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Extreme Entwicklungen

Die braune Szene verän­dert sich: Sicher­heit­sex­perten stellen fest, dass sich die Neon­azis stärk­er poli­tisch organ­isieren. Aber der Ter­ror auf den Straßen bleibt – auch wenn die Zahl der gewalt­bere­it­en Recht­en rück­läu­fig ist.

(Tagesspiegel, Frank Jansen) Sie nen­nen sich „Pom­mer­sche Aktions­front“, „Nationaler Wider­stand Dres­den“, „Märkisch­er Heimatschutz“ oder „Siegen­er Bären­sturm“. Bun­desweit haben sich Neon­azis in 160 „Kam­er­ad­schaften“ zusam­mengeschlossen, die wie Durch­laufer­hitzer funk­tion­ieren: Dif­fus rechts ori­en­tierte Jugendliche und junge Erwach­sene wer­den von älteren Neon­azis ide­ol­o­gisch gehärtet. Das Ziel lautet: Eine Elite „poli­tis­ch­er Sol­dat­en“ führt einen Volk­sauf­s­tand, der die Demokratie zertrüm­mert. So irre solche Parolen auch klin­gen mögen, die Sicher­heits­be­hör­den beobacht­en mit Sorge, dass der Wahn pop­ulär­er wird. „Ein Teil der Szene ist dabei, sich poli­tisch zu pro­fes­sion­al­isieren“, sagt ein Experte. Und beschreibt den neuen Trend: Die Zahl der Neon­azis ist im let­zten Jahr beträchtlich gestiegen – um etwa 600 auf 3200. 

Gle­ichzeit­ig nahm das Poten­zial der gewalt­bere­it­en Recht­sex­trem­is­ten, vor allem Skin­heads, erst­mals seit Jahren deut­lich ab (2003: 9800, 2002: 10700). Obwohl sich die Milieus über­lap­pen, unter­schei­den die Behör­den zwis­chen gewalt­bere­it­en Recht­sex­trem­is­ten und Neon­azis: Erstere gel­ten als unpoli­tisch-bru­taler Mob, die Hitler-Fans hinge­gen als ide­ol­o­gisch gefes­tigt und aus tak­tis­chen Grün­den weniger gewalttätig. 

Die Zahl der Straftat­en, ins­beson­dere die der Gewalt­de­lik­te, bleibt allerd­ings hoch. Das bedeutet: Die recht­sex­treme Gefahr wird vielschichtiger. Der Straßen­ter­ror dumpfer Kahlköpfe geht weit­er, par­al­lel dazu ver­suchen brav gescheit­elte Neon­azis, eine neue außer­par­la­men­tarische Oppo­si­tion zu präsen­tieren. Mit einem Mix aus Pro­voka­tion und Pseu­do-Bürg­ernähe. Betrof­fen von dem Zuwachs im Neon­azi-Lager ist vor allem Ost­deutsch­land. Die neuen Län­der und Berlin gel­ten in der braunen Polit­szene als erfol­gsträchtiges Exper­i­men­tier­feld. Im Osten ist der All­t­agsras­sis­mus in der „nor­malen“ Bevölkerung aggres­siv­er als in Westdeutschland. 

Davon wollen Neon­azis prof­i­tieren. Und sie ver­suchen, effek­tive Aktions­for­men zu entwick­eln. Mal mit, mal ohne die NPD, die trotz des über­stande­nen Ver­botsver­fahrens Mit­glieder ver­loren hat. Schon seit län­gerem pirschen sich braune Lie­der­ma­ch­er an Senioren­heime her­an, bisweilen gelingt auch ein Auftritt mit alt­deutschem Liedgut. Einige Neon­azi-Grup­pen ori­en­tieren sich am linken Geg­n­er. So haben Recht­sex­trem­is­ten im ver­gan­genen Jahr in Bran­den­burg kurz einen leer ste­hen­den Bauern­hof beset­zt. Sie woll­ten ange­blich darauf hin­weisen, „dass die Berlin­er Jugend – egal ob rot oder braun – auf der Straße sitzt“, wie es auf ein­er Home­page heißt. Bei einem Auf­marsch in Berlin tru­gen Neon­azis rote Fah­nen und skandierten die altlinke Parole „hoch die inter­na­tionale Sol­i­dar­ität“. Außer­dem ver­suchen Szene-Anführer, auf eige­nen Anwe­sen in Sach­sen, Sach­sen-Anhalt, Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Thürin­gen Schu­lungsstät­ten oder zumin­d­est Tre­ff­punk­te zu etablieren. 

„Die rechte Szene befind­et sich in ein­er Such-Phase“, sagt ein Sicher­heit­sex­perte. Ein Teil der Szene, vor allem die Ver­anstal­ter von Konz­erten recht­sex­tremer Bands, agiere auch zunehmend kon­spir­a­tiv. Da die deutschen Behör­den einen hohen Ver­fol­gungs­druck ausübten, weiche die Szene öfter in Nach­barstaat­en aus, zum Beispiel ins Elsaß. 

Der braune Brachial­sound garantiert auch auf zynis­che Weise, dass die Gewalt­bere­itschaft hoch bleibt – selb­st wenn das Poten­zial der in ein­schlägig aufge­fal­l­enen Recht­sex­trem­is­ten abgenom­men hat. Ger­adezu exem­plar­isch erscheint der Über­fall ein­er braunen Meute in Sach­sen-Anhalt. Im August ran­dalierten in Hal­ber­stadt etwa 15 Recht­sex­trem­is­ten und attack­ierten den linken Szen­e­tr­e­ff „Zora“. Zwei junge Linke wur­den schw­er ver­let­zt. Als ein­er der Hauptverdächti­gen gilt ein Mit­glied der Band „Skin­heads Sach­sen-Anhalt“, abgekürzt „SSA“. Auf ihrer ersten CD grölt der Sänger, „ihr roten Schweine sollt um Gnade fle­hen“. So ani­miert die Kako­phonie zum Krawall. 

Und auch zu Ter­ror­is­mus? Trotz des ger­ade noch ver­hin­derten Bombe­nan­schlags auf die Baustelle des jüdis­chen Gemein­dezen­trums in München sehen die Sicher­heits­be­hör­den weit­er­hin keine „Braune Armee Frak­tion“. Aber ger­ade in München habe sich gezeigt, wie hoch die Gefahr sei, dass auch Neon­azis und eine „Kam­er­ad­schaft“ in den bewaffneten Kampf abdriften. 

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