WITTSTOCK Er wollte in den Wittstocker Stadtrat, jetzt sitzt er im Gefängnis: Der NPD-Kandidat Sven Knop aus Wittstock hat – pikanterweise nur einen Tag nach der Kommunalwahl am 26.Oktober – eine zweijährige Freiheitsstrafe freiwillig angetreten. „Er hat sich zur Strafhaft in der JVA gemeldet und ist dort eingezogen“, bestätigte gestern der derzeit Leitende Oberstaatsanwalt Jürgen Schiermeyer von der Neuruppiner Staatsanwaltschaft. Denn: Bis zu einem bestimmten Strafmaß können Verurteilte den Zeitpunkt, wann sie eine Strafe antreten, selbst entscheiden. Knop war im Berufungsverfahren der Staatsanwaltschaft zu den zwei Jahren Haft wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden.
Ihm wird vorgeworfen, im Jahr 2001 einen dunkelhäutigen Jungen in Wittstock gejagt zu haben. Das Opfer war dabei von einem Balkon abgestürzt. Im anschließenden Prozess waren anfangs nur die drei Mittäter zu Haftstrafen verurteilt worden. Knop ging mangels Beweise aus dem Verfahren im März 2003 zunächst noch straffrei aus. Da war aber schon bekannt, dass er wegen einer fremdenfeindlichen Tat bereits vorbestraft ist.
Das alles war aber offenbar kein Grund, Knops Kandidatur für die Kommunalwahl 2003 in Wittstock zu verhindern. Trotz der Verurteilung blieb seine Weste theoretisch rein. Das Landgericht in Neuruppin sah jedenfalls keinen Grund, den Wittstocker Wahlleiter Walter Hahnemann darüber zu informieren, dass Knop aus dem Wählerverzeichnis zu streichen ist. Konsequenz: Hahnemann fehlte damit die rechtliche Grundlage, Knop von der Kandidatur auszuschließen. So stand der 25-jahrige NPD-Mann am 26.Oktober mit auf dem Stimmzettel.
Dabei hätte er dort keinesfalls erscheinen dürfen. Denn lau Strafgesetzbuch ist eine Kandidatur unmöglich, wenn eine rechtskräftige Verurteilung über ein Strafmaß von mindestens einem Jahr Freiheitsentzug aktenkundig ist. Das bestätigte gestern ein Sprecher des Innenministeriums. Sven Knop erfüllt diese Voraussetzung. Nach Lage der Dinge hätte das Gericht der Meldebehörde also mitteilen müssen, dass er aus dem Wählerverzeichnis zu streichen ist. Aber das ist nicht passiert.
Warum, das musste gestern zunächst offen bleiben. Michael Pulrich ist Pressesprecher im Landgericht. Er konnte mit Erklärungen nicht dienen. Stattdessen gab er sich zugeknöpft:“Ich sage dazu nichts“, meinte er.
Während bei Sven Knop zumindest die Wähler noch den Einzug ins Parlament verhinderten, war NPD-Kollege Mathias Wirth erfolgreicher. Er war ebenfalls angetreten und hatte satte Stimmen eingefahren: 509 Stück – das reichte nicht nur für den Einzug in die Stadtverordnetenversammlung. Das Ergebnis war sogar besser als das der meisten anderen Kandidaten. Dabei ist auch Wirth kein unbeschriebenes Blatt. Gegen ihn liegt beim Neuruppiner Landgericht eine Anklage vor. Das hat die Staatsanwaltschaft gestern bestätigt. Hintergrund: Er soll an den schlimmen Krawallen beteiligt gewesen sein, zu denen es in der Nacht zum 14.Oktober 2001 im Wittstocker Jugendclub „Havanna“ gekommen war.
Damals war eine als „Geburtstagsfeier“ angemeldete Veranstaltung völlig außer Kontrolle geraten. Spezialkräfte der Polizei hatten eingegriffen und 58 Personen festgenommen. Der Jugendclub wurde damals schwer verwüstet. Sachschaden: etwa 10 000 Mark.
Aber auch Mathias Wirth stellte sich niemand in den Weg. Seine Beteiligung an diesen Krawallen war erst recht kein Grund, ihn von der Kandidatur abzuhalten. Er ging buchstäblich glatt durch. Schließlich ist eine Anklage keine Verurteilung. Somit war seine Kandidatur im Gegensatz zu Knop sogar ganz legitim. Und Wirth hat sein Mandat laut Wahlleiter Walter Hahnemann auch bereits angenommen.
Mit Verweis auf die Persönlichkeitsrechte taten sich die involvierten Behörden gestern schwer, diese Tatsachen zuzugeben. Keiner will für die „vergessene Mitteilung“ an die Wittstocker Meldebehörden verantwortlich sein.
Dass die Wähler bis nach der Wahl von alledem nichts ahnen konnten, ärgert Bürgermeister Lutz Scheidemann. Schützend stellt er sich vor deinen Stadtwahlleiter, der korrekt gehandelt habe. „Hätten wir vor der Wahl die junge Vergangenheit der NPD-Leute gekannt, dann sähe wohl einiges anders aus.“