Erstmals wollen heute Rechtsextremisten durch die Potsdamer Innenstadt
marschieren. Ministerpräsident Platzeck und Innenminister Schönbohm
unterstützen Gegendemonstration
(TAZ, Felix Lee, 30.10.) Brandenburg gilt als Flächenland mit den meisten rechten Hochburgen. Und
trotzdem ist zumindest das Zentrum der Landeshauptstadt in den vergangenen
Jahren von Neonazi-Aufmärschen verschont geblieben. Außer einer geschickten
Polizeibehörde, der es stets gelang, angemeldete Aufmärsche an den Stadtrand
zu verbannen, hat das noch einen zweiten Grund: Anders als im Umland gibt es
in Potsdam eine aktive linke Szene, die seit Jahren jedes Zucken ihrer
stadtbekannten Neonazis beobachtet und sie von Zeit zu Zeit einschüchtert.
Das wollen sich die Neonazi-Horden des Potsdamer Umlands nicht länger
gefallen lassen. Unter dem Motto “Gegen Hetze und Terror von Links” wollen
sie nun am Samstag ab 12 Uhr vom Hauptbahnhof zum Potsdamer Brandenburger
Tor durch die Innenstadt ziehen.
Wenn nichts dazwischenkommt. Zeitgleich zum Aufmarsch haben Initiativen,
Gewerkschaften und Antifa-Initiativen gleich drei Gegenveranstaltungen
angemeldet. Zu der voraussichtlich größten Demo, die vom Bündnis “Potsdam
bekennt Farbe” angemeldet wurde, erwarten die Veranstalter um 12.30 Uhr
mehrere tausend Teilnehmer. Treffpunkt ist der Platz der Einheit. Zu den
Unterstützern gehören auch der brandenburgische Ministerpräsident Matthias
Platzeck (SPD), Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Potsdams
Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Eine zweite Kundgebung hat die PDS-nahe
Jugendorganisation “solid” um 11 Uhr am Glockenspiel geplant.
Antifa-Gruppen, unter anderem die Antifaschistische Linke (ALB) aus Berlin,
wollen sich den Neonazis direkt in den Weg stellen und kündigten Blockaden
entlang der Nazi-Route an.
Mit vielen Neonazis rechnet die Potsdamer Polizei an diesem Samstag nicht.
Der Hamburger Rechtsextremist Christian Worch hat eine Demo für 200
Teilnehmer angemeldet. Einen Teil wird er aus Hamburg mitbringen.
Unterstützung wird er zudem aus dem regionalen Kameradschaftsspektrum
erhalten, wie zum Beispiel vom “Märkischen Heimatschutz” (MHS) und der
Berliner Kameradschaft Tor. Aus dem übrigen Bundesgebiet werden sich aber
nicht viele Neonazis auf den Weg nach Potsdam machen. Denn am gleichen Tag
findet im thüringischen Leinefelde der Bundesparteitag der NPD statt. Seit
ihrem Wahlerfolg in Sachsen richtet sich auch das Augenmerk vieler Teile der
Kameradschaftsszene auf die rechtsextreme Partei. Worch hingegen, der selbst
lange Zeit als Mittler zwischen Kameradschaften und der NPD galt, ist
weiterhin davon überzeugt, dass nur mit der außerparlamentarischen Rechten
politisch zu trumpfen ist.
Die Sicherheitskräfte in Brandenburg nehmen Worchs Mobilisierungspotenzial
ernst. Die Polizei hat bereits Verstärkung aus anderen Bundesländern
angefordert. Gewalttätige Szenen wie auch am vergangenen Wochenende bei
einem Nazi-Aufmarsch in Hannover wolle man um jeden Preis verhindern,
kündigte Innenminister Schönbohm an. Seine Beamten seien rechtlich
verpflichtet, die “Teilnehmer einer genehmigten Demonstration gegen Angriffe
zu schützen”. Die Polizei werde aber alle Möglichkeiten ausschöpfen,
versicherte Schönbohm, “den Rechtsextremisten möglichst wenig Raum zu
lassen”.