Die Gewalt durch Nazis ist in Bernau in den letzten Monaten massiv angestiegen. Innerhalb von vier Monaten kam es zu mehreren Körperverletzungen, Schmierereien und Sachbeschädigungen. Am Freitag und Samstag verteilten Antifaschist_innen in Bernau 10.000 Flyer, in denen auf die Zunahme der Gewalt aufmerksam gemacht wurde. Auch diverse Naziaufkleber wurden beseitigt.
Täter keine Unbekannten: Ein kurzer Überblick
Bisher hat die Polizei nur wenige der Täter ermittelt, obwohl Zeug_innen die Täter benennen konnten und die Nazis sich selbst öffentlich zu erkennen geben. Wir wissen: Die Angreifer sind seit Jahren in der lokalen und regionalen Naziszene aktiv. Sie stammen aus der NPD und einer Naziclique, die sich selbst “Barnimer Freundschaft” nennt.
Insbesondere für die Angriffe auf Jugendliche und die Einrichtung des Jugendtreff Dosto lassen sich die Täter deutlich zuordnen. Während des Hussitenfestes im Juni diesen Jahres, waren es die Aktivisten der NPD, Andreas Rokohl und Pascal Rosin, die am Getränkestand des Jugendtreffs „Zeckenwein“ forderten und die Jugendlichen mit Ansagen wie „um die Ecke stehen noch mehr von uns“ bedrohten. Nur wenige Stunden später machte Rokohl seine Aussage war und kam mit 15 weiteren Nazis zum Stand, riss die Fahne des Standes herunter und schlug zwei junge Erwachsene. Rokohl (Bild links), der bisher für den NPD Verband Oberhavel aktiv war, ist seit kurzem mit der Bernauer NPD Aktivistin Aileen Rokohl (ehm. Götze) verheiratet und engagiert sich nun für den NPD Kreisverband Barnim-Uckermark. Er wurde bereits verurteilt wegen Beleidigung und Körperverletzung in anderen Fällen.
Unter den 15 weiteren, vor allem Bernauer Nazis fielen bereits die Nazis der sogenannten „Barnimer Freundschaft“ auf. Auch an den beiden folgenden Tagen blieben erneute Angriffsversuche nicht aus. So verteilten Aktivisten auf dem Rummel NPD-Flyer und ließen es sich nicht nehmen, in regelmäßigen Abständen am Getränkestand des Dostos vorbeizulaufen. Zu einem weiteren Angriff kam es dann am Sonntag, als der Bernauer Nazi Christian Kohnke (Bild Mitte) eine junge Frau am Dosto-Stand beschimpfte und bespuckte. Einen ausführlichen Bericht zu den Ereignissen während des Hussitenfestes gibt es hier. Kohnke, der seit vielen Jahren auf Demonstrationen zu sehen ist, beteiligte sich schon 2004 und 2005 an den Aufmärschen des Märkischen Heimatschutzes (MHS) und des „Nationalen Bündnis Preußen“ (NBP) in Bernau. In der Stadt ist er oft mit einem Pullover mit der Aufschrift „Anti-Antifa Bernau“ zu sehen.
Auf Grund der Angriffe während des Hussitenfestes organisierten Jugendliche des Dostos am 13. Juli ein Solidaritätskonzert auf dem Platz am Steintor. Am Sonntag darauf, den 15. Juli, wurde der Jugendtreff von Nazis attackiert. Die Täter hinterließen Flyer der NPD, beschädigten den Kleinbus des Jugendtreffs, stahlen eine Feuertonne und zerstörten einen Holzpavillon. Einen knappen Monat später, am 24. August, folgte der nächste Angriff, und wieder hinterließen die Täter ihren Namen: „Anti-Antifa 2bar5“ wurde gesprüht. Dieses Mal war nicht nur der Jugendclub Dosto sowie das Auto einer Angestellten betroffen, auch an einem weiteren Jugendclub und anderen Häuserwänden in der Stadt tauchte der Schriftzug auf. Hinter dem Kürzel „2bar5“ steckt die Naziclique „Barnimer Freundschaft“. “bar” steht hier für den Landkreis Barnim, die Zahlenkombination “2” und “5”, (der zweite und fünfte Buchstabe des Alphabets “B” und “E”) vermutlich für die beiden großen Barnimer Städte “Bernau” und “Eberswalde”. Denkbar wäre auch „Blut und Ehre“, in Anlehnung an das verbotene Nazimusik- und Terrornetzwerk „Blood & Honour“.
Als am 25. September 2012 drei Nazis am Bernauer Bahnhof auf Jugendliche einschlagen, erkennt selbst die Polizei das Motiv der Täter an: Es ist eindeutig, denn die Täter brüllten Naziparolen. Die Polizei nahm die drei Angreifer in Gewahrsam. Diese müssen sich nun wegen räuberischen Diebstahls, Körperverletzung, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verantworten.
Neben diesen Vorfällen wurden in der ganzen Stadt Aufkleber der NPD und weitere Nazisticker geklebt, auch kam es zur Beschädigung von Plakaten der Partei “Die. Linke.” Am letzten Wochenende wurde außerdem ein 39-Jähriger Bernauer von der Polizei festgehalten, da er ein T‑Shirt mit Hakenkreuz trug. Erst im vergangenen Jahr wurde in Bernau das Gebäude der Jüdischen Gemeinde durch Nazigewalt beschädigt.
Nazis in Bernau: Freie Kräfte und NPD
Die Kleinstadt Bernau, nordöstlich von Berlin, ist nicht bekannt für rechte Aktivitäten. Die lokale Naziszene ist seit mehreren Jahren unorganisiert und kaum aktiv. Insbesondere in den letzten fünf Jahren beschränkten sich die Aktivitäten auf wenige Einzelfälle. Dahinter stecken keine feste Strukturen, und auch der NPD Verband Barnim-Uckermark konnte sich in Bernau nicht ausbreiten.
Wenn es jedoch zu einzelnen Vorfällen kam, war ein beliebtest Ziel der Jugendtreff Dosto. Dass es heute wieder der gleiche Personenkreis ist, der 2004/ 2005 „Kein DOSTO in Bernau“ forderte, ist kaum verwunderlich. Am 22. Januar 2005 hatte das „Nationalen Bündnis Preußen“ eine Demonstration gegen den Jugendtreff ausgerichtet. Noch am selben Tag fand die Kampagne in der Nacht ihren Höhepunkt in einem Rohrbombenanschlag. Mit viel Glück wurde dabei niemand verletzt. Beteiligt an der Demonstration waren viele Bernauer Nazis. Darunter auch bekannte Gesichter, die am Angriff auf den Stand des DOSTOs während des Hussitenfestes in diesem Jahr teilnahmen.
Das „Nationale Bündnis Preußen“, trotz versuchter „Reaktivierung“ 2008, ist nicht mehr existent. Heute treten die Nazis unter wechselnden Namen auf, die nicht mehr als einen T‑Shirt-Aufdruck oder ein Transparent darstellen. Neben Namen wie „Barnimer Bruderschaft“ oder „Nationale Sozialisten Barnim” tauchten auch die Bezeichnungen „Barnimer Terroristen“ oder „Barnimer Freundschaft“ auf. Ist in den meisten Fällen davon auszugehen, dass es sich um nicht mehr als selbst gestaltete Pullover handelt, trat zumindest die „Barnimer Freundschaft“ als Personenzusammenhang u.a. durch die Angriffe im Juni oder die Schmierereien im August diesen Jahres in Erscheinung. Die enge Anbindung an die NPD lässt sich nicht nur anhand der gemeinsamen Angriffe nachweisen, auch bezieht sich die NPD positiv in Internetbeiträgen auf die „Freien Kräfte der Barnimer Freundschaft“. Festzuhalten bliebt: Der Personenkreis bleibt nahezu gleich und ist eng verbunden mit dem regionalen Kreisverband der NPD.
Anstieg der Gewalt/ Enge Kontakte nach Berlin
Vergleicht man die Gewalttaten in diesem Jahr mit den Vorjahren, ist es deutlich: Die Zahlen sind erkennbar angestiegen. Und das nicht nur in Bernau, auch in anderen Teilen Brandenburgs sowie in Berlin scheint Gewalt zum einzigen Aktionsfeld der Nazis zu werden. Angriffe auf das Flüchtlingsheim in Wassmannsdorf oder Zossen vor zwei Wochen, in Beeskow und Storkow vor wenigen Monaten, ebenso wie die vielen Angriffe in Berlin gehen auf das Konto von einer sich radikalisierenden gewalttätigen Naziszene. Insbesondere die engen Kontakte der Brandenburger Szene nach Berlin, tragen ihre Früchte in Gewaltexzessen. Auch die Bernauer Szene ist verbunden mit den Aktivisten des “Nationaler Widerstand Berlin” (NW-Berlin) sowie mit verbotenen Gruppierungen wie „Frontbann24“ oder dem als kriminelle Vereinigung verbotenen Internetradio „European Brotherhood Radio“. Bernauer Nazis beteiligen sich an Demonstrationen in Berlin, Brandenburg und bundesweit, und nehmen an klandestin vorbereiteten Aktionen teil, wie z.B. dem Aufmarschversuch am 14. Mai 2011 in Berlin Kreuzberg, bei dem linke Aktivist_innen und People of Color angegriffen wurden.
Wir haben eine Chronik von Aktivitäten der Nazis zusammengestellt, die bis in die 90er Jahre zurückreicht. Die Chronik ist unvollständig und wird regelmäßig ergänzt.
Wenn ihr Aktivitäten mitbekommt oder selber von rechter Gewalt betroffen seid, meldet dies der Antifaschistischen Aktion Bernau oder wendet euch an die Kontakt- und Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Bernau.