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Antifaschismus

Lonsdaleklamotten und Palästinensertuch — Autonome Nationalisten im Gerichtssaal

Neu­rup­pin — Seit Mon­tag Nach­mit­tag müssen sich zwei Ange­hörige der recht­en Szene Tem­plins vor dem Landgericht Neu­rup­pin wegen gemein­schaftlichen Mordes ver­ant­worten. Die bei­den Angeklagten Sven P. (19) und Chris­t­ian W. (22) sollen vor einem hal­ben Jahr den 55-jähri­gen arbeit­slosen Melio­ra­tionstech­niker Bernd K. auf­grund ihrer recht­en Gesin­nung ver­achtet, mis­shan­delt und getötet haben. Sven P. wird zudem das Ver­wen­den von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tio­nen vorgeworfen.

Schon vor Prozess­be­ginn wurde klar, dass sich Ange­hörige des Opfers, Jour­nal­is­ten und Autonome Nation­al­is­ten aus der recht­en Szene Tem­plins die Sitz­plätze im Gericht wer­den teilen müssen. Zu erken­nen waren die Nazis an ihrer schwarzen Klei­dung der Marken Lons­dale, alpha indus­tries und Palästi­nenser­tuch. Als schwarz­er Block saßen die sechs jun­gen Män­ner dann auch im Gericht­saal und fol­gten schweigend der Ver­hand­lung. Warum sie genau gekom­men waren, war ihnen nicht zu ent­lock­en. Einige von ihnen hat­ten schon Auftritte in anderen Gewalt­prozessen zu absolvieren als Täter und als Zeugen.

Als die bei­den Angeklagten in den Gerichtssaal geführt wur­den, mussten sie aus­giebiges Blit­zlicht­ge­wit­ter über sich erge­hen lassen. Zwei schmale Ker­le, denen man einen der­ar­ti­gen bru­tal­en Mord gar nicht zutrauen würde.

Das Vor­spiel

Der Prozess begann mit zwei Anträ­gen des Vertei­di­gers von Sven P., Dr. René Börn­er aus Pots­dam. Er ersuchte, seinem Man­dan­ten aus „Fair­ness­grün­den“ einen zweit­en Pflichtvertei­di­ger beizuord­nen wie es bei Chris­t­ian W. bere­its der Fall sei. In seinem zweit­en Antrag ver­langte der Recht­san­walt die Aus­set­zung des Prozessen, weil sein­er Ansicht nach noch nicht alle Ergeb­nisse der Spure­nauswer­tung durch das Lan­deskrim­i­nalamt dem Gericht vor­lä­gen, was die Vertei­di­gung behindere.

Der Vor­sitzende Richter am Landgericht Weg­n­er gab nach ein­er 20 Minuti­gen Ver­hand­lung­sun­ter­brechung bekan­nt, dass Antrag eins abgelehnt sei. Beim zweit­en Antrag gab er der Staat­san­waltschaft eine Frist von drei Tagen, eine Erk­lärung des LKA vorzule­gen, dass sich durch die Spure­n­analyse keine weit­eren Beweis­mit­tel als bish­er bekan­nt ergeben hät­ten. Zu Beginn des näch­sten Prozesstages werde man dann eine Entschei­dung über die Aus­set­zung des Prozess­es fällen.

Die Anklage

Nach diesem juris­tis­chen Vorge­plänkel kon­nte dann Staat­san­walt Clement die Anklageschrift ver­lesen. Sie zeich­net den Weg des Opfers und sein­er ver­meintlichen Mörder an diesem Som­mertag nach. Bernd K., der mit seinem Fahrrad unter­wegs war, hat­te seinen Peiniger Chris­t­ian W. bere­its am Nach­mit­tag des 21. Juli 2008 in der Innen­stadt Tem­plins getrof­fen . Gemein­sam waren sie zum Obdachlosen­heim der Stadt gewan­dert, und Bernd K. hat­te wohl dort im Kreis sein­er obdachlosen Kumpels noch eine für ihn angenehme Zeit beim Bier.

Gegen 21:00 Uhr mussten Chris­t­ian W. und Bernd K., die bei­de nicht obdach­los waren, das Heim auf Anord­nung des Leit­ers ver­lassen und wan­derten zurück ins Stadtzen­trum von Tem­plin. Am Markt trafen sie auf Sven P. und tranken dort gemein­sam mit ihm Bier. Gegen 22:00 Uhr soll Sven P. auf dem Markt lau­thals „Sieg Heil“ gegrölt haben. Die drei Män­ner macht­en sich gemein­sam auf den Weg.

Als sich Bernd K. auf sein Fahrrad schwang und los fuhr, kippte die Stim­mung. Es war wohl zuvor vere­in­bart wor­den, dass man zu Fuß gehen wollte. Bern K. wurde daraufhin von zumin­d­est einem Angeschuldigten getreten. Chris­t­ian W. beschimpfte Bernd K. Es sollen Worte wie „Du Pen­ner!“, „Du Vieh!“, „Drecksvieh!“, „Du alter Sack, beweg deinen Arsch!“ Gefall­en sein. Als Bernd K. über einen Bor­d­stein stolperte und zu Boden fiel, soll Chris­t­ian W. geschrien haben: „Du blöde Sau, du Drecksvieh, steh auf!“ Die Staat­san­waltschaft bew­ertet das als eine bewusste Erniedri­gung des Opfers.

Die Sit­u­a­tion muss sich wieder entspan­nt haben, weil ein junger Mann, der den am Boden liegen­den Bernd K. bemerkt hat­te, hinzu kam und fragte, ob er helfen könne. Chris­t­ian C. verneinte das, brachte Bernd K. wieder auf die Beine und zog mit ihm und Sven P. in Rich­tung Müh­len­tor davon. Dort betrat man ein altes Werk­stadt­ge­bäude, dass dem Opfer gehörte und wo er ab und zu nächtigte.

Von dort woll­ten die drei Män­ner weit­er ins 10 Kilo­me­ter ent­fer­nte Pet­znick, dem Wohnort von Chris­t­ian W. Bernd K. war zu diesem Zeit­punkt auf­grund des starken Alko­holkon­sums nach Ansicht der Staat­san­waltschaft wed­er Wil­lens noch in der Lage, sich irgend­wohin zu bewegen.

Weil Bernd K. den Anord­nun­gen sein­er bei­den Trinkkumpa­nen zum wieder­holten Male an diesem Abend nicht Folge leis­tete, sollen sie wütend gewor­den sein. Auf­grund ihrer recht­en Gesin­nung – so sieht es die Staat­san­waltschaft — sollen sie ihr Opfer, das am Rande der Gesellschaft lebte, das seit Jahren als Arbeit­slos­er Sozialleis­tun­gen empf­ing, alko­ho­lab­hängig war und enge Kon­tak­te zu Per­so­n­en aus dem Obdachlosen­m­i­lieu pflegte, ver­achtet haben. Bernd K. musste für seinen „Befehlsver­weigerung“ bestraft wer­den. Aus Sicht der Staat­san­waltschaft sollen die bei­den Män­ner ihr Opfer arbeit­steilig mis­shan­delt haben „im bewussten und gewoll­ten Zusam­men­wirken auf bru­tale und men­schen­ver­ach­t­ende Weise, wobei sie seinen Tod zumin­d­est bil­li­gend in Kauf nahmen.“

Sven P. trat mehrfach mit großer Wucht auf den am Boden liegen­den, wehrlosen Men­schen ein und zertrüm­merte dessen Gesicht. Zusät­zlich wurde es mit einem abge­broch­enen Flaschen­hals trak­tiert. Damit nicht genug. Über mehrere Minuten hin­weg wurde Bernd K. gewürgt. Irgend­wann war tot. Zulet­zt hät­ten die Angeklagten den schon toten Bernd K. mit Abfällen bewor­fen und angezün­det, um ihn „weit­er zu erniedrigen“.

Die Staat­san­waltschaft ist überzeugt, dass Sven P. Bernd K. auch deshalb tötete, weil er sehen wollte, wie ein Men­sch stirbt.

Kleines Nach­spiel

Zum Abschluss des Prozesstages bat Anwalt um die Zusendung der Ablehnungs­be­grün­dung gegen seinen Antrag per Fax, was Richter Weg­n­er mit Hin­weis auf die Möglichkeit der Aktenein­sicht ener­gisch ver­weigerte. Dies hat­te den näch­sten Antrag auf Zusendung ein­er schriftlichen Begrün­dung zur Folge. Entsch­ieden wurde darüber allerd­ings nicht mehr.

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