(Autonome Jugendantifa Bernau [ajab], Samstag, Bilder hier) Heute marschierten zum nunmehr 4. Mal in einem Jahr Neonazis durch
Bernau. Etwa 40 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum folgten dem
Aufruf der lokalen Kameradschaft „Nationales Bündnis Preußen“. Der
Aufmarsch richtete sich gegen einen Neubau des allgemein als links
geltenden Jugendtreffs „DOSTO“.
Schon vor einigen Monaten als ein Ersatz für das doch brüchige Gebäude
des „DOSTOs“ in der Presse Erwähnung fand, konnte man Hetzeinträge auf
den einschlägigen Berliner Nazihomepages lesen. So schrieb ein gewisser
„ablsms“ auf der Homepage der Berliner Alternative Südost (BASO): „Seit
mitte November hat der Stadtrat beschlossen, den Klub zu vergrößern bzw.
‚ein neuen Klub zu bauen. Ich weiß nicht wo daß noch enden soll. ES MUSS
WAS GETAN WERDEN“ (Rechtschreibung im Original). Wenig später tauchten
in Bernau unzählige Aufkleber auf, die mit Sprüchen wie „Kein Treff für
gewaltbereite Linke – Nie Wieder Dosto“ das Thema aufgriffen, auch diese
stammten wahrscheinlich aus der Feder des Nationalen Bündnis Preußen“.
Die Möglichkeit eines weiteren Naziaufmarschs war also naheliegend.
Seit dem 21.04.2004, wo zum ersten Mal Nazis in großer Zahl durch Bernau
marschierten, regte sich auch im bürgerlichen Lager etwas. In Reaktion
auf den Naziaufmarsch intensivierte das Bernauer „Netzwerk für Toleranz
und Weltoffenheit“ seine Arbeit. Besonders hervorgetan hat sich das
Bürgerbündnis mit einer Veranstaltung gegen Extremismus und Gewalt auf
dem Bernauer Marktplatz, die etwa 300 BürgerInnen besuchten. Frau
Eva-Maria Rebs, die Vorsitzende des Netzwerks, ließ es sich nicht nehmen
mal eben die rote Fahne mit der Hakenkreuzfahne bzw. Rechtsextremismus
mit antifaschistischen Aktivitäten gleichzusetzen. Auch ein kräftiger
Dämpfer in Richtung des „DOSTOs“ blieb nicht aus, als sie die fehlende
Vernunft der BesucherInnen des Jugendtreffs anprangerte.
Am heutigen Tage organisierte das Netzwerk eine Gegenkundgebung zum
Naziaufmarsch mit dem Motto „Bernau pflegt Kultur als Schatz, für
Naziblödheit bleibt kein Platz“, die weit entfernt von der Naziroute
angemeldet war, sodass der bürgerliche Protest mehr oder weniger ins
Leere lief. Vom ursprünglichen Motto „Nazis auslachen!“, was bewiesen
hätte, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Problematik nicht
stattgefunden hat, wurde glücklicherweise abgesehen. Neben vielen Reden
und dem Trällern fröhlicher Lieder wurden Flugzettel an die
BernauerInnen verteilt, die sie über den Naziaufmarsch informieren
sollten. Formen des zivilen Ungehorsams um den Naziaufmarsch zumindest
zu behindern wären ja auch zu viel verlangt gewesen. Der Protests des
Netzwerks stand in Kontrast mit der Frustration der vorwiegend jungen
Menschen, denen der Zugang zur Naziroute verwehrt blieb und die gerne
den Nazis ihre Meinung ins Gesicht gesagt hätten. Auf der Kundgebung
befanden sich zeitweise ca. 70 Menschen aller Altersgruppen. Das „DOSTO“
hang in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk um das Bahnhofsgelände
Transparente auf, die mit Sprüchen wie „Borgt euch doch ein Zelt“ (als
Anspielung auf den geforderten nationalen Jugendklub) oder „Heult Doch!“
die Nazis provozierten.
Die Nazis sammelten sich ab ca. 9:00 Uhr in der Nähe des Bahnhofs und
marschierten gegen 9:40 Uhr los. Der Nazimob bestand hauptsächlich aus
dem Nationalen Bündnis Preußen, der Kameradschaft Spreewacht, der NPD
Pankow und der Sturmgruppe Lichtenberg. Keine Spur von MHS, BASO und
ähnlichen Gruppen die sonst immer die TeilnehmerInnen Bernauer
Naziaufmärsche stellten. Vermisst wurde ebenfalls die „Nationale
Jugendgruppe Barnim“ aus Rüdnitz, eine Gruppe die hauptsächlich aus
Jugendlichen der Bernauer Gesamtschule besteht. Neben den üblichen
platten Parolen durften auch Redebeiträge nicht fehlen, so wurde der
Aufruf zur Demonstration mehrere Male vom Redner/Anmelder Hasselmann
rezitiert. Die Polizei reagierte auf den Aufmarsch mit einm riesigen
Aufgebot an Kräften, da die Anmelder der Nazidemo 300 TeilnehmerInnen
vermuteten.
Auch antifaschistischer Protest blieb natürlich nicht aus. So versuchten
mehrere Gruppen von Antifas und anderen Jugendlichen zu den Nazis zu
gelangen. Die Polizei verhinderte dies und riegelte die Innenstadt
hermetisch ab, was es nahezu unmöglich machte an die Naziroute zu
kommen. Einigen gelang es trotzdem, den Naziaufmarsch die ganze Zeit zu
begleiten. Trotz der relativ niedrigen Zahl an Neonazis zeigte sich,
dass das spontane Mobilierungspotenzial der Berliner und Brandenburger
Neonazisszene gestiegen ist. Diese aktionsorientierte Strategie macht
die freien Kameradschaften vor allem für Jugendliche interessant.
Eine Verhinderung bzw. maßgebliche Behinderung des Aufmarschs wurde
nicht erreicht.
Es ist allgemein positiv zu bewerten, dass die Stadt erkannt hat, dass
der Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht allein einer lokalen Antifa
überlassen werden kann und selber Aktionen stellvertretend durch das
Netzwerk organisiert. Die gewählten Aktionsformen und die Gestaltung des
Protests, sowie Inhalte die durch das Bündnis transportiert werden
sollten trotzdem überdacht werden. Es sollte nicht der Anspruch einer
vorgeblich antifaschistischen Gruppierung sein, Nazis zu dulden. Es
erweckt den Anschein als wäre ein Gewöhnungsprozess an die Neonazis im
Gange, der durch die etwas zweifelhafte Gute Laune Atmosphäre auf der
heutigen Kundgebung nur noch beflügelt wird. Eine solche Verharmlosung
der Nazis ist somit nicht tolerabel und wirkt dem notwendigen,
antifaschistischen Widerstand entgegen statt ihn zu stärken.