Landes-FDP träumt von zehn, nicht von 18 Prozent der Stimmen
Vorsitzender Jürgen Türk kündigt Generationswechsel an
POTSDAM. In der Landesgeschäftsstelle der Liberalen sieht es so aus, als existiere die DDR immer noch: Braunes Linoleum deckt die Flure und Böden ab, und die Holzvertäfelung hat schon viele Jahre hinter sich. Hier in der Potsdamer Alleestraße hat die Landes-FDP bescheidene drei Räume gemietet für ihre drei Mitarbeiter. “Ich habe die einzige Vollzeitstelle”, sagt Landesgeschäftsführer Winfried Soßna. Mehr Geld sei nicht da. Kein Wunder — scheiterte die FDP doch bei den Landtagswahlen 1994 und 1999 kläglich an der Fünf-Prozent-Hürde.
Möllemann kam vom Himmel
FDP-Landeschef Jürgen Türk aber stößt derzeit ins große Horn: “Bei der Bundestagswahl holen wir in Brandenburg über zehn Prozent”, sagt der einzige FDP-Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg. Und 2004 zöge die FDP wieder in den Landtag ein. Das hört sich so an, als habe Türk in Sachen Politmarketing Nachhilfeunterricht beim Parteifreund Jürgen W. Möllemann genommen. Am Sonnabend kam NRW-Landeschef Möllemann sogar persönlich vorbei: Er sprang mit dem Fallschirm über Brandenburg/Havel ab, um an einer FDP-Veranstaltung teilzunehmen. In der Antisemitismus-Debatte um Möllemann sucht Türk den Schulterschluss. “Ich stehe voll hinter Möllemanns Positionen”, sagt er. Dann reden Türk und Möllemann gemeinsam die FDP größer, als sie derzeit ist — zumal in Brandenburg.
Tatsächlich aber häufen sich die Indizien, dass die märkische FDP ihren Tiefpunkt hinter sich lässt. Die Zahl der Parteimitglieder ist erstmals seit zehn Jahren wieder leicht angestiegen. In den Kommunen stellt die FDP acht hauptamtliche Bürgermeister, darunter auch Klaus-Dieter Hübner, ein ehemaliger Stasi-IM, der im Wahlkampf polenfeindliche Ressentiments bediente. Die jüngste Infratest-Umfrage sah die FDP in Brandenburg immerhin knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, woraufhin CDU-Landeschef Jörg Schönbohm der FDP sogleich ein Koalitionsangebot für die Zeit nach 2004 machte. Und das Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt hat gezeigt, dass die Partei im Osten nicht mehr als die “Partei der Besserverdienenden” wahrgenommen wird. Nur hat die Brandenburger FDP keine so optimistisch-zupackende Galionsfigur wie es die Hallenserin Cornelia Pieper, die FDP-Generalsekretärin, in Sachsen-Anhalt war. Das weiß auch Landeschef Türk, der Mann mit dem durchgrauten Vollbart, der zur Bundestagswahl wieder auf Platz eins der Landesliste kandidiert. “Es ist mir aber bewusst, dass ein Generationswechsel nötig sein wird”, sagt der 55-Jährige im Gespräch mit der “Berliner Zeitung”. Es könne durchaus sein, dass er zur Landtagswahl 2004 nicht mehr als FDP-Parteichef und Spitzenkandidat ins Rennen gehe. Dann nennt er drei mögliche Kandidaten, denen er eine solche Rolle zutraut: die FDP-Bildungsexpertin Gerburg Pietschmann aus Frankfurt (Oder), den Rechtspolitiker Hans-Peter Goetz aus Teltow oder auch Maria Kuhlmann, die Chefin der Jungliberalen. “Die FDP kann in Brandenburg nur mit jungen Leuten vorankommen”, sagt die erst 23-jährige Maria Kuhlmann selbstbewusst. Sie sei als Jugendliche in Cottbus den Jungliberalen beigetreten, weil sie die “Meckermentalität” um sich herum nicht ertragen konnte. Die Jungliberalen beglücken die alte Garde um Türk, die zu einem großen Teil schon in der LDPD war, mit plakativen Forderungen nach einer grundlegenden Verjüngung.
Neben dieser personellen Frischzellenkur und einem neoliberalen Wirtschaftsprogramm wollen sich die Liberalen mit neuen gesundheitspolitischen Ansätzen profilieren, die Position der selbstständigen Ärzte soll gestärkt werden. Bei der Inneren Sicherheit setzten sich die Jungliberalen, indem sie etwa die Videoüberwachung ablehnten, mit eher sozialliberalen Positionen durch. Türk selbst will sich auf einen möglichen Koalitionspartner nicht festlegen. Klar ist: In der FDP tut sich was, selbst die Landesparteizentrale verändert sich. Sie soll umgebaut werden.