Der junge Mann sieht leidend aus. Ein Blick auf seinen Hals verrät, warum.
Gleich zwei Pflaster verdecken die drei Zentimeter tiefe Schnittwunde, die
ihm ein 26 Jahre alter Zeitsoldat aus Brandenburg in der Nacht zum 18. Juli
in Hohenstücken mit einer Scherbe zugefügt haben soll (Stadtkurier
berichtete).
“Ich habe große Schmerzen, am Hals und auch Kopfschmerzen”, sagt der
28-jährige Kenianer Oskar, der erst Mitte Juli von Eisenhüttenstadt nach
Brandenburg zog und der seinen Nachnamen nicht nennen möchte. Sprechen fällt
ihm noch immer schwer. “Ich kann nicht viel sagen, es tut mir leid”,
entschuldigt er sich. Der Afrikaner, der Ermittlern zufolge “unglaubliches
Glück” hatte, dass er die Attacke vor der Gaststätte Piephahn überlebte, kam
gestern in die Stadtverwaltung in der Neuendorfer Straße. Auf Einladung der
Oberbürgermeisterin traf er die beiden Frauen, die ihm möglicherweise das
Leben gerettet haben.
Jana Böttner, 19-jährige Soldatin in der Rolandkaserne, und ihre 25 Jahre
alte Freundin Nicole Lüdeking hatten beherzt eingegriffen, als zwei Männer
den Kenianer und einen Landsmann von ihm attackierten. “Die haben
rumgepöbelt, deshalb sind wir dazwischen gegangen, wir haben gar nicht groß
nachgedacht”, sagt Jana Böttner. Die kleine Frau mit dem streng nach hinten
gekämmten dunklen Haar, die gestern in Uniform erschien, arbeitet zurzeit im
hiesigen Lagezentrum für den Afghanistan-Einsatz.
“Wir wollten schlichten”, erinnert sich Nicole Lüdeking an den Moment, in
dem sie sich zwischen Angreifer und Opfer drängte. “Der Täter hat sich von
mir abhalten lassen, weil ich eine Frau bin”, ist sich die hübsche schlanke
Frau mit dem langen blonden Haar sicher, “wäre ich ein Mann gewesen, wäre
das sicher anders verlaufen.”
Dietlind Tiemann (CDU) dankte den Frauen gestern für ihre Zivilcourage. “Sie
haben bewiesen, was es für Sie heißt, in dieser Stadt zu leben.” Jana
Böttner wurde zudem von der Bundeswehr für ihr couragiertes Eingreifen
ausgezeichnet. “Wir wollen ein Signal setzen für andere Soldaten”, sagt
Oberstleutnant Wolfgang Wien. Dass es ausgerechnet ein Soldat ist, der den
Kenianer so schwer verletzt haben soll, macht den Kommandeur der
Rolandkaserne betroffen. Auch wenn der mutmaßliche Täter nicht hier, sondern
nahe Bremen stationiert war. “Solche schlimmen Dinge passieren leider quer
durch die Bevölkerung, und die Bundeswehr ist ein Querschnitt dieser
Bevölkerung”, sagt Wien.
Die Ermittler fahnden noch immer nach dem Begleiter des 26-jährigen
Oberfeldwebels, der zurzeit in Untersuchungshaft sitzt. Der Soldat beteuere
weiterhin, die Tat habe keinen fremdenfeindlichen Hintergrund, schweige aber
ansonsten beharrlich, teilte Ralf Roggenbuck von der Staatsanwaltschaft
Potsdam gestern mit.