Potsdam — Wer in Brandenburg in sozial schwachen Verhältnissen aufwächst, studiert nur selten – selbst im ostdeutschen Vergleich. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der Links-Fraktion im Landtag hervor. „Ein Studium hängt auch hierzulande zunehmend vom Geldbeutel der Eltern ab“, erklärte dazu Peer Jürgens, der hochschulpolitische Sprecher der Links-Fraktion. Er forderte auch wegen der demografischen Entwicklung eine sozialere Hochschulpolitik.
Tatsächlich heißt es unter Berufung auf das bundesweite Hochschul-Informations-Systems (HIS) in dem Regierungspapier: „Zugleich ist die soziale Selektivität der Entscheidung pro Studium in Brandenburg deutlich stärker ausgeprägt als in den neuen Ländern insgesamt.“ Bekannt ist, dass weniger Kinder aus sozial schwachen Familien Gymnasien besuchen. Von denen, die es tun, entscheiden sich in Brandenburg nach dem Abitur nur 35 Prozent für ein Studium. In Ostdeutschland sind es 46 Prozent der Abiturienten aus sozial schwachen Verhältnissen, in den alten Ländern 56 Prozent, wobei die Daten aus dem Jahr 2003 stammen. Eine Erklärung: Die Mehrheit der Brandenburger Abiturienten aus einfachen sozialen Verhältnissen beginnt nach dem Abi offenbar eine herkömmliche Lehre. Denn die Wirtschaft, mit dem Bildungsniveau von Schulabgängern immer noch unzufrieden, zieht für viele Berufe längst Abiturienten vor.
Nur scheinbar ein Widerspruch: Die Zusammensetzung der Brandenburger Studentenschaft spiegelt die soziale Kluft der Abiturienten kaum wieder. 11 Prozent der Studenten kommen aus niedrigen sozialen Schichten, in Ostdeutschland sind es 12 Prozent. Hier wirkt offenbar ausgleichend, dass jeder zweite Student in Brandenburg aus einem anderen Bundesland kommt. Dazu passt, dass nach einer Erhebung des Deutschen Studentenwerks der „Normalstudent“ im Land monatlich über ein passables Einkommen von rund 701 Euro verfügt – was sogar über dem Ost-Durchschnitt von 666 Euro liegt. Der Bundeswert liegt bei 767 Euro. Dennoch belegen auch andere Daten, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildung – Experten sprechen von „bildungsfernen“ Schichten – längst wirkt: 63 Prozent der Studierenden im Land haben „Abitur-Eltern“, nur sechs Prozent kommen aus „Hauptschul-Elternhäusern“.
Holger Drews, Sprecher des Wissenschaftsministeriums, verwies darauf: Es sei erklärtes Ziel der SPD/CDU-Regierungskoalition, dass künftig mehr Schüler in Brandenburg – bislang ist es etwa jeder Dritte – das Abitur machen und studieren.
Geschlossene Gesellschaft an Unis
br>Linkspartei beklagt soziale Selektion
(MAZ) POTSDAM Die brandenburgische Linkspartei-PDS kritisiert die soziale Selektivität an märkischen Hochschulen. “Lediglich elf Prozent der Studierenden in Brandenburg kommen aus sozial benachteiligten Schichten”, erklärte der hochschulpolitische Sprecher der PDS-Fraktion im Landtag, Peer Jürgens, gestern vor Journalisten. “Das ist unter dem bundesdeutschen Durchschnitt.”
Die Zahlen seien schon seit Jahren konstant schlecht. Eine neuere Untersuchung belege, dass Brandenburg die höchste soziale Selektivität unter künftigen Studierenden habe. Jürgens bekräftige deshalb noch einmal die Forderung seiner Partei, eine vom Einkommen der Eltern völlig unabhängige Studienfinanzierung einzuführen. Alle Studierende sollen demnach monatlich einen bestimmten Betrag erhalten. Das Risiko, ehedem Wohlhabende könnten eine solche staatliche Förderung ihrer Kinder zweckentfremden, sei geringer als die Chance, sozial Schwache zur Aufnahme eines Studiums zu bewegen. Eine solche Förderung solle anders als das Bafög kein Kredit sein, sondern durch eine so genannte Akademikersteuer berufstätiger ehemaliger Hochschulabsolventen finanziert werden.
Insgesamt müssten die Hochschulen mehr Geld bekommen, um das Verhältnis von Professoren und Studierenden auszugleichen, so Jürgens. Geld dazu sei im Prinzip vorhanden. Nur müsse es zum Beispiel durch eine Vermögenssteuer entsprechend umverteilt werden.
Die PDS hatte Anfang Juni in einer großen Anfrage von der Landesregierung Näheres über die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bedingungen für Studierende in Brandenburg erfahren wollen. Dass Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) vier Monate später 33 Fragen überhaupt nicht und einige nur ungenügend beantwortet habe, zeigt nach Einschätzung von Peer Jürgens, dass die Situation der Studierenden für die Landesregierung “kein Thema” sei.