Verfassungsschutz erhebt Vorwürfe gegen „Islamische Gemeinschaft Potsdam“ / Heftige Kritik an Behörde
(Henri Kramer)Die größte islamische Religionsgruppe in Potsdam ist ins Visier des Brandenburger Verfassungsschutzes geraten. In ihrem aktuellen Bericht zweifelt die Sicherheitsbehörde an der „toleranten Einstellung“ der „Islamischen Gemeinschaft Potsdam“ – und „ihrer Verpflichtung auf demokratische Grundwerte“. Diese Vorwürfe begründet der Bericht mit den „Verbindungen führender Angehöriger und Unterstützer der Gemeinschaft zu islamistischen Organisationen mit antisemitischen Tendenzen.“ Den Zweifeln an der Gemeinschaft komme „erhebliches Gewicht“ zu, da sie in Schulen über den Islam berichte und Kinderbetreuung anbiete, so die Behörde.
Die angegriffene Gruppe hat bereits einen dreiseitigen Brief an das für den Bericht zuständige Brandenburger Innenministerium geschickt und droht darin mit „rechtlichen Schritten.“ Auf Anfrage teilte das Ministerium gestern mit, dass das Schreiben nach derzeitigem Kenntnisstand nichts am Bericht ändern werde.
Zu der Gemeinschaft gehören nach Schätzungen bis zu 100 der rund 300 gläubigen Muslime in Potsdam. Ihr Sitz ist in der Weinbergstraße 21. Fast täglich gibt es Unterricht in Deutsch und Arabisch, ebenso wird Kinderbetreuung angeboten. Zudem werden Vorträge in den Räumen des ebenso ansässigen islamischen Vereins „Weimar Institut“ e.V. beworben.
Einer dessen Mitgründer war 1995 laut Verfassungsschutz der zum Islam konvertierte Deutsche Abu Bakr Rieger, bis in den vergangenen Herbst stellvertretender Vorsitzender des Islamrats. Damals war er zurückgetreten, nachdem ein Video aufgetaucht war, dass ihn 1993 bei einem Vortrag zeigte, in dem er bedauerte, dass „die Deutschen die Juden nicht ganz vernichtet hätten.“ Rieger bestreitet indes, ein Rechtsradikaler zu sein – was dem Verfassungsschutz „fragwürdig“ erscheint. Mit Rieger fand in der Weinbergstraße erst im März der Vortrag „Gesellschaft, Gemeinschaft – die Rolle des Einzelnen“ statt. In ihrer Beschwerde beim Ministerium begründet das „Weimar Institut“ die Einladung mit der Sachkenntnis von Rieger, das Zitat von damals sei ein „Fehltritt“, von dem sich Rieger mehrfach „unzweideutig“ distanziert habe.
Ebenso kritisiert der Verfassungsschutz die Nähe des „Weimar Instituts“ zur weltweit agierenden Murabitun-Gesellschaft. Über diese offenbar bestehende Verbindung hatte die PNN schon vor anderthalb Jahren berichtet. Bei der Ideologie der Murabitun soll es sich laut Verfassungsschutz um ein „Gemenge aus antikapitalistischen, antisemitischen und antiimperialistischen Ideen mit revisionistischen und rechtsesoterischen Tendenzen“ handeln. Ihrem Gründer – dem Shaik Dr. Abdalqadir As-Sufi – unterstellt der Verfassungsschutz „lobende Worte für Hitler und den Nationalsozialismus.“ Zu Potsdam gebe es zwei Verbindungen – das Porträt von Abdalqadir hänge in der Weinbergstraße, zudem würden Abhandlungen von ihm in Riegers „Islamischer Zeitung“ gedruckt.
Diese Verbindung dementiert das „Weimar Institut“ in seinem Schreiben nicht – bestreitet aber antisemitische oder nationalsozialistische Tendenzen bei Abdalqadir und der „Islamischen Zeitung“: „Unser Zentrum ist ein Ort der ergebnisoffenen Begegnung aller Konfessionen.“
Kritik an dem Bericht übte gestern Hala Kindelberger, selber Muslimin und Vorsitzende des Potsdamer Ausländerbeirats: Der Text schüre Islamophobie, enthalte Fehler und operiere mit zweifelhaften Beweisen. „Ich kenne die Leute und kann die Vorwürfe nicht teilen.“