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Namen aus der Endlosschleife

Pas­cal Huy­hn pro­movierte 1990 über die Rezep­tion­s­geschichte Kurt Weills. Dieser ist mit Hanns Eisler der berühmteste Brecht-Kom­pon­ist. Bei­de mußten 1933 ins Exil. Huy­hn kuratierte 2004 in Paris die Wan­der-Ausstel­lung »Das ´Dritte Reich´ und die Musik«. Sie ist nun im Schloß Neuhard­en­berg zu sehen. Es ist die einzige deutsche Sta­tion, anschließend geht es weit­er nach Barcelona. 

Die Kollek­tion ist sehr über­schaubar gegliedert. Zen­tral ist der Raum, der sich in Schrift, Bild und Ton der Musikprax­is der­er wid­met, die in den KZs ums Über­leben kämpften, indem sie musizierten und san­gen und dichteten, und die unterm Dröh­nen der Beschal­lungsan­la­gen den Erschießun­gen ihrer Kam­er­aden bewohnen mußten. Von dort führt es weit­er die Treppe hoch zu ein­er Empore, auf der man ver­weilen und sich auf ein­er Vide­olein­wand die Namen der Getöteten, Ver­fol­gten, Exilierten anschauen kann: Kom­pon­is­ten, Musik­er, Sänger, Musikgelehrte, Musikpub­lizis­ten, Musikpäd­a­gogen. An die zwei­hun­dert Namen, bekan­nte und unbekan­nte, rollen auf ein­er End­loss­chleife ab: Arnold Schön­berg, Hanns Eisler, Kurt Weill, John Heart­field, Vik­tor Ull­mann, Mar­lene Diet­rich, Karl Amadeus Hart­mann, Her­mann Scherchen, Otto Klem­per­er, Georg Kne­pler, um nur diese zu nen­nen. Jed­er, der nach Neuhard­en­berg kommt, sollte die uner­bit­tliche Namensfolge und die knap­pen Infor­ma­tio­nen dazu geduldig studieren.

Und er sollte sich sodann auch die Ide­olo­geme und Gespen­ster anschauen, die die Nazi-Her­ren der Musikkul­tur eingepflanzt haben. An ein­er Säule haftet ein beson­ders infames Plakat, ent­standen 1928, braun­rot­ge­färbt. Es führt mod­ell­haft die Wut der aus­tro­faschis­tis­chen Bar­baren auf Kreneks Oper »Jon­ny spielt auf!« vor Augen. Belege NS-faschis­tis­ch­er Angriffe aufs Abstrak­te, auf alles »Jüdisch-Bolschewis­tis­che« birgt jed­er Raum. Und zugle­ich, worauf diese Wut abhebt. Schön­berg, beson­ders gehaßt, ist mit eige­nen bild­kün­st­lerischen Arbeit­en so vertreten wie das kom­mu­nis­tis­che Lied, das Hanns Eisler und Ernst Busch vor und nach 1933 adressierten. Bei­der Ini­tia­tiv­en ver­steckt die Kollek­tion keineswegs. Raum haben auch Film und Unter­hal­tungsmusik als Unter­drück­ungs-und Zer­streu­ungsmit­tel der Nazis.

Daß deutsche Musik und Musikkul­tur im »Drit­ten Reich« auch in Verbindung mit anderen Kün­sten depravierte, im Krieg zur Durch­hal­tepa­role verkam, kommt unter­schiedlich akzen­tu­iert zum Sprechen. »Blut und Boden«-Ölschinken zeigen den musizieren­den deutschen Bauern, fatal genau­so Brek­ers unsägliche Wag­n­er-Büste, umgeben von son­sti­gen NS-Reliquien des Meis­ters. Die Anton-Bruck­n­er-Abteilung ver­bildlicht den Höhep­unkt des dum­men Heroenkults der Nazis. Aus­ges­part bleiben lei­der prob­lema­tis­che Fällen wie des bedeu­ten­den Anton Weberns Ver­trauen in die deutsche Groß­machtide­olo­gie oder des großen Diri­gen­ten Fritz Buschs Inter­esse, 1933 mit Hil­fe Görings in höch­ste Ämter aufzusteigen. Gle­ich­wohl: Die franzö­sis­che Präsen­ta­tion (in Gemein­schaft mit der Stiftung Neuhard­en­berg) set­zt auf Zusam­men­hang, auf Klarheit und Wahrheit. Das in Inhalt und Ausstat­tung her­vor­ra­gende Begleit­buch ver­tieft das Gezeigte. 

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