Eigentlich ist Hadassa Ben-Itto in die Lübbener Spreewaldschule gekommen, um
einen wichtigen Teil der Geschichte des Antisemitismus zu erzählen. In ihrem
Buch «Die Protokolle der Weisen von Zion. Anatomie einer Fälschung» ist sie Ursprung und Missbrauch der wohl
berüchtigsten judenfeindlichen Fälschung nachgegangen. Angesichts der
weltpolitischen Lage landet die ehemalige Vertreterin Israels bei den
Vereinten Nationen an diesem Dienstag aber rasch in der Gegenwart.
«Der christlich begründete Judenhass wurde im 19. Jahrhundert überwunden. An
seine Stelle ist die globale Feindschaft gegenüber dem Staat Israel
getreten» , erklärt die gebürtige Polin, deren Familie von den Nazis
umgebracht worden war. «Aids, der Terror von Al-Quaida, der Irakkrieg und
Börsenflauten, all das wird uns angelastet» , fasst sie die Vorworte zu
malaysischen und arabischen Ausgaben der «Protokolle der Weisen von Zion»
zusammen. Und stellt dar, wie radikale Ideologen in Deutschland und Russland
vor hundert Jahren aus dem Auszug einer französischen Satire eine Art Bibel
des Judenhasses montiert hatten. Deren Kernthese lautet: Die Juden hätten
Liberalismus und Sozialismus hervorgebracht und strebten nach der
Weltherrschaft.
Nach der russischen Revolution 1917 wurden Juden für Anarchie und gesprengte
Autobusse verantwortlich gemacht, ist während der Lesung zu hören. Die
Tatsache, dass heutzutage Linienbusse in Ben-Ittos Heimatstadt Tel Aviv von
Palästinensern in die Luft gejagt werden und Menschen darin umkommen, werde
von den Kritikern Israels nicht ausreichend berücksichtigt. «Viele kennen
nur Wortfetzen wie Besatzung und Siedler. Man darf weder die Probleme der
israelischen Politik so einseitig betrachten noch den Vorurteilen dieser
gefälschten Protokolle auf den Leim gehen» , fordert sie von den Schülern.
In Deutschland sind die «Protokolle der Weisen von Zion» , auf die sich
neben den Nazis auch US-Autopionier Henry Ford berufen hatte, seit 1945
verboten, berichtet Hadassa Ben-Itto. In asiatischen Staaten werde es
hingegen immer noch aufgelegt. Damit, so die Autorin, werde an
antisemitischen Vorurteilen, die zum Teil aus dem Mittelalter stammen,
festgehalten. «Warum kriegen syrische Kinder dieses Buch noch in der Schule
zu lesen, wenn jeder weiß, dass es auf einer Fälschung beruht?» , fragt ein
Schüler. «Weil manchen politischen Kräften jedes Mittel recht ist, um Israel
als Bedroh ung darzustellen» , antwortet die langjährige Richterin. Damit
sich die Lübbener Schüler und andere Zeitgenossen ein vollständiges und
eigenes Bild über antisemitische Propaganda machen können, habe sie dieses
Buch geschrieben, das sie ihrer durch deutsche Hand umgekommenen Familie
gewidmet hat. Für den Appell an die jungen Zuhörer, allen Medien ein
gesundes Misstrauen entgegenzubringen, um das eigene Denken zu schärfen,
erntet die Juristin und Großmutter am Ende ihres Vortrags herzlichen
Beifall.
Hadassa Ben-Itto habe ihren Frieden mit Deutschland gemacht und danke den
Behörden für ihren Kampf gegen Antisemitismus, betont sie gegenüber der
RUNDSCHAU, während das vorher so aufmerksame Publikum nach draußen drängt.
Die Abneigung gegenüber ihrem Volk bleibe trotz allem ein €päisches
Problem: in Frankreich, in England, aber auch in Deutschland.