INFORIOT Seit dem Morgen von Mittwoch, dem 11. Juli, ist in Hennigsdorf die Alte Wäscherei besetzt. AktivistInnen der
Hennigsdorfer Antifaschistischen Initiative (HAI) wollen mit der Aktion ihrer Forderung nach einem alternativen Jugendzentrum Nachdruck verleihen.
Noch am Abend des Besetzungstages wurde das besetzte Haus von 30 bis 40
Neonazis angegriffen. Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper flogen auf die BesetzerInnen. Diese reagierten erst panisch auf die Attacke, verteidigten sich dann aber — nach einer halben Stunde zogen die Rechten ab. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Erst nach dem Angriff tauchte die Polizei auf, obwohl sie durchaus informiert war. Zwei SympathisantInnen des besetzen Hauses wurden später am Bahnhof von Neonazis zusammengeschlagen. Am folgenden Donnerstag umstellte die Polizei das besetzte Haus, und versuchte die am Vorabend durch die Neonazis verursachten Schäden den BesetzerInnen vorzuwerfen. So schildert die HAI das bisherige Geschehen.
Die Alte Wäscherei ist ein seit vielen Jahren leer stehendes Gebäude. Schon seit langem weist die HAI auf den Bedarf nach einem unabhängigen, selbstverwalteten Jugendzentrum in Hennigsdorf hin — bisher ohne Erfolg. “Wir haben die Sache selbst in die Hand genommen”, kommentierte darum eine Sprecherin der Gruppe die Besetzung. Im Conny Island, dem einzigen Jugendklub der Stadt, sei es nicht einmal möglich, den Slogan “Gegen Nazis” auf Flyer für Veranstaltungen zu drucken. Man wäre dort gezwungen, im Namen des hauseigenen “Neutralismus” auch Neonazis auf selbst organisierte Veranstaltungen zu lassen. Bisherige Verhandlungen mit der Stadt über einen Treffpunkt seien bisher gescheitert.
Wie bitter notwendig ein Treffpunkt für alternative Jugendliche ist, wie berechtigt die Forderung danach ist, sollte schon anhand des Neonazi-Angriffs auf das besetzte Haus nachvollziehbar sei. In Hennigsdorf existiert seit längerem der Neonaziladen “On the Streets”, aus dem aus Sicht von AntifaschistInnen wiederholt Gewalttaten angedroht wurden. Für Szenekenner ist angesicht dieses Potenzials der Gewaltausbruch durch die Rechten nach der Besetzung keine Überraschung. Auch “Stolpersteine” zur Erinnerung Hennigsdofer Juden, wurden vor kurzem erst kurz nach der Verlegung von Unbekannten entfernt.
Auch in der zweiten Nacht nach der Besetzung rotteten sich nach Presseangaben Rechtsextreme zusammen — diesmal kam es jedoch zu keinen direkten Konfrontationen. Das Demokratische Jugendforum Brandenburg begrüßte inzwischen die Besetzung als große Chance für die Entwicklung demokratischer Kultur in der Stadt.
Am Donnerstag kam es zu ersten Verhandlungen zwischen BesetzerInnen und dem stellvertretenden Bürgermeister Martin Witt. Laut einer Pressemeldung sagte Witt, dass es von Seiten der Antifa die falsche Strategie sei, “die Stadt zu Lösungen nötigen zu wollen”. Er verlangte, dass die Besetzung abgebrochen werde — unter dieser Bedingung würde sich die Stadt um “eine Lösung” bis zum Jahresende bemühen. Die Antifa pochte auf ein konkretes Angebot und will bis dahin an der Besetzung festhalten. “Was wir bekämpfen, ist Gedankengut”, sagte Witt etwas kryptisch in Bezug auf die bisherige Jugendarbeit im Conny Island. Er sehe dort kein Problem mit rechtsextremen Jugendlichen, weil dort für alle BesucherInnen die gleichen Regeln gälten.
Die HausbesetzerInnen freuen sich nach eigener Aussage über Besuch von UnterstützerInnen: “Kommt vorbei und unterstützt die Leute vor Ort! Helft mit, den Freiraum zu gestalten.” Das Haus ist in der Parkstraße 14; nur fünf Minuten Fußweg vom S‑Bahnhof Hennigsdorf entfernt. Kontakt gibt es über die Telefonummer (0176) 265.676.79. Ein Radiointerview mit den BesetzerInnen dteht auf der Homepage von Radio Corax zum Download bereit. Ein kleiner Videobeitrag ist hier zu finden.