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Nazis, wohin man sieht

Vor fünf Jahren wurde im bran­den­bur­gis­chen Guben der Algerier Farid Guen­dol zu Tode gehet­zt. Die rechte Szene dominiert noch immer den Ort.

(Jun­gle World, Char­lotte Elliot) Die Met­allplat­te, die auf dem Gedenkstein ange­bracht ist, trägt die von den Guben­er Stadtverord­neten beschlossene Inschrift: »Farid Guen­doul. 28 Jahre, verblutet am 13. Feb­ru­ar 1999. Mah­n­mal gegen Ras­sis­mus, gegen Gewalt, gegen Frem­den­feindlichkeit. Die Würde des Men­schen ist unan­tast­bar.« Die Tafel soll an den Tod des algerischen Asyl­be­wer­bers in der bran­den­bur­gis­chen Kle­in­stadt erinnern. 

Farid Guen­doul hat­te damals gemein­sam mit seinen Fre­un­den Kahled B. und Issa­ka K. eine Diskothek besucht. Auf dem Heimweg wur­den die drei von ein­er Gruppe junger Män­ner ange­grif­f­en, ras­sis­tisch beschimpft und durch die Plat­ten­bausied­lung Ober­sprucke gejagt. Die Täter, einige waren aus der Guben­er recht­sex­tremen Szene bekan­nt, schlu­gen Kahled B. auf einem Park­platz bewusst­los. Ver­fol­gt von den elf Angreifern, ver­sucht­en Issa­ka K. und Farid Guen­doul, in den ver­schlosse­nen Hau­sein­gang der Hugo-Jentsch-Straße 14 zu flücht­en. Beim Ein­treten der Glastür zer­schnitt die Scheibe Guen­douls Kni­eschla­gad­er. Er verblutete wenig später im Treppenhaus. 

Heute die kleine Gedenkstätte zu find­en, bere­it­et einige Mühe. Auf der Rasen­fläche an der Bun­desstraße am Ort­sein­gang von Guben ist sie fast unsicht­bar. Ursprünglich ver­suchte eine Guben­er Antifa-Gruppe, mit dem Stein in der Nähe des Hau­sein­ganges zumin­d­est einen räum­lichen Bezug zum Ort der Tat herzustellen. Inzwis­chen aber ist dieser Ort ver­schwun­den. Der Wohn­block in der Hugo-Jentsch-Straße wur­den im ver­gan­genen Jahr abgerissen. 

Seit 1990 hat die Abwan­derung der Ein­wohn­er aus der fast dein­dus­tri­al­isierten Stadt zu einem enor­men Woh­nungsleer­stand geführt. Nun wer­den in Ober­sprucke die Plat­ten­baut­en abgeris­sen und zurück­ge­baut. Die Hugo-Jentsch-Straße 14 wurde wegen ihrer städte­baulichen Lage von einem Abriss­bag­ger abge­tra­gen, nicht wegen der Ereignisse von 1999. Tatort ver­schwun­den, Tat vergessen. Die wenig­sten wollen sich an die Het­z­jagd, den toten Algerier und die Guben­er Neon­azis erinnern. 

Mar­cel B., der in Guben zusam­men mit Fre­un­den das selb­stver­wal­tete Jugendzen­trum »Sanikas­ten« betreibt, berichtet davon, dass recht­sex­treme Jugendliche weit­er­hin sehr präsent im öffentlichen Raum seien. Man kann sie in Guben immer noch leicht erken­nen: an der Glatze, der Bomber­jacke oder dem Pullover mit ein­deutigem Auf­druck. Man trifft sie auf der Straße und erlebt, wie sie Migranten und alter­na­tive Jugendliche tax­ieren oder ihnen eine Belei­di­gung zurufen. 

Dass im Moment weniger Angriffe reg­istri­ert wer­den, ist für Mar­cel B. kein Grund zur Ent­war­nung: »Im Win­ter ist ein­fach weniger los.« Er sagt, Szeneken­ner hät­ten beobachtet, dass an den Woch­enen­den ver­mehrt Rechte aus umliegen­den Städten, unter anderem aus dem nahe gele­ge­nen Cot­tbus, nach Guben kämen und ver­sucht­en, vor allem die Diskothek des Jugend­klubs »Fab­rik e.V.« zu dominieren. »Hier entste­ht ein neues Prob­lem. Und im Som­mer sind die Nazis sowieso wieder überall.« 

Dann tre­f­fen sich die recht­en Cliquen an der Aral- und der Shell-Tankstelle oder an einem der Bade­seen in der nahen Umge­bung. Vor allem dort kam es immer wieder zu Pöbeleien oder Angrif­f­en. So wur­den in den Abend­stun­den des 29. Mai 2003 am Deu­low­itzer See zwei linke Jugendliche von ein­er Gruppe Neon­azis belei­digt, geschla­gen und getreten. Ein­er der Jugendlichen wurde dabei so schw­er ver­let­zt, dass er sich für eine Woche in sta­tionäre Behand­lung begeben musste. 

Im August 2002 griff Alexan­der Bode, ein­er der Haupt­täter bei der Het­z­jagd auf Guen­doul, einen 30jährigen Guben­er an. Er set­zte ihm eine Schreckschusspis­tole an den Kopf und drück­te ab. Das Landgericht Cot­tbus hat­te Bode als »entschei­dende Fig­ur« der Het­z­jagd im Novem­ber 2000 zu ein­er zwei­jähri­gen Haft­strafe verurteilt. Bis er Ende 2002 die Jugend­strafe antrat, fes­tigte er seinen Ruf als bru­taler Schläger. Zusam­men mit anderen Neon­azis schän­dete er auch den Gedenkstein für Guendoul. 

Zeitweise pro­te­giert von dem recht­sex­tremen Funk­tionär Frank Schw­erdt, hat­te Bode sich zu ein­er wichti­gen Per­son in der Guben­er Neon­azi-Szene entwickelt.Nach Angaben des Antifaschis­tis­chen Rechercheteams Ost­sach­sen war er Mit­glied der »Schriftleitung« der Mit­teldeutschen Jugendzeitung. An diesem Pro­jekt bran­den­bur­gis­ch­er und ost­säch­sis­ch­er Kam­er­ad­schaften arbeit­eten unter anderem auch Grup­pen aus Cot­tbus, Niesky und Weißwass­er. Die Bedeu­tung der Zeitung mit ein­er Auflage von nur 500 Stück lag weniger in ihrem Ver­bre­itungs­grad, als in der Möglichkeit ein­er regionalen Ver­net­zung der beteiligten Gruppen. 

In Guben baute Bode die Kam­er­ad­schaft »Lausitzer Front« mit auf. Bei kaum einem Neon­azi-Tre­f­fen in der Region fehlt ihr Trans­par­ent. Auch beim Rudolf-Hess-Gedenkmarsch in Wun­siedel im Jahr 2003 war sie anzutr­e­f­fen. In Guben selb­st tritt die Kam­er­ad­schaft allerd­ings nicht unter ihrem Namen in Erschei­n­ung. Dort sind ihre Mit­glieder in erster Lin­ie Teil ein­er recht­en Straßen­szene, die das Kli­ma in der Stadt prägt. Wer kann, sucht dieser Szene aus dem Weg zu gehen. Nicht recht­en Jugendlichen ist es fast unmöglich, spon­tan öffentliche Plätze oder Kneipen aufzusuchen. 

Eine Möglichkeit, sich den­noch zu tre­f­fen, ist für sie das Jugendzen­trum »Sanikas­ten«. Allerd­ings kön­nte noch in diesem Som­mer auch damit Schluss sein. Denn die Stadt plant, das Gebäude abzureißen. Der Inter­na­tionale Jugend­vere­in Guben/Gubin als Träger des Zen­trums ver­sucht in den derzeit laufend­en Ver­hand­lun­gen noch, neue Räume zu erhalten. 

Die Jugendlichen des »Sanikas­tens« wollen anlässlich des fün­ften Todestages mit ein­er Kundge­bung unter dem Mot­to »Kein Vergeben, kein Vergessen« an Farid Guen­doul erinnern. 

Demon­stra­tion am 14. Feb­ru­ar, um 15.30 Uhr, Hugo-Jentsch-Straße, Guben.

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