INFORIOT — Trotz nieselnden Regens versammelten sich am heutigen Freitagnamittag, den 5. Februar, ca. 70 Menschen zu einer antirassistischen Aktion in Hennigsdorf. Unter den Motto “Rassistischen Gewalttaten entschlossen entgegentreten. Kundgebung für ein friedliches Zusammenleben” rief die Berliner Antira-Initiative “Corasol” zu Gegenaktivitäten auf, nachdem am 15. Januar zwei geflüchtete Frauen im Supermarkt RP in der Poststraße von einem Mann zuerst rassistisch beschimpft und dann mit einer Gasdruckpistole bedroht wurden.
Gegen 16 Uhr versammelte sich der Aufzug am Hennigsdorfer Postplatz. Mit Redebeiträgen und Flugblättern informierte die Initiative zu dem Vorfall. Beim Döner am Bahnhof wurde die Kundgebung durch das übliche alltagsrassistische Klientel empfangen, die sich laut über die Veranstaltung echauffierten. Einige gestikulierten wild in Richtung Postplatz, wurden jedoch von der Polizei zurückgehalten. Auf Wunsch der Betroffenen wurde die Kundgebung dann zu einer Demonstration, die zum NP Markt führte. Dort wurde einer weitere Kundgebung abgehalten, bei der sich ein ähnliches Bild bot: nur vereinzelt stieß die Kundgebung am Havelplatz auf Zuspruch. Viele Passant_innen äußersten sich eher ablehnend gegenüber der Kundgebung, sowie Geflüchteten. Einzelne Männer pöbelten rassistisch in Richtung der Kundgebung und versuchten sie aktiv zu stören. Mehrere Rassist_innen wurden durch die Polizei vom Platz verwiesen.
Die Betroffenen geflüchteten Frauen warfen den Markt vor nicht nur am 15. Januar nicht reagiert zu haben, als sie von den Mann mit einer Pistole bedroht wurden. Sie thematisierten vor allem alltagsrassistische Erfahrungen, denen sie im NP Markt und in Hennigsdorf regelmäßig ausgesetzt sind. Die Kundgebungsteilnehmer_innen forderten ein Ende der Ausgrenzung und Diskriminierung, sowie gleiche Rechte und Privilegien für Geflüchtete. Nach eine kurzen Runde ging es dann zurück zum Postplatz, wo eine Abschlusskundgebung mit Redebeiträgen und Musik abgehalten wurde.
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Dokumentation eines am Rande der Veranstaltung verteilten Flyers
Rassistische Angriffe gegen Frauen in Hennigsdorf
Zwei Frauen beschreiben gegenüber IWS die letzten rassistischen Angriffe im NP Supermarkt in Hennigsdorf.
Es passierte gegen 3 Uhr am Nachmittag wie ich beim bezahlen war. Dieser Mann kam von draußen, hielt eine Pistole auf mich und sagte: dies ist eine Pistole und ich will das du das Land verlässt. Das ist unser Land! Als ich fertig war mit dem bezahlen, ging der Mann zum Ende der Schlange und er schrie dasselbe wie vorher. Er sagte viele andere Dinge aber wiederholte immer wieder das er uns aus seinem Land weghaben wollte. Ungefähr 10 Menschen standen in der Schlange und niemand sagte etwas. Die Person die an der Kasse arbeitet starrte uns nur an und schwieg auch. Wir gingen raus und der Mann folgte uns. Ich schob den Kinderwagen als er begann uns erneut zu beleidigen, sagte er das er ein Nazi sei und wir sein Land verlassen sollten. Er zeigte wieder mit der Pistole auf mein Gesicht als er näher kam zum Kinderwagen und wild gestikulierte. Es sah aus als wenn er das Baby angreifen wollte und ich versuchte das zu verhindern. Das war die Situation als endlich andere Menschen reagierten und ihn anschrien.
Einem Mann gelang es mit ihm zu sprechen. Der Agressor ging nun auf die andere Seite der Straße aber schrie weiter. Wir konnten nichts sagen weil wir nicht argumentieren können mit jemanden der eine Pistole hat. Wir wussten nicht genau ob es eine scharfe Waffe war oder nicht, später wurde uns gesagt es wäre eine Schreckschusspistole gewesen. Wir gingen weiter weg und der andere Mann folgte uns in einem grösseren Abstand bis zum Rathaus und wir gingen weiter zum Heim. Etwa 30 Minuten später sahen wir die Polizei im Heim. Wir wussten nicht wie sie es erfahren haben, aber dann verstanden wir dass es eine Meldung gab das 2 Frauen in einem Supermarkt angegriffen wurden und sie annahmen das sie im Heim leben würden. So kamen sie zum Heim um nach uns zu suchen und als ich raus ging hielt mich ein Polizist an und fragte mich ob ich von 2 Frauen und einem Kind wüsste die gerade zutückgekommen und draussen angegriffen worden wären. Ich sagte ja, da ich einer der Frauen wäre.
Sie sagten uns das wir zur Polzeistation kommen sollten und einen genauen Bericht gegen sollten und wie wir da waren gab es einen Übersetzer und wir erzählten ihnen was passiert war. Wir wurden von einem männlichen Polizisten befragt und auch der Übersetzer war ein Mann. Ich beschrieb was passiert war und wie die Leute alle schwiegen, wie sehr der Mann meine Tochter ängstigte, wie schockiert sie war und das sie viel weinte.
Rassistische Angriffe passieren häufig in Hennigsdorf
Seit ich in Hennigsdorf lebe habe ich rassistische Angriffe erlebt. Es kann irgendjemand sein, sie verstecken nicht ihren Hass, sie beschimpfen dich einfach und du weisst nicht wo du dich hinwenden sollst denn selbst wenn es ein Mensch mitbekommt, sie gehen einfach weiter. Du fängst an zu denken das das normal ist. Nimm das Beispiel von dem, was im Supermarkt passiert ist, die es sahen könnten unsere Zeugen sein und sie taten nichts.
Manchmal kann es passieren das du einen Bus oder Zug betrittst und jemand sagt uns wir sollten zurück in unser Land gehen. Einmal als ich meine Tochter zur Kita brachte, schrie eine Frau aus ihrem Wohnungsfenster: „Du Schwein was machst du hier? Was willst du ? Geh zurück in deine Heimat!“ Manchmal hören wir das Sie uns als Affen beleidigen. Ein anderes Mal im Supermarkt war eine Frau, ich weiss nicht was los war mit ihr, aber sie konnte nicht aufhören mich anzustarren und immer wenn ich etwas anfasste kam sie näher als müsste sie verhindern das ich etwas klaute. Sie war sehr unfreundlich.
Ich entschied nicht mehr zum NP Supermarkt zu gehen, weil ich weiss wenn wieder etwas passiert wird niemand da sein um mich zu verteidigen. Es war einfacher dort einkaufen zu gehen, aber ich werde dort nicht mehr hingehen selbst wenn ich 10 Minuten länger zu einem anderen Supermarkt gehen muss.