Eine Schule in Brandenburg hat ganz unterschiedliche Herausforderungen zu bestehen. Geburtenschwache Jahrgänge und damit sinkende Schülerzahlen stellen eventuell sogar ihre Existenz in Frage. Darum kann der gute Ruf für eine Schule überlebenswichtig sein. Der hängt nicht nur von einem ansprechenden Bildungsniveau ab, sondern auch davon, mit welchem Mut Probleme angegangen werden.
Was tun, wenn z.B. rechtsextremistische Publikationen an der Schule auftauchen? So jüngst wieder geschehen in Cottbus. Soll man darüber reden oder die Angelegenheit mit Schweigen bedecken?
Unterschiedliche Herangehensweisen
Nicht gut beraten sind Schulleitungen, die meinen, die Sache sei durch Stillschweigen aus der Welt zu schaffen. Vielleicht merkt ja niemand etwas! Damit sei dem Ruf der Schule am ehesten gedient. Doch dabei nimmt man in Kauf, dass die Probleme im Verborgenen weiterschwelen und sich vielleicht zu einem Flächenbrand entwickeln.
Deshalb ist es auf jeden Fall besser, genau hinzuschauen und das Problem deutlich zu benennen. Kurzfristig mag solche Offenheit Nachteile mit sich bringen. Aber mittel- und langfristig ist sie eindeutig die klügere Wahl. Denn auf diese Weise kann, um im Bild zu bleiben, der Brandherd ein für alle Mal gelöscht werden.
Die eingangs erwähnte Cottbuser Schule lieferte jüngst ein bemerkenswert positives Beispiel für ein umsichtiges und aufgeschlossenes Herangehen. Sie teilte das Auftauchen rechtsextremistischer Propaganda an der Schule dem Verfassungsschutz mit.
Was war geschehen?
Rechtsextremistische Propaganda vor und auf Schulhöfen
Einem volljährigen Schüler, der sich offen zu seiner rechtsextremistischen Überzeugung bekennt, wurde von der Schulleitung rechtsextremistisches Propagandamaterial abgenommen. Dabei handelt es sich um die neonazistischen Publikationen “Mitteldeutsche Jugend Zeitung” (MJZ) und “Der Fahnenträger”.
Der Fund ist ein neuerlicher Beleg dafür, dass rechtsextremistische Gruppen ihren Nachwuchs auch unter Schülerinnen und Schülern suchen. Dazu verbreiten sie vor und auf den Schulhöfen Propagandamittel. Sobald jemand aus der Schülerschaft geködert worden ist, soll der gleich als Multiplikator unter seinen Altersgenossen werben.
In den 90er Jahren gab es in verschiedenen Teilen Brandenburgs neonazistische Schülergruppen, die sogar eigene Blättchen druckten. Heute ist dergleichen nicht zu sehen. Aber in benachbarten Bundesländern agieren durchaus rechtsextremistische Schülervereinigungen. Außerdem erscheinen neonazistische Jugendzeitschriften, die selbstverständlich auch Schüler ansprechen wollen.
Die “Mitteldeutsche Jugend Zeitung” (MJZ) und “Der Fahnenträger” sind Beispiele dafür. Der “Fahnenträger” wird von der “Kameradschaft Usedom” herausgegeben; die an der Cottbuser Schule festgestellte Ausgabe ist bereits über ein Jahr alt. Auf die MJZ sei näher eingegangen, denn für sie zeichnet ein Brandenburger verantwortlich.
“Mitteldeutsche Jugend Zeitung”
Gordon Reinholz, ein führender Neonazi im Nordosten Brandenburgs, wird im Impressum der MJZ ausdrücklich genannt. Seit seinem Austritt aus der “Nationaldemokratischen Partei Deutschlands” (NPD) konzentriert er seine Arbeit auf den “Märkischen Heimatschutz” (MHS). Dabei handelt es sich um einen Kameradschaftsverbund, dem im Barnim, der Uckermark und im Kreis Märkisch-Oderland insgesamt etwa 40 Mitglieder verschiedener neonazistischer Kameradschaften angehören. Aber auch überregional bemüht sich Reinholz um die Vernetzung der Neonaziszene.
Die MJZ erscheint seit Ende 2001. Inzwischen liegt die 5. Ausgabe vor. Die Auflage umfasst nach eigenem Bekunden 300 Exemplare.
Im Gegensatz zu manch rechtsextremistischer Schülerzeitung versteckt die MJZ ihren weltanschaulichen Charakter nicht. Dem Leser springt bereits auf dem Titelblatt der Nr. 5 das Konterfei des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß entgegen.
Die Zeitung umfasst eine vierseitige Einlage namens “Der lokale Patriot. Mitteilungsplattform für nationale Jugendgruppen aus Mitteldeutschland”. An ihr wirken 13 Gruppen mit; die meisten aus Sachsen, drei aus Brandenburg: “Lausitzer Front” aus Guben, MHS mit Sitz in Eberswalde und die Kameradschaft Cottbus. Das Titelbild der Einlage zeigt einen Hitlerjungen, einen SA-Mann und einen Wehrmachtssoldaten, die aus strahlendem Glanz kommend auf den Betrachter zu marschieren, dazu passend die Parole: “Damals wie heute!”
Die Publikation beschäftigt sich mit jugendspezifischen Themen wie Schule, Jugendsozialarbeit, Rauchen, Alkohol, Markenlabels, Abwanderung der Jugend nach Westdeutschland, geht auf die Hochwasserkatastrophe ein, kritisiert tendenziös die Einwanderungspolitik, den “Überwachungsstaat” und die Antifa. Außerdem finden sich Berichte über rechtsextremistische Veranstaltungen, vor allem Demonstrationen und Sonnenwendfeier.
Die Artikel weisen “journalistisch” ein sehr unterschiedliches Niveau auf; nicht alle sind eindeutig rechtsextremistisch geprägt. Fremdenfeindlichkeit und Systemverdrossenheit schwingen jedoch auf jeder Seite mit.
Besonders krass ist ein im “Stürmer”-Stil gehaltener Artikel. Er wurde von einem gewissen “Wolfswind” pseudonym verfasst. Augenscheinlich ist der Autor im Umfeld der NPD zu suchen, denn er ruft zur Wahl dieser vom Verbot bedrohten Partei auf.
Der Artikel trägt die Überschrift “Der Vernichtungskrieg geht weiter”. Aufhänger ist die Wiedereinreisegenehmigung für den türkischstämmigen jugendlichen Serientäter “Mehmet”. Sie dient dem Autor als Beleg für die altbekannte neonazistische These eines “lange geplanten Völkermordes an Deutschland (…) mittels Totaldurchrassung und zwangsweiser (…) Massenüberfremdung”. Der Autor tischt seinen jugendlichen Lesern die revisionistische Lüge auf, nicht die Deutschen hätten den Völkermord an den Juden verbrochen, sondern umgekehrt die Juden an den Deutschen. “Gemäß der jüdischen Holocaustrezepturen waren und sind es die fremdrassigen Exoten, die man ins überdicht besiedelte Rumpf-Deutschland fluten ließ und läßt.” Dieses “Umvolkungspotential” besäße “Narrenfreiheit”, natürlich auf Kosten deutscher Steuerzahler. Der angebliche Beweis: “Oder kennt jemand einen ach so armen Neger oder sonstigen Asylanten ohne das obligatorische Handy im bekannt billigen Dauertelefonat am Ohr?” Der Autor lässt sich von seinen Hasstiraden derart hinreißen, dass er nicht einmal merkt, wie widersprüchlich seine Aussagen ihm geraten. Am Ende klagt er gar: “(…) wer als Deutscher in Deutschland die Mißstände zur Sprache bringt, der wird von diesen Volksverrätern und Diätenbonzen als “ausländerfeindlich” beschimpft.”
Der Verfassungsschutz wertet solche Publikationen gründlich aus. Die Strafbarkeit des zitierten Artikels wird überprüft.