berliner morgenpost:
Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft wegen Mordes an Obdachlosem
dpa Potsdam — Im Prozess um die Ermordung eines Obdachlosen im brandenburgischen Dahlewitz hat die Staatsanwaltschaft für einen 22- Jährigen eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Auf sadistische Weise habe er gemeinsam mit vier anderen Angeklagten das 61-jährige, schmächtige Opfer geprügelt und gequält, bis es an seinem eigenen Blut erstickte, sagte Staatsanwalt Peter Petersen gestern vor dem Potsdamer Landgericht.
Der mutmaßliche Rädelsführer soll nach dem Willen des Staatsanwalts für 13 Jahre ins Gefängnis. Wegen seiner schweren seelischen Abartigkeit ist der 21-Jährige einem psychiatrischen Gutachter zufolge nur vermindert schuldfähig. Für die drei übrigen Angeklagten verlangte der Staatsanwalt Jugendstrafen zwischen 5 und 8 Jahren.
Die fünf 17 bis 22 Jahre alten Angeklagten hatten zu Prozessbeginn gestanden, den Obdachlosen im August 2001 so schwer verletzt zu haben, dass er wenig später starb. Vier der Männer sind wegen Mordes angeklagt. Dem Jüngsten wird nur Totschlag zur Last gelegt, weil er erst später dazu stieß und nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nichts von den Motiven der anderen wusste.
Entgegen den Angaben der fünf Angeklagten spielte Alkohol nach den Worten des Staatsanwalts keine Rolle am Tatabend.
Der Prozess soll am 3. April mit den Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt werden. Das Urteil wird für den 10. April erwartet.
berliner zeitung:
Hohe Strafen für Mord an Obdachlosem gefordert
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Einem der fünf Angeklagten droht lebenslängliche Haft
Jan Thomsen
POTSDAM. Im Prozess um den Mord an dem Obdachlosen Dieter Manzke hat der Staatsanwalt hohe Strafen für die beiden Haupttäter gefordert. Für den 22-jährigen Dirk B. — den Ältesten der fünf jungen Männer, die ihr 61-jähriges Opfer im August 2001 in Dahlewitz brutal zu Tode prügelten — beantragte Peter Petersen lebenslange Haft. Beim mutmaßlichen Anführer der fünf, dem 21-jährigen Dirk R., ließ der Staatsanwalt in seinem Plädoyer vor dem Potsdamer Landgericht mildernde Umstände auf Grund einer diagnostizierten Persönlichkeitsstörung gelten. Er beantragte 13 Jahre Haft für ihn.
Für die drei jüngeren Angeklagten komme wegen mangelnder Reife nur eine Jugendstrafe in Betracht, sagte Petersen. Laut Plädoyer sollen der 19-jährige Ronny R. für acht Jahre und der zur Tatzeit noch 20-jährige Ralf W. für sechs Jahre ins Gefängnis. Der 17-jährige Uwe R. — als Einziger nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags angeklagt — soll auf Antrag der Anklage wegen “relativ geringfügiger Tatbeiträge” fünf Jahre ins Gefängnis.
Der Staatsanwalt beschuldigte alle Angeklagten, sich bewusst mit “viehischen Quälereien” an ihrem Opfer vergangen zu haben. Alkohol als Grund für eine “Enthemmung” schloss er aus: “Das hat hier keine Rolle gespielt”, sagte Petersen und berief sich auf mehrere Zeugenaussagen, in denen die fünf Männer als “nicht betrunken” beschrieben wurden. Zwar hätten sie ihr wehr-loses Opfer anfangs nicht töten wollen — doch dann derart erbarmungslos zugeschlagen und ‑getreten, dass sie seinen Tod in Kauf nahmen. Die Angeklagten hätten sich dabei gezielt einen sozial Schwächeren ausgesucht, um auf ihn einzuprügeln. “Dabei haben sie sich selbst zum Herrn über Leben und Tod gemacht.” Damit sei der Tatbestand des Mordes erfüllt.
Den Ablauf des Überfalls am 8. August 2001 beschrieb der Staatsanwalt so: Nach einem zunächst “ganz normalen” abendlichen Treffen zum Reden und Trinken habe Dirk R. vorgeschlagen, Dieter Manzke in seiner Gartenlaube in Dahlewitz — wo er seit einiger Zeit übernachtete — aufzusuchen und zusammenzuschlagen. “Das fand in der Gruppe gleich Gefallen”, sagte Petersen. Die beiden Ältesten hätten sich dann durch besondere Brutalität und “sadistische Quälereien” hervorgetan. Dirk R., indem er dem schmächtigen 61-Jährigen immer wieder ins Gesicht schlug und “mit voller Wucht” auf den Oberkörper sprang; Dirk B., indem er Manzke Jogurt ins blutende Gesicht kippte, Zigaretten auf seiner Haut ausdrückte und mit dem Finger aufs längst schon zugeschwollene Auge presste. Auch Ronny R. und Ralf W. hätten mit Faustschlägen und Fußtritten zum Martyrium ihres wehrlosen Opfers beigetragen. Der 17-jährige Uwe R. schließlich, der zu der Szene etwas später hinzukam, habe bereitwillig auf die Aufforderung von Dirk R. reagiert, ebenfalls zuzuschlagen. Dass die jungen Männer durchaus mit dem Tod ihres Opfers rechneten, so argumentierte der Staatsanwalt, sei auch daran zu erkennen, dass sie nach der Tat versuchten, den Schwerstverletzten zu verstecken. “Sie wollten nicht entdeckt werden.”
Der Staatsanwalt hielt dem mutmaßlichen Anführer Dirk R. zugute, dass dessen “übernatürliche Aggressivität” auf seine gestörte Persönlichkeit zurückzuführen sei. Der 21-Jährige sei “frühzeitig selbst das Opfer von Prügelorgien” geworden: “Eigentlich müssten rechts und links von ihm seine Adoptiveltern sitzen”, sagte Petersen. Das Ergebnis ihrer verantwortungslosen Erziehung sei “ein brandgefährlicher junger Mann”. Bei dem 19-jährigen Ronny R. liege dagegen zwar auch eine Persönlichkeitsstörung vor; diese habe sich jedoch nicht auf die Tat ausgewirkt.
Bei der Beschreibung des Motivs tat sich auch der Staatsanwalt schwer. Eine “Verzweiflung über die eigenen Lebensumstände” habe die fünf zu ihrem aggressiven Abreagieren gegenüber einem noch schwächeren Opfer geführt, das sie verachteten. “An diesem Abend”, sagte Petersen, “wollten sie alle einmal ausschließlich Täter sein.”