(Henri Kramer)Die Neufassung des historischen Potsdamer Toleranzedikts wird ab nun öffentlich an Potsdams Schulen diskutiert. Seit gestern stehen in acht Einrichtungen – einem Oberstufenzentrum und sieben weiterführenden Schulen – die Diskussionstafeln, die seit Anfang des Monats schon im gesamten Stadtgebiet die Bürger dazu einladen sollen, sich mit Vorschlägen zu der Aktion einzubringen. „Die Diskussion kann nützlich gegen braunes Gedankengut sein“, sagte Burkhard Jungkamp, Staatssekretär im Brandenburger Bildungsministerium, vor Schülern des Humboldt-Gymnasiums. Dort wurde offiziell die erste Tafel an einer Schule aufgestellt – und vor den Schülern über den sperrigen Begriff Toleranz diskutiert.
So betonte Jungkamp, dass Philosophen wie Habermas seit den Anschlägen des 11. September die Wortbedeutung von „Toleranz“ neu überdenken würden – etwa als Synonym für „bedingte Gastfreundschaft“. Simone Leinkauf vom für das Edikt-Projekt verantwortlichen Verein ProWissen betonte den praktischen Wert der Diskussion durch den Austausch zwischen alten und jungen Potsdamern – oder Ur-Potsdamern und Zugezogenen: „Das treibt viele Leute um.“ Schulleiterin Carola Gnadt sagte, Toleranz könne nur ein Übergangsstadium sein — das zur „Anerkennung“ führen müsse.
Indes scheint sich noch nicht jeder Potsdamer für die Aktion begeistern zu können. Seit Ende März sind demnach 600 bis 700 Postkarten unterschrieben worden, mit denen sich Potsdamer zu Toleranz bekennen. Im Internetforum der Aktion gab es gestern 270 Beiträge. „Wir wünschen uns noch mehr Beteiligung“, sagte Daniel Wetzel, dessen Agentur das Projekt koordiniert. Allerdings verwies Wetzel auch auf viel Zuspruch, den er und seine Mitarbeiter mit dem Projekt erfahren würden: „Es gibt wirklich Leute, die sich Gedanken machen, wie sie sich einbringen können.“
Der Fahrplan für den weiteren Ablauf der für ein Jahr angelegten Aktion konkretisiert sich unterdessen: So sollen die Tafeln, die nun von Potsdamern beschrieben werden können, in einer Ausstellung zu sehen sein. Die Ergebnisse sind noch sehr unterschiedlich: Im Hauptbahnhof musste bereits eine Tafel wegen Überfüllung ausgetauscht werden – Tafeln an anderen Plätzen wie im Haus der Generation und Kulturen im Wohngebiet am Schlaatz sind dagegen fast leer.
Die Vorschläge und Stimmungslagen der Potsdamer Bürger sollen aber nicht nur gezeigt werden, sondern sich in einer geschriebene Neufassung des historischen Potsdamer Toleranzedikts wiederfinden. Diese soll laut Wetzel ab Herbst formuliert werden.