(junge welt) Privatisierung ist gut. An die Stelle bürokratischer, starrer und maroder Staatsbetriebe treten hocheffiziente, flexible, dynamische und total kundenfreundliche Unternehmen, die in den Hurrikans des Weltmarktes senkrecht bleiben. Wo privatisiert wurde, ist Schluß mit dem beamteten Ärmelschoner. Heute gibt es keine Postämter mehr in der Nähe menschlicher Behausungen, Briefkästen sind weitgehend abgeschafft, und Postboten kommen abends vorm Schlafengehen. Privatisierte Züge fahren gegen Brücken, in die Freiheit entlassene Krankenhäuser behandeln nach Börsengesichtspunkten ethisch problemlos. Die Privatisierung des größten deutschen Staatsbetriebs, der DDR, machte endlich den Spruch »privat geht vor Katastrophe« wahr.
Das regt an, über weitere Privatisierungsfelder nachzudenken. In Schleswig-Holstein und Brandenburg können demnächst die psychiatrischen Landeskliniken und der Maßregelvollzug privatisiert werden, meldete die Märkische Allgemeine (MAZ) am Dienstag. In einem für Brandenburg richtungweisenden Parallelverfahren habe der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts entschieden, eine entsprechende Klinikprivatisierung im Norden zu ermöglichen. Privatisierung is coming home, in Klapsmühle und Knast. Die brandenburgische Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler (SPD), so schreibt die Zeitung, rechne mit einem Abschluß bis zum Jahresende: »Die Verhandlungen mit den Bietern laufen auf Hochtouren«. Man rechne mit einer zweistelligen Millionensumme. Dafür kann man einen »Kernbereich hoheitlicher Aufgaben« (MAZ) schon mal verscherbeln. Bislang stand dem irgendwie noch die Verfassung im Weg, aber deren Privatisierung ist nur noch eine Frage der Zeit. Erst wenn sich das Bundesverfassungsgericht seine Brötchen durch flexible Rechtsprechung selbst verdienen muß und in Brandenburgs Psychiatrien die Patienten das Outsourcing übernommen haben, ist der letzte Rest von Staatssozialismus getilgt. Ob die Insassen drinnen oder draußen sind, kann dann jeder endlich privat für sich entscheiden.