(Andreas Frtische) Als britische Kampfflugzeuge in der Nacht vor genau 62 Jahren ihre Bomben über Potsdam abwarfen, bekam die Garnisonkirche wohl keinen Treffer ab. Aber Funken flogen vom brennenden Langen Stall durch Luftöffnungen ins Glockengeschoss und setzen die Holzkonstruktion in Brand – Luftöffnungen, die man erst Ende der 1920er Jahre nachrüstete, weil das Holz unter der Kupferblechverkleidung faulte. Nachzulesen ist das in dem Buch »Die Potsdamer Garnisonkirche«.
Der Brand war der Anfang vom Ende der Kirche, deren Wiederaufbau geplant und zugleich umstritten ist. Man hoffe, die Gründung einer Stiftung noch in diesem Jahr abzuschließen, erklärte jetzt der Förderverein für den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Der Grundstein liegt bereits seit zwei Jahren. Die evangelische Kirche plant ein internationales Versöhnungszentrum.
Die Aussage, dass es für die Gründung der Stiftung 100 000 Euro aus Lottomitteln gibt, rief die Landtagsabgeordnete Anita Tack (Linkspartei) auf den Plan. Sie hakte nach. Finanzminister Rainer Speer (SPD) habe schließlich immer ausgeschlossen, dass öffentliche Mittel für das Bauprojekt fließen. Heraus kam, das Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) die 100 000 Euro zusagte. Weitere Mittel sollen jedoch nicht fließen, versicherte Staatskanzleichef Clemens Appel.
Für Tack ist die Zusage Platzecks ein Unding. Auch Lottomittel sind öffentliche Gelder, betont sie. Im Mitteilungsblatt der Potsdamer Sozialisten steht die Information über Tacks parlamentarische Anfrage und Appels Antwort unter der Überschrift: »Üb´ immer Treu und Redlichkeit…« Es handelt sich um eine Melodie des Glockenspiels der Garnisonkirche. Am heutigen Sonnabend hält der ehemalige Geschichtslehrer Werner Mihan einen Vortrag über »Die Nacht von Potsdam«, also den Bombenangriff im April 1945. Mihan spricht um 19.30 Uhr in der Ausstellung zur Garnisonkirche in der Breiten Straße.
Doch das Ende der Garnisonkirche hängt nicht nur zusammen mit der Nacht von Potsdam, sondern zum Beispiel auch mit dem Tag von Potsdam: Zur Eröffnung des Reichstages am 21. März 1933 schüttelte Adolf Hitler dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg vor der Garnisonkirche die Hand. Dies symbolisierte eine Allianz von Faschismus und militaristischem Preußentum.
In seinem sehr informativen Buch »Die Potsdamer Garnisonkirche« widmet sich Ludwig Bamberg vor allem der kunsthistorischen Seite des Bauwerks. Gleich im ersten Satz betont der Autor, das Thema dürfe nicht »politischen Auseinandersetzungen« überlassen bleiben. Die Garnisonkirche sei ein Bauwerk ersten Ranges, ein bedeutendes Beispiel protestantischen Kirchenbaus im 18. Jahrhundert gewesen, was Bamberg durch den Vergleich mit eventuellen Vorbildern in Rom, London oder Antwerpen beweist. Der Autor räumt allerdings ein, dass die Garnisonkirche zu einem »politischen Ort« gemacht wurde, und das nicht erst am 21. März 1933. Die SA zog bereits vor 1933 mit Trommelwirbel und gesenkten Fahnen vorbei.
Etwas anderes als nur eine Kirche ist das Bauwerk spätestens seit dem Tod Friedrichs II. Der Thronfolger Friedrich Wilhelm II. ließ den König gegen dessen ausdrücklichen Willen in der hiesigen Gruft beisetzen. »Die Garnisonkirche wird ab jetzt ständig vereinnahmt und missbraucht; sie ist jetzt eine preußische Wallfahrtsstätte«, schreibt der Architekt und Kunsthistoriker Ludwig Bamberg. Die Hohenzollern schmückten die Kirche mit einer Marmorskulptur des Kriegsgottes Mars und mit erbeuteten Fahnen.
Lässt man diese politisch-geschichtlichen Fakten beiseite, so gelingt es Bamberg mit seinen Zeilen und den dazu gestellten historischen Fotos und Zeichnungen, dass der Leser die 1968 erfolgte Sprengung der Ruine fast unweigerlich bedauert. Die Frage ist nur, ob die Fotos nicht auch zeigen: Die alte optische Wirkung wird eine wieder errichtete Garnisonkirche nicht entfalten können. Zu viel veränderte sich in der Umgebung.
Ludwig Bamberg: »Die Potsdamer Garnisonkirche. Baugeschichte – Ausstattung – Bedeutung«, Lukas Verlag, 216 Seiten (Hardcover), 29,80 Euro, ND-Buchbestellservice, Tel.: (030) 29 78 17 77