünglich wollte die DVU einen Kranz mit dieser die Verbrechen der Nazis relativierenden Inschrift bereits während der offiziellen Gedenkveranstaltung am Donnerstag ablegen — zwischen die Kränze der anwesenden Opferverbände und Überlebenden des Konzentrationslagers. Um einen Eklat zu vermeiden, hatte Gedenkstätten-Leiter Günter Morsch der gesamten DVU-Landtagsfraktion Hausverbot für die Dauer der Gedenkveranstaltung erteilt, Polizei stand bereit. Nun kamen sie also einen Tag später, legten den Kranz am Obelisken mitten auf dem einstigen KZ-Gelände ab. Die Gedenkstätten-Leitung beriet daraufhin stundenlang mit Opferverbänden, ob man den DVU-Kranz entfernen sollte. Am frühen Nachmittag wurde der Kranz dann weggeschafft. “Die DVU missbraucht die Opfer, um die revisionistische Propaganda der Partei zu verbreiten”, sagte Gedenkstätten-Sprecher Horst Seferens.
Für SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness ist klar, dass die DVU sich mit solchen Aktionen an der NPD orientiert, die durch gezielte Provokationen auffallen will — zuletzt im sächsischen Landtag, als sie sich weigerte, der Opfer des NS-Holocaust zu gedenken. “Auch in Brandenburg kann die NPD die DVU bald dominieren”, so Ness. Denn zur Bundestagswahl 2006 trete die NPD auch mit einer offenen Liste an. Ness hält es auch für möglich, dass DVU-Mitglieder zur breiter organisierten NPD überlaufen.
Die SPD ist besorgt, dass eine rechtsextreme Partei das wachsende Protestpotenzial in den Randregionen des Landes aufnimmt Die krass überalterte PDS könne jene Menschen ohne Berufsperspektive bald nicht mehr absorbieren, fürchtet Ness. “In der Sächsischen Schweiz ist die NPD heute schon Volkspartei.” Ähnliches drohe an Orten in Brandenburg.
Die SPD prüft nun, ob der DVU-Fraktion der Oppositionszuschlag gekürzt werden kann — in Brandenburg erhält nämlich bisher jede Oppositionspartei auf den üblichen Grundbetrag für Fraktionsmitarbeiter noch einen 25-prozentigen Zuschlag aus Steuermitteln. Derzeit erhält die DVU fast genau so viel wie die PDS, die aber fünfmal so viele Abgeordnete hat. SPD- und CDU-Fraktion wollen zudem Rechtsextremen das Demonstrationsrecht an Gedenkorten wie dem Soldatenfriedhof von Halbe entziehen. Und SPD-Fraktionschef Günter Baaske bemüht Studien der Uni Halle: Die Forscher weisen nach, dass Rechtsextremismus Unternehmen fern hält.