Linke: Jedes vierte Kind ist arm
Die zunehmende Armut auch in Brandenburg bestimmte gestern die Debatte innerhalb der Aktuellen Stunde des Landtags. Das Thema hatte die oppositionelle Linkspartei.PDS auf die Tagesordnung gesetzt. »Die Schere klafft immer weiter auseinander», sagte Fraktionschefin Kerstin Kaiser. »In Ostdeutschland hat nach einer Studie mittlerweile die Hälfte der Bevölkerung Angst davor, selbst in Armut zu fallen.« Ursache dafür sei besonders die Arbeitsmarktreform Hartz IV. Diese bekämpfe nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen.
Die bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Gerrit Große, nannte konkrete Beispiele. So hätten in der Kita »Spatzenhaus« in Frankfurt (Oder) 2004 zehn Prozent der Kinder von Sozialhilfe gelebt. Im September 2005 sei deren Zahl auf 42 Prozent angestiegen. »Einige Kinder erhalten im Hort ihre einzige tägliche Malzeit«, sagte Große. Viele von ihnen würden bestimmte Obstsorten nicht mehr kennen. Zahlreiche Eltern seien wegen fehlender Anschlüsse telefonisch nicht mehr erreichbar.
»Das ist das Gesicht von alltäglicher Kinderarmut in Brandenburg«, schlussfolgerte Große. »Jedes vierte Kind in Brandenburg ist davon inzwischen betroffen, in der Uckermark sogar jedes dritte.« Damit sei Armut längst kein Randgruppenproblem mehr, sondern eines der »gesellschaftlichen Mitte«. Seit Einführung von Hartz IV habe sich das Risiko, in Armut zu fallen, in Brandenburg verdoppelt, beklagte die Linkspartei-Politikerin.
Auch Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) räumte einen Anstieg von Armut in Brandenburg ein. So habe sich der Anteil von Langzeitarbeitslosen erhöht, konstatierte er. »Wir dürfen diese Menschen aber nicht abschreiben und nicht aus der Gesellschaft he-rausfallen lassen.« Deshalb müsse die gegenwärtige Arbeitsmarktpolitik überprüft und weiter entwickelt werden.
Mit dem Konzept des »vorsorgenden Sozialstaates« will Platzeck Abhilfe schaffen. Das Motto laute »Erneuerung aus eigener Kraft.« Die Bildungspolitik bezeichnete er als »wichtigste Politik zur vorbeugenden Armutsverhinderung überhaupt«. Inzwischen seien die Bereiche Bildung und Wissenschaft von finanziellen Kürzungen ausgenommen. Außerdem verwies er auf das neue Konzept der Landesregierung zur Wirtschaftsförderung und ein Programm für Familien. Die dafür bereitgestellten Mittel würden von 123 Millionen Euro in diesem Jahr auf 134 Millionen Euro für 2007 aufgestockt.
Kaiser warf dem Regierungschef dagegen vor, die soziale Lage im Land zwar richtig zu analysieren, aber daraus keine Konsequenzen zu ziehen. Stattdessen schreibe er den »alten nachsorgenden Sozialstaat« als ineffizient und zu teuer ab. Damit werden den »Ausgegrenzten und Abgehängten« die Solidarität aufgekündigt.