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Mäßiger Erfolg

(22. Juni 04) Am gestri­gen Mon­tag zog der Leit­er der Pots­damer Polizei, Ralf Marschall, eine erste Bilanz, der Ende 2001 am Pots­damer Haupt­bahn­hof instal­lierten Videoüberwachung. 

Der Rück­gang der Straftat­en am Haupt­bahn­hof ist vor allem auf sink­ende Fal­lzahlen bei den Auto- und Fahrrad­dieb­stählen zurück­zuführen. Das wertete der Potsdamer
Polize­ichef als Erfolg der Videoüberwachung.
Hier sind aber erhe­bliche Zweifel ange­bracht. Das den Stadtverord­neten 2001 zur
Begrün­dung der Videoüberwachung vorgelegte Mate­r­i­al der Polizei belegt näm­lich, dass der stärk­ste Rück­gang der Rad-
und Autodieb­stäh­le schon vor Inbe­trieb­nahme der Videokam­eras zu verze­ich­nen ist: 

Für 2000 weist die polizeiliche Sta­tis­tik 248 reg­istri­erte Straftat­en, davon 211
Dieb­stahls­de­lik­te aus, 2001 reg­istri­erte sie 218 Delik­te, darunter 136 Diebstähle.
Der Rück­gang der Fal­lzahlen nach dem Ein­schal­ten der Kam­eras hat daher
offen­sichtlich zu einem erhe­blichen Teil andere Ursachen.
Wir gehen davon aus, dass tech­nis­che Neuerun­gen in den PKW (z.B. Weg­fahrsper­ren) und
bessere Möglichkeit­en zum sicheren Anschließen von Fahrrädern am Potsdamer
Haupt­bahn­hof die Haup­tur­sache für den Rück­gang der reg­istri­erten Straftat­en sind.

Der Videoüberwachung kommt in dieser Entwick­lung allen­falls eine untergeordnete
Rolle zu.
Bemerkenswert ist auch die Tat­sache, dass die Zahl der sog. Rohheits­de­lik­te sich
trotz Videoüberwachung mehr als ver­dop­pelt hat. Offen­bar nutzt es den Opfern
gewalt­tätiger Über­griffe auch nicht, dass die Polizei dabei zuguckt.
Auch die Erfolge, die sich die Polizei bei der Aufk­lärung von Straftat­en versprochen
hat, sind weit­ge­hend aus­ge­blieben. So wur­den 2002 25 und 2003 ganze 49
Tatverdächtige im überwacht­en Bere­ich ermit­telt. Für den Zeitraum vom 1.1.–30.6.2000
(die Zahlen zum 2.HJ fehlen lei­der) spricht die Polizeis­ta­tis­tik allein von 31
ermit­tel­ten Tatverdächti­gen, vom 1.1.–30.6.2001 von 38 aufgek­lärten Tat­en und im 2.
HJ 2001 von 11 ermit­tel­ten Tatverdächtigen).
Die Sta­tis­tik lei­det auch unter dem erhe­blichen Man­gel, dass Straftat­en innerhalb
des Bahn­hof­s­ge­bäudes nicht erfasst wur­den. So kann nicht geprüft wer­den, ob eine
Ver­drän­gung z.B. von Hand­taschendieb­stählen und recht­en Pro­pa­gan­dade­lik­ten in den
Innen­bere­ich erfol­gt ist. 

Ins­ge­samt stellen die von der Polizei vorgelegten Zahlen keine brauch­bare Grundlage
zu ein­er Bew­er­tung der Videoüberwachung dar, die wis­senschaftlichen Ansprüchen
genü­gen würde. Das vor­liegende Mate­r­i­al genügt aber, um zu erken­nen, dass die
Erfolge der Videoüberwachung keineswegs so durch­schla­gend sind, dass sie einen
der­art schw­eren Ein­griff in die Per­sön­lichkeit­srechte recht­fer­ti­gen. Schließlich
wer­den täglich Zehn­tausende Leute nur deshalb überwacht, weil sie den Hauptbahnhof
nutzen — ohne dass die Videokam­eras sie wirk­sam vor tätlichen Übergriffen
ins­beson­dere rechter Cliquen am Haupt­bahn­hof schützen können.

Vor diesem Hin­ter­grund wäre die Abschal­tung der Videoüberwachung am Potsdamer
Haupt­bahn­hof nahe­liegend und zwin­gend. Wir schla­gen stattdessen die Einrichtung
eines bewacht­en Park­platzes vor. Diese Maß­nahme hätte voraus­sichtlich einen größeren
Effekt als die sechs aus Steuergeldern finanzierten Kam­eras, die mehrere Polizisten
daran hin­dern, sich Bewe­gung an der frischen Luft zu verschaffen. 

Mehr infos unter www.polizeikontrollstelle.de.

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