In Potsdam geht momentan aus Neonazisicht so einiges. Fast schon regelmäßig können Propagandaaktionen durchgeführt und sich damit im Anschluss auf ihren Internetseiten gebrüstet werden. Diese sogenannten Aktionsberichte scheinen seit einiger Zeit ziemlich im Trend zu liegen. Denn wir finden sie nicht nur auf der Homepage der “Freie Kräfte Potsdam” oder der “Alternative Jugend Potsdam” sondern bundesweit bei zahlreichen Neonazikameradschaften. So gibt es auch einige überregionale Internetprojekte auf denen Berichte der unterschiedlichsten Neonazigruppierungen gesammelt werden. Eine der in unserer Region relativ bekannten ist die sogenannte “Jugend Offensive”, welche mit dem Leitspruch “werde aktiv” besonders im Jahr 2007 viel Propaganda, in Form von Aufklebern in Potsdams Landschaft, hinterließ. Auf dieser Plattform, auf der auch die Potsdamer Neonazis hin und wieder (zuletzt am 14. und 22.09.2009) ihre Berichte veröffentlich(t)en, gibt es auch die Möglichkeit sich gegenseitig zu loben und zu kritisieren. Diese Kommentarfunktion wird sehr gern genutzt, um auf der einen Seite Aktionen zu diskutieren und in den seltensten Fällen auch zu hinterfragen, auf der anderen Seite aber hauptsächlich um sich gegenseitig zu bestätigen und Anerkennung zu bekommen. Am aktivsten und somit ‚angesagtesten‘ gilt also diejenige Gruppe, welche die meisten Aktionsberichte veröffentlicht.
In Potsdam ist das momentan ganz klar die “Alternative Jugend Potsdam”. In diesem Jahr kommen sie auf derzeit 13 ‚Aktionsberichte‘. Im Juli fuhren sie zum Beispiel nach Auschwitz, wo sie mit einem Transparent (vor der Gedenkstätte posierend) Freiheit für den mehrfach verurteilten Holocaust-Leugner Horst Mahler forderten (Inforiot berichtete). Besonders jedoch im August häuften sich die Aktivitäten, welche von einer großflächigen Propagandaaktion (03.08.2009) über ein Treffen mit Neonazikameradschaften aus dem Raum Brandenburg/Berlin für eine bessere Zusammenarbeit (15.08.2009), einer Fahrradtour durch Potsdam (16.08.2009) sowie einer Gedenkaktion für Rudolf Hess in Berlin (17.08.2009) bis hin zu einem sogenannten “nationalen Fußballturnier” (29.08.2009) reichten.
Grund genug diese Gruppierung ein Mal näher zu betrachten.
Die “Alternative Jugend Potsdam” (zumindest als Bezeichnung für die Potsdamer Nazistruktur) gibt es schon seit dem 21.10.2006. An diesem Datum fand in Berlin-Tegel eine Neonazidemonstration statt, an der sich auch eine ca. 30 köpfige Gruppe aus Potsdam beteiligte. Sie trugen ein Transparent vor sich her welches Solidarität mit Michael Regner forderte, dem Sänger der Neonaziband “Landser”, der zum damaligen Zeitpunkt in der JVA Berlin-Tegel saß. Unterzeichnet war das Transparent mit der Aufschrift “Alternative Jugend Potsdam”. Dieser doch recht große Block wurde unter anderen von den beiden stadtbekannten Potsdamer Neonazis Benjamin Oe. und Tim B. angeführt. Letzterer trug außerdem noch eine schwarze Fahne mit der Aufschrift “Potsdam”. Hier war noch nicht absehbar wohin es mit der “Alternative Jugend Potsdam” gehen sollte, da sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar in die Gegend Potsdam-Nord definierten.
Nach diesem Ereignis war gute zwei Jahre lang nichts mehr von diesem Label zu sehen oder zu hören.
Die Naziaktivitäten nahmen in dieser Zeit jedoch nicht ab. Da es in Potsdam-Nord — speziell in
Fahrland — seit spätestens 2003 zu unzähligen Nazischmierereien kam und es vor Ort einfach keine Gegenbewegung(en) gab, war es kaum verwunderlich, dass es auch in den folgenden Jahren immer wieder zu den verschiedensten Propagandaaktionen aber auch Gewalttaten von Seiten der ortsansässigen Neonazis kam. Einen Rückzugsraum fanden die Neonazis damals (und auch heute) im örtlichen Jugendclub (“Treffpunkt Fahrland e.V.”).
Ersten Gegenwind gab es dann um den Jahreswechsel 2005/2006, als die “Engagierte Jugend – Potsdamer Umland” an die Öffentlichkeit ging. Mit einer Flyeraktion, einem offenem Brief, einem Presseinterview und einer Veranstaltung zum Thema rechte Gewalt, welche im örtlichen Jugendclub stattfand, wurde das Thema vom Jugendclubgespräch zum Stadtgespräch. Die PNN titelte damals “Der rechte Blick”, woraufhin jedoch außer dem kurzzeitigen medialen Aufschrei nicht wirklich viel passierte. Im Jahr 2007 kam es zu mehreren Bedrohungen und tätlichen Angriffen gegen einen linken Jugendlichen aus dem Dorf. Hierauf entfachte erneut eine hitzige Diskussion in der Presse, da es offensichtlich ziemlich unterschiedliche Einschätzungen zum Grad der Organisierung der Potsdamer Neonaziszene gab. Am 24.07.2007 erklärten Oberbürgermeister Jann Jakobs sowie Renate Michael (Polizei Potsdam) vor Journalist_innen, dass derzeit keine organisierte rechte Szene in Potsdam existiere. Auch der Verfassungsschutz äußerte, dass es gerade weder “rechtsextreme(n) Parteistrukturen” noch “rechte(n) Kameradschaften” in der Landeshauptstadt gäbe. Dem widersprachen wir damals mit einer Pressemitteilung deutlich. Daraufhin relativierte der Verfassungsschutz seine Aussagen („Anzeichen von Strukturierung“).
Dann kam es auch im Jugendhilfeausschuss (PNN vom 27.09.07 und 29.09.07) Potsdam am 27.09.2007 zu klaren Worten und Forderungen gegenüber Thomas Liebe, dem Leiter des “Treffpunkt Fahrland e.V.”, welche jedoch ohne Konsequenzen verhallten.
Einen weiteren Höhepunkt bildete das Jahr 2008, in dem die Kurzform “AGPN”, welche für “Aktionsgruppe Potsdam Nord” steht, auf zahlreichen Plakaten und in Form von verschiedenen Sprühschablonen auftauchte. Am 18.06.2008 war es ein neonazistisches Plakat auf dem erstmals im Raum Fahrland/Marquardt die Bezeichnung “AGPN” in den Umlauf kam. Es folgte eine relativ spektakuläre Propagandaaktion am 13.08.2008 in Krampnitz bei Fahrland. Hier wurde ein altes Kasernengebäude großflächig mit der Parole “Frei Sozial National” besprüht. Am kommenden Tage wurde der Spruch entfernt, dennoch entstand zwei Tage darauf dieselbe Schmiererei erneut. Wieder wurde es übermalt und die Neonazis der “AGPN” antworteten zwei Tage darauf, am 18.08.2008 mit einer Schablonen- und Plakataktion welche ihren Schwerpunkt diesmal in Marquardt hatte. Seit dem blieben zumindest die Krampnitzkasernen sauber. Im September und Oktober aber folgten weitere 5 relativ weit reichende Propagandaaktionen bei denen zwar vornehmlich der Bahnhof Marquardt im Mittelpunkt stand jedoch auch andere Gegenden betroffen waren.
Am 03.08.2009 wurde die Krampnitzkaserne zum dritten Mal mit der gleichen Losung besprüht. Diesmal war zudem auch noch eine Internetadresse auf die Fassade des leer stehenden Plattenbaus gesprüht worden. Die Internetadresse der “Alternative Jugend Potsdam”. Denn im Frühjahr 2009 trat diese ‚neue‘ Gruppierung, welche momentan aus ungefähr 10 Leuten besteht, gleich mehrfach auf. Ein Mal am 17.01.2009 auf einem Naziaufmarsch in Magdeburg und etwas später mit ihrer ersten eigenen Internetpräsenz.
In einem Auszug aus der Kategorie “Über uns” von ihrer Homepage heißt es:
“[…] Wir sind eine wachsende Gruppe national denkender Jugendlicher aus dem Raum Potsdam-Nord. Die Alternative-Jugend-Potsdam ist eine Partei ungebundene Aktionsgruppe, die in den verschiedensten Bereichen des Nationalen Widerstandes aktiv ist. […]”
Diese Bezugnahme auf den Raum Potsdam-Nord und die Offensichtlichkeit der gleichen Aktionsformen, Orte und Inhalte, lässt einen leichten Schluss daraufhin zu, dass es sich bei der “Alternative(n) Jugend Potsdam” um die Nachfolgestruktur der “Aktionsgruppe Potsdam Nord” handelt. Diese ist seit dem fleißig dabei zu Trauermärschen (14.02.2009 Dresden, 18.04.2009 Rathenow), Konzerten (11.07.2009 in Gera) und Demonstrationen (zuletzt am 10.10.2009 in Berlin und am 17.10.2009 in Leipzig) zu fahren, Aufkleber und Plakate zu verkleben und gemeinsam mit den “Freie(n) Kräfte(n) Potsdam” auch in der Potsdamer Innenstadt sowie zahlreichen weiteren Bezirken ihre Propaganda zu verbreiten.
Denn auch eine zunehmende Vernetzung über Potsdams Stadtgrenzen hinaus scheint zu glücken. Auf immer mehr Internetseiten verschiedener Brandenburger und Berliner Nazigruppierungen, wie zum Beispiel den “Nationale Sozialisten Premmnitz”, “Freie Kräfte Neuruppin” oder den “Freie Kräfte Osthavelland”, lassen sich ‘Links’ zu den Potsdamer Nazi-Webprojekten finden. Wobei letztere genau wie die “Alternative Jugend Potsdam” einen Bericht von einem gemeinsamen Vernetzungstreffen, welches am 15.08.2009 stattgefunden haben soll, auf ihrer Homepage zu stehen haben. Im Fazit aus einem Bericht über dieses Treffen heißt es:
“[…] Der Grundstein für eine gute Zusammenarbeit wurde gelegt, Kontakte geknüpft und die Resonanz für diesen Tag war positiv. Wir werden darauf aufbauen und weiterhin Treffen veranstalten und die Gruppe stärken, ausbauen und gemeinschaftlich zu einer Einheit formen.
Ein Danke an alle Beteiligten und meine Weggefährten, die wie ich, an eine Volksgemeinschaft glauben!”
Unser Fazit hingegen lautet: Nix da! Weder mit der sogenannten Volksgemeinschaft noch all dem anderen Nazikram.
Auch beziehungsweise gerade weil die Potsdamer Neonaziszene, zumindest was ihre Aktivitäten angeht, so stark scheint wie schon lange nicht mehr, heißt das für uns: Antifa heißt Angriff!
Schafft linke Strukturen – Nazis offensiv entgegentreten!
Bildquellen: apabiz e.V. und Infothek-Dessau