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Flucht & Migration

Nein zur massenhaften Datenspeicherung!

Erk­lärtes Ziel des „Geset­zes zur Weit­er­en­twick­lung des Aus­län­derzen­tral­reg­is­ters“ ist es, die Datenbestände von Nicht­deutschen, ins­beson­dere Geflüchteten, erhe­blich auszuweit­en, zen­tral zu spe­ich­ern und qua­si auf Tas­ten­druck Tausenden von Behör­den zur Ver­fü­gung zu stellen. Die daten­schutzbe­zo­ge­nen Grun­drechte der Betrof­fe­nen wer­den dabei grob über­gan­gen. In der Sachver­ständi­ge­nan­hörung vor dem Innenauss­chuss des Deutschen Bun­destags haben Expert*innen erhe­bliche Daten­schutzbe­denken gel­tend gemacht. Auch PRO ASYL hat­te den Geset­zen­twurf zum Aus­län­derzen­tral­reg­is­ter (AZR) aus­führlich kritisiert.

Inzwis­chen hat die Bun­desregierung zwar einige Verbesserun­gen vorgenom­men, doch diese sind unzure­ichend. Den­noch hat der Geset­zen­twurf am 9. Juni den Bun­destag passiert. Nun ist es an den Län­dern, zu ver­hin­dern, dass hochsen­si­ble Dat­en – etwa über die sex­uelle Ori­en­tierung von Schutz­suchen­den oder die Flucht­geschicht­en der Betrof­fe­nen – ein­er Vielzahl von Aus­län­der­be­hör­den, Polizei­di­en­st­stellen, Sozialämtern, Aus­landsvertre­tun­gen, Auf­nah­meein­rich­tun­gen und weit­eren Behör­den zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Rund 16.500 Behör­den haben Zugriff auf das AZR.

Auch Doku­mente wie Asylbeschei­de und Gericht­sentschei­dun­gen in asyl- und aus­län­der­rechtlichen Ver­fahren sollen kün­ftig im AZR gespe­ichert wer­den. Nach Ansicht von PRO ASYL und den Flüchtlingsräten reicht es nicht aus, dabei bloß einige Pas­sagen zu schwärzen, wie die über­ar­beit­ete Fas­sung es vor­sieht. Nimmt man den grund- und euro­parechtlichen Schutz des Pri­vatlebens ernst, müssten – etwa bei Beschei­den des Bun­de­samts für Migra­tion und Flüchtlinge – sämtliche Absätze gestrichen wer­den, in denen per­sön­liche Angaben gemacht wer­den. Was nach allen notwendi­gen Schwärzun­gen übrig bleibt, dürfte entwed­er vol­lkom­men nut­z­los sein oder ohne­hin über­mit­telt wer­den. Der Ver­wal­tungsaufwand ste­ht also in keinem Ver­hält­nis zum Nutzen. Und mehr noch: Eine Ein­sicht in die (geschwärzten) Doku­mente ist für die Auf­gaben­er­fül­lung der Behör­den schlicht nicht erforder­lich – ihre Spe­icherung ver­fehlt damit eines der wichtig­sten rechtlichen Kri­te­rien für die Zuläs­sigkeit der Datenerhebung. 

Geset­zes­nov­el­le ver­stößt gegen Ver­fas­sungs- und Europarecht

Beson­ders prob­lema­tisch bleibt die Verknüp­fung von Per­so­n­eniden­tität­snum­mern aus dem Herkun­ft­s­land mit dem AZR-Daten­satz. „Damit geht eine erhe­bliche Miss­brauchs­ge­fahr ein­her“, warnt Andrea Kothen von PRO ASYL. Dies birgt „ins­beson­dere das Risiko, dass die Dat­en von Flüchtlin­gen ohne Ken­nt­nis der Betrof­fe­nen an den Ver­fol­ger­staat gelan­gen und die Per­son selb­st oder ihre im Herkun­ft­s­land leben­den Ange­höri­gen dadurch in Gefahr ger­at­en.“ Die Miss­brauchs­ge­fahr wiegt umso schw­er­er, als es im zen­tral­isierten Spe­ich­er- und Abrufver­fahren des AZR kaum wirk­same Kon­trollmech­a­nis­men gibt. Die Instal­la­tion eines „Daten­cock­pits“ nach dem Vor­bild ander­er Reg­is­ter hätte die Möglichkeit­en der Betrof­fe­nen, ein gewiss­es Maß an Kon­trolle über die eige­nen Dat­en zu behal­ten, gestärkt. Ein entsprechen­der Vorschlag der Grü­nen wurde im Geset­zge­bungsver­fahren jedoch nicht berücksichtigt.

Mit der immer weit­er ausufer­n­den Daten­sam­mel­wut in Bezug auf aus­ländis­che Men­schen wird der Daten­schutz kom­plett aus­ge­höhlt. Für Ausländer*innen gilt nur ein Daten­schutz zweit­er Klasse“, erk­lärt Seán McGin­ley, Geschäfts­führer des Flüchtlingsrats Baden-Würt­tem­berg. Tim­mo Scheren­berg, Geschäfts­führer des Hes­sis­chen Flüchtlingsrates, ergänzt: „Ger­ade hier in Hes­sen haben wir ja lei­der einige Erfahrun­gen damit sam­meln kön­nen, wie gespe­icherte Dat­en miss­bräuch­lich abgerufen wer­den kön­nen, wie beispiel­sweise der Skan­dal um den NSU 2.0 ein­drück­lich zeigt. Jet­zt soll ein Gesetz ver­ab­schiedet wer­den, mit dem sehr viel mehr und sehr viel sen­si­blere Dat­en einem sehr viel größeren Per­so­n­enkreis zugänglich gemacht wer­den sollen.“

In viel­er Hin­sicht ist die Geset­zes­nov­el­le nicht mit Ver­fas­sungs- und Euro­parecht zu vere­in­baren. Darauf hat ins­beson­dere das Net­zw­erk Daten­schutzex­per­tise hingewiesen. PRO ASYL und die Flüchtlingsräte fordern die Län­der daher auf, den Geset­zen­twurf im Bun­desrat abzulehnen. Der Daten­schutz muss auch für Geflüchtete gelten!

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