BERLIN, 26. Juli. Das von der bayerischen Neonazi-Gruppe “Kameradschaft Süd” geplante Bombenattentat auf das im Bau befindliche Jüdische Zentrum in München soll von einem V‑Mann des Verfassungsschutzes inspiriert worden
sein. Diese Behauptung hat die Anwältin des von der Bundesanwaltschaft angeklagten Neonaziführers Martin Wiese, Anja Seul, aufgestellt. Der V‑Mann — ein Franzose, der mehrere Jahre eine führende Rolle in der französischen Rechtsextremen-Szene einnahm — sei “eine Art Lehrmeister” für ihren Mandanten und dessen Gruppe gewesen, sagte Anwältin Seul dem ARD-Magazin Report Mainz.
Dem Bericht zufolge habe der V‑Mann Didier M., der 2002 zu der ein Jahr zuvor gegründeten “Kameradschaft Süd” gestoßen war, die Idee zu dem Bombenanschlag aufgebracht. Zur Rolle des Franzosen in der Wiese-Gruppe sagte Anwältin Seul: “Der V‑Mann hat Wiese eine Menge erzählt und beigebracht, was Wiese noch nicht wusste und hat insofern nicht nur Wiese
inspiriert und geprägt, sondern mittelbar über Wiese selbstverständlich auch die ganze Gruppierung, denn Wiese hat alles, was er da neu erfahren hat, postwendend an die Gruppe weitergegeben.”
Angeblich soll der V‑Mann gegenüber Wiese und anderen Mitgliedern der Gruppe gesagt haben: “Wenn ich über den (Münchner) Marienplatz gehe, dann stelle ich mir vor, wie toll es wäre, wenn so ein Ding hochgeht und 2 000 Leute
draufgehen.” Anwältin Seul sagte dazu: “Es wäre relativ unangenehm, dass nicht mein Mandant über Attentatspläne gesprochen hat, sondern der V‑Mann.”
Die Bundesanwaltschaft, die sich zu den Vorwürfen nicht äußern wollte, wirft mehreren Mitgliedern der “Kameradschaft Süd” — darunter auch der angebliche V‑Mann — die Bildung einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung
eines Sprengstoffattentats vor. Der Anklage zufolge soll Wiese, der Anführer der Gruppe, im Mai 2003 den Entschluss gefasst haben, einen Bombenanschlag auf die für den 9. November vergangenen Jahres geplante Grundsteinlegung des
jüdischen Kulturzentrums auf dem Münchner St.-Jakobs-Platz zu verüben. Mitte August 2003 hätte die Gruppe jedoch Abstand von dem Vorhaben genommen und andere Ziele in der Innenstadt, darunter den Marienplatz, in Erwägung
gezogen. Zu konkreten Anschlagsplanungen sei es aber wegen der Verhaftung Wieses und anderer Gruppenmitglieder im September nicht mehr gekommen. In ihrer Mitteilung über die Anklageerhebung hatte die Bundesanwaltschaft
ausdrücklich erwähnt, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz durch den Einsatz eines V‑Mannes “zum Erfolg des Verfahrens beigetragen” habe.