Am frühen Freitagabend sind Neonazis erneut in der havelländischen Kleinstadt Nauen aufmarschiert. Die Veranstaltung war als stationäre Kundgebung angemeldet worden und fand in einem Plattenbauviertel im Südosten der Ortschaft statt. Die neonazistische Versammlung richtete sich einmal mehr gegen die von den gewählten Vertreter_innen der Stadt beschlossene Aufnahme von Flüchtlingen in Nauen. Eine Gegenkundgebung der Initiative „Nauen für Menschlichkeit“ in der Feldstraße Ecke Bredower Straße wurde zwar, trotz sehr kurzfristiger Mobilisierung, immerhin von 20 Menschen besucht, blieb jedoch weitgehend unbeachtet. Möglicherweise, weil entsprechende Ausdrucksmittel, wie Plakate oder Transparente, fehlten.
Kundgebung von NPD und Freie Kräften
Die Neonazis versammelten sich hingegen unter dem Motto: „Unser Land unser Auftrag“ ungefähr 130m entfernt am Bredower Weg Ecke Straße des Friedens. Ungefähr 35 Personen aus dem Havelland, Oberhavel, Brandenburg an der Havel, Ostprignitz-Ruppin und Prignitz beteiligten sich daran. Als Veranstalter traten, laut einem zuvor verbreiteten Flyer, die „NPD Nauen“ und die „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“. Als Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes wurde der Neuruppiner Stadtverordnete Dave Trick (NPD) genannt, der allerdings nicht persönlich anwesend war. Sowohl die NPD als auch die „Freien Kräfte“ waren bisher an allen Versammlungen gegen den Bau einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und Asylsuchende beteiligt, traten jedoch heute erstmals unter ihrem Namen als Veranstalter auf. Bei vorher gehenden Veranstaltungen sollte offenbar der Eindruck von „Bürgerprotesten“ erweckt werden.
Stattdessen schienen die Neonazis und Rassist_innen heute offenbar eher eine Szeneveranstaltung durchzuführen. Zumindest wurde mehr Rechtsrock gespielt als sonst. Doch auch der Ton in den Redebeiträgen war deutlich schärfer. Christoph Meinecke beschimpfte Flüchtlinge und Asylsuchende in seiner Rede beispielsweise als „Hundesöhne“. Ebenso Marvin Koch. Dieser schwadronierte zudem wieder von seinem Lieblingsthema, dem „Rassenkampf“. Seiner Ansicht nach sei es nämlich angeblich „ethnisch nicht möglich (…) alle Kulturen friedlich in einem Topf zu werfen“. Und langsam sei bei ihm und seinen Sympathisant_innen, im Hinblick auf die steigenden Flüchtlingszahlen, ein Punkt erreicht, wo sie „kein Problem mehr“ hätten „mit einem Grinsen im Gesicht“ den „Kampf“ gegen „dieses respektlose Gesindel“ aufzunehmen. Natürlich werde die Gewalt nicht von „uns“ ausgehen, so Koch scheinheilig. Und weiter: „Doch wenn nur ein Tropfen Blut unseres Volkes unbegründet durch diese Herrschaften vergossen wird, dann haben sie diesen Krieg angefangen“. Weiterhin schwor Koch „bei Gott“: „diesen Krieg werden wir nicht verlieren “ und „dieser Krieg wird nicht beendet sein, bis wir wieder Herr im eigenen Haus sind“.
Ein wenig gemäßigter fasste sich dann erst wieder Pierre Boddin, der in seinem heutigen Redebeitrag „nur“ die Abschiebung jedes einzelnen „Asylbetrügers“, die Wiedereinführung der „Grenzen“ und sowie den Aufnahmestopp von Flüchtlingen forderte.
Aktueller Anlass für die Kundgebung, so klang es jedenfalls beim Redner Christoph Meinecke durch, schien übrigens eine Bekanntmachung zu sein, demnach der Landkreis Havelland beabsichtige, eine Sporthalle als vorübergehendes Notquartier für Flüchtlinge herzurichten. Ein Affront für die Rassist_innen und völkischen Nationalist_innen, die Nauen offenbar als ihre weiße Oase ansehen.
Schneider wieder NPD Abgeordneter in Nauen
Einer Drahtzieher der Anti-Asyl-Proteste im Ort scheint der Nauener Maik Schneider zu sein. Er war bereits bei allen vorgegangenen Veranstaltungen gegen das Heim in Nauen anwesend. Bei vier Märschen durch die Stadt stellte Schneider sogar seinen privaten Transporter als Lautsprecherwagen zur Verfügung. Heute kam all er allerdings zu spät, fuhr mit seinem Fahrzeug erst nach der Veranstaltung vor und gesellte sich noch kurz zu seinen mit dem Einpacken beschäftigten Freunden von den „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“.
Seit dem 12. Februar 2015 soll gegen Schneider polizeilich ermittelt werden. An diesem Tag hatten er und weitere Personen eine öffentliche Versammlung der Stadt Nauen, welche hauptsächlich die Diskussion und die Abstimmung über den Verkauf eines Grundstück für den Bau einer Asylunterkunft beinhaltete, derart gestört, dass der Versammlungsort polizeilich geräumt werden musste. Schneider soll bei den Tumulten als Rädelsführer aufgetreten sein, so dass gegen ihn nun wegen Landfriedensbruch ermittelt werde. Dies scheint jedoch in neonazistischen Kreisen kaum jemanden wirklich zu beeindrucken. Im Gegenteil, seit dem 6. Juli 2015 sitzt Maik Schneider nun wieder für die NPD in der Nauener Stadtverordnetenversammlung. Er ersetzt den bisherigen Abgeordneten Erik Brüning, der möglicherweise aus privaten Gründen die Segel strich. Auch Schneider, der bereits von 2008 bis 2014 Stadtverordneter in Nauen war, hatte zuvor ebenfalls keine Ambitionen mehr dieses Mandat wahrzunehmen. Gemäß eigenem Bekunden auf einer NPD Seite im Internet war ihm das „theatralische Gehabe der Stadt und Kreistagsabgeordneten“ mehr als satt. Nun ist Schneider wieder da, um, wie er es sagt, den „Verrätern an Volk und Heimat“ nicht bedingungslos das Feld zu überlassen.Weiterer Aktionismus des neonazistischen Milieus scheint also vorprogrammiert.
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