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Lernort Zivilgesellschaft?

Was kann und zu welchem Zwecke betreibt man Gedenkstät­ten­päd­a­gogik? Und mit welchen Mit­teln? Ein klein­er Markt der Möglichkeit­en sollte am ver­gan­genen Mon­tag die Teil­nehmer auf die The­men ein­er Tagung in der Gedenkstätte Sach­sen­hausen bei Berlin ein­stim­men. Friedlich nebeneinan­der stell­ten sich dort die unter­schiedlich­sten Vere­ine vor, die auf die eine oder andere Art und Weise poli­tis­che und his­torische Bil­dung von Jugendlichen betreiben: Das Spek­trum reichte von Pro­jek­ten der außer­schulichen Auseinan­der­set­zung mit der Geschichte des Nation­al­sozial­is­mus und dem aktuellen Recht­sex­trem­is­mus bis zur Arbeitsstelle Poli­tis­che Bil­dung der Bun­des­beauf­tra­gen für die Unter­la­gen der Staat­sicher­heit mit ihren beson­deren Ange­boten für Schulen. Die meis­ten Teil­nehmer waren gekom­men, um sich über die Schwierigkeit­en eines prekären Beruf­s­standes zwis­chen Etatkürzun­gen und wech­sel­nden Inter­essen­la­gen der Geldge­ber auszutauschen. 

Johan­na Wan­ka, bran­den­bur­gis­che Min­is­terin für Wis­senschaft, Forschung und Kul­tur, eröffnete zuständigkeit­shal­ber die Ver­anstal­tung. In wohlge­set­zten Worten beklagte sie die Wirkungslosigkeit und ein­seit­ig antifaschis­tis­che Aus­rich­tung der Auseinan­der­set­zung mit dem Nation­al­sozial­is­mus in der DDR. Heute komme es darauf an, emo­tionale Betrof­fen­heit zu erzeu­gen und junge Men­schen für die Demokratie zu gewin­nen. Dann ver­schwand die Min­is­terin. Der Präsi­dent der Bun­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung, Thomas Krüger, kon­nte gar nicht erst kom­men. Denn – jed­er hat­te dafür Ver­ständ­nis – Etatver­hand­lun­gen im Innen­min­is­teri­um haben höhere Priorität. 

So blieben die Prak­tik­er unter sich und hat­ten sich doch nicht viel zu sagen. Sie macht­en einen erschöpften Ein­druck. Auf der eine Seite ständig auf der Suche nach neuen, inno­v­a­tiv­en Konzepten, um den näch­sten Pro­jek­tantrag zu begrün­den – auf der anderen seit Jahren mit gle­ichen Prob­le­men und Wider­sprüchen kon­fron­tiert. Ute Seck­endorf vom Aktion­spro­gramm Civ­i­tas brachte es auf den Punkt: Die Auseinan­der­set­zung mit dem aktuellen Recht­sex­trem­is­mus braucht eine gefes­tigte Kul­tur his­torisch­er Bil­dung und men­schen­fre­undlich­er Posi­tio­nen. Eine solche Kul­tur ist aber nicht zu verord­nen und nicht ohne eine langfristige Sock­elförderung der lokalen Ini­tia­tiv­en zu bilden. 

Selb­st die Bun­deszen­trale für poli­tis­che Bil­dung stellt fest, daß die Zahl der von ihr geförderten Ver­anstal­tun­gen zur Geschichte Nazideutsch­lands abn­immt. Die Zahl der entsprechen­den Anträge gehe zurück. Die Gewichte in der Bil­dungs­fi­nanzierung und in den Pro­gram­men haben sich gründlich ver­schoben: Es geht um Berufs- und Beschäf­ti­gungs­förderung. Die wiederkehren­den Rufe nach ein­er Wer­teerziehung haben einen großen Vorteil – sie kosten nichts. Das Civ­i­tas-Pro­gramm läuft 2006 aus. Der Lück­en­büßer für diese Prob­leme hat auch schon einen Namen: die Zivilge­sellschaft soll es mal wieder richt­en. Wer aber ist die Zivilge­sellschaft und wo wohnt sie? Ganz sich­er meint das Wort viel Nach­haltigkeit und löblich­es ehre­namtlich­es Engage­ment, aber sonst? 

Die meis­ten Fra­gen dieser Art blieben ungestellt: Wie will man mit staatlichen Mit­teln, zu poli­tis­ch­er Neu­tral­ität verpflichtet, engagierte Bil­dungsar­beit von unten ein­richt­en? Wie mit all­ge­meinen Reden über Men­schen­rechte Jugendliche erre­ichen, die täglich erfahren, daß sie in dieser Gesellschaft über­flüs­sig sind? Wie sieht ele­mentare Bil­dungsar­beit für tat­säch­lich bil­dungs­ferne Grup­pen aus, die jede Form von Wis­sensver­mit­tlung als sinnlose Zumu­tung wahrnehmen? Und wo ist schließlich die Gren­ze der pro­fes­sionellen Sol­i­dar­ität unter den Gedenkstät­ten­päd­a­gogen, wenn antikom­mu­nis­tis­che Opfer­ver­bände ihre Ablehnung des »Mythos von der Befreiung durch die Roten Armee« präsen­tieren? Nur ein Prob­lem fand eine erschöpfende Antwort. Ralf Pos­sekel für den Zukun­fts­fonds der Zwangsar­beit­er­stitf­tung sagte den Anwe­senden kurz und grob, was »Nach­haltigkeit« vor allem bedeuten muß: Bil­lig sollen die Pro­jek­te sein, son­st kann man sie nicht finanzieren, und sie find­en gar nicht erst statt.

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