Gegen zwei Kundgebungen der NPD im Landkreis Potsdam-Mittelmark hat sich gestern Vormittag und am frühen Nachmittag breiter Bürgerprotest formiert. In der Gemeinde Kloster Lehnin hatten sich ungefähr 50 Menschen versammelt, in der Stadt Brück sogar 150. Mit Schildern, Transparenten, Pfiffen und lautstarken Unmutsbekundungen protestierten sie gegen die neonazistischen Versammlungen, die jeweils 25 Personen anzogen.
Bürger_innenproteste gegen Rassismus
Sowohl in Kloster Lehnin als auch in Brück hatten zuvor die Gemeindeverwaltungen, mit dem Bürgermeister an der Spitze, zu den Protesten gegen die offensichtlich rassistisch motivierten Veranstaltungen der NPD aufgerufen. Entsprechende Bekenntnisse waren an diesem Tag auch im Ortsbild erkennbar. Kloster Lehnin hatte u.a. einen Aufruf anbringen lassen, in dem die Verwaltung als Repräsentant des Ortes bekannte, dass die Gemeinde „Familien- und Ausländerfreundlich“ sei. In Brück war an einem Verwaltungsgebäude ein großes Transparent mit der Aufschrift „solidarisch statt rassistisch“ angebracht. Zu dem hingen an den Straßenleuchten dutzende Plakate der Kampagne „Schöner leben ohne Nazis“. Weiterhin wurden die Brücker_innen durch A4-große Aufrufe der Gemeinde dazu aufgefordert, durch direkte Proteste gegen die NPD-Versammlung ein Zeichen für „Toleranz und Menschlichkeit“ zu setzen. Mit Erfolg. Sowohl in Brück, als auch in Lehnin fanden sich dann tatsächlich dutzende Menschen ein, um in Hör- und Sichtweite gegen die Neonazis zu protestieren. In Brück waren die NPDler von den Protesten sogar so überwältigt, dass sie ihren Kundgebungsort ungefähr 100m weiter weg von den Gegendemonstrant_innen legen ließen. Mehr Bürger_innen erreichen konnten sie dadurch jedoch auch nicht. Die Beiträge der Redner verpufften ohne nennenswerte Wirkung auf die Anwohner_innen.
Ebenfalls als sinnlos entpuppte sich offenbar der Versuch der NPD noch in einer anderen Ortschaft spontan eine weitere Kundgebung anzumelden. Nachdem die Protestier_innen ihnen gefolgt waren und ebenfalls eine Versammlung anmeldeten, soll die Partei aufgegeben haben.
NPD auf Profilierungskurs
Ursprünglich hatte die NPD zwei Kundgebungen, zum einen in Kloster Lehnin ab 10.00 Uhr am Marktplatz Ecke Bahnhofsstraße und zum anderen in Brück ab 11.45 Uhr am Bahnhof, unter dem Motto: „Nein zum Heim!“ angemeldet. Die Veranstaltungen wurden im Socialmedia u.a. bei der „NPD Potsdam-Mittelmark“, der „NPD Prignitz-Ruppin“ und den „Freien Kräften Prignitz“ beworben. Beim Prignitzer Parteiverband hieß es aber schon vorab einschränkend: „Wenn ihr euch zufällig in der Nähe befindet, dann schaut doch mal vorbei und unterstützt die Damen und Herren auf der Straße“. Offenbar war jedoch niemand aus dem Nordwesten Brandenburgs in der Nähe. Die Teilnehmer_innen der NPD Versammlung stammten hauptsächlich aus den Landkreisen Potsdam-Mittelmark, Havelland, Oberhavel, Teltow-Fläming und Oder-Spree. Die meisten dieser Personen sind als langjährige Funktionäre der Partei bzw. ihrer Jugendorganisation bekannt. Redebeiträge hielten so u.a. der Landesvorsitzende der Jungen Nationaldemokraten, Pierre Dornbrach, und der Vorsitzende des Kreisverbandes Havel-Nuthe, Michel Müller. Letzterer versuchte seine Ablehnung gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden durch vermeintliche Erkenntnisse aus Artikeln in meinungsbildenden Tageszeitungen, Zitaten von umstrittenen Politiker_innen und Antworten auf Anfragen im havelländischen Kreistag zu begründen. Das diese aus dem Zusammenhang gerissen und so aneinandergereiht ein ganz anderes Bild ergeben, als in der Realität erlebbar, scheint dabei offenbar beabsichtigt. Auch das mit vermeintlichen „Fakten“ aus einem anderen Landkreis argumentiert wurde ist bezeichnend. Denn die NPD ist mit ihrem Abgeordneten André Schär eigentlich auch im Kreistag Potsdam-Mittelmark vertreten. Der hiesige Kreisrat scheint dort aber, anders als Müller im Havelland, nur wenig im Sinne der Partei zu bewegen. Ein Redebeitrag von André Schär war gestern ebenfalls nicht vorgesehen. Ihm blieb nur die Rolle des Versammlungsleiters.
Überhaupt scheint die Position der NPD im Landkreis Potsdam-Mittelmark desolat. Die neue neonazistische Kleinpartei „Der dritte Weg“ hat den „Nationaldemokraten“ im szeneinternen Machtkampf hier offenbar weitgehend das Wasser abgegraben. Der ehemalige Bad Belziger Abgeordnete Pascal Stolle, der erst im vergangenen Jahr für die NPD in die Stadtverordnetenversammlung der Kreisstadt eingezogen war, hatte beispielsweise bereits im Januar die szeneinternen Fronten gewechselt. Er tritt momentan bei diversen Veranstaltungen als „Missionar“ des „dritten Weges“ auf. Und auch die „freien Kräfte“ der Region scheinen momentan mehr mit der neuen militanten Bewegungspartei zu sympathisieren und blieben den gestrigen Kundgebungen, trotz vollmundiger Ankündigung der „NPD Potsdam-Mittelmark“, dass die „viele“ Personen aus diesem Spektrum „vor Ort“ sein werden, fern.
Insofern sind die Parteiveranstaltungen in Lehnin und Brück als verzweifelter Versuch der „Nationaldemokraten“ interpretierbar, in dieser Region wieder Fuß fassen zu wollen.
Fotos: hier
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