(TAZ) Rund 1.000 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet wollen am 17. November zum Volkstrauertag auf dem Soldatenfriedhof in Halbe bei Königs Wusterhausen aufmarschieren. Die militanten Freien Kameradschaften um den Hamburger Neonazi Christian Worch knüpfen damit an die erfolgreichen rechtsextremen Aufmärsche auf dem Waldfriedhof von Halbe 1990 und 1991 an. Mit Fackeln, Trommlern und in schwarz-brauner Uniformierung war damals das gesamte rechte Spektrum über den größten Soldatenfriedhof Deutschlands gezogen und hatte die erste Welle des Aufschwung der Neonazibewegung nach der Wiedervereinigung zelebriert.
Aufgrund des “hohen Symbolwerts” rechnet das brandenburgische Innenministerium “mit einem großen Mobilisierungsgrad in der rechtsextremen Szene”. Ein Verbot des Aufmarsches durch das zuständige Amt Schenkenländchen wurde vom Verwaltungsgericht Cottbus am Montag im Eilverfahren aufgehoben. Während Worch & Co. die Entscheidung nun als “Sieg” feiern, sagte Gerichtssprecher Matthias Vogt zur taz: “Das Gericht hat nicht entschieden, dass den Antragsstellern ein Anspruch nach dem Versammlungsrecht oder dem Gleichbehandlungsanspruch für eine Versammlung auf dem Waldfriedhof zusteht.” Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts habe allerdings festgestellt, dass das Amt Schenkenländchen sein Verbot der rechten Versammlung unzureichend begründet habe. Amtsdirektor Rainer Oncken überlegt derweil, die nächsthöhere Instanz anzurufen. “Wir wollen alles tun, um zu verhindern, dass es zu Szenen wie Anfang der 90er-Jahre kommt.” Man wolle “keine Extremisten und Gewalttäter” in Halbe.
Sollte ein Verbot gerichtlich scheitern, gehen Sicherheitsexperten davon aus, dass mehr als 1.000 Neonazis anreisen könnten. Die fordern ihre Anhänger derzeit offen auf, Einheiten der SS und Waffen-SS, die an der Kesselschlacht bei Halbe im April 1945 beteiligt waren, mit Kränzen zu ehren. “Kameraden”, die sich bei einer zentralen Telefonnummer melden, “erhalten einen Divisionsnamen, den ihr verwenden könnt, z. B. 36. SS-Division Dirlewanger”, heißt es auf einschlägigen Webseiten.
Auf dem Waldfriedhof in Halbe sind rund 22.000 Soldaten begraben, darunter Angehörige des 11. SS-Panzerkorps und des 5. SS-Gebirgskorps, die gegen die letzte Offensive der Roten Armee zur Einnahme Berlins eingesetzt wurden und wegen ihres brutalen Vorgehens gegen Deserteure und Kriegsmüde in der Bevölkerung gefürchtet waren.
Unabhängige Antifagruppen und die Antifaschistische Aktion Berlin wollen mit Gegenaktivitäten in Halbe am selben Tag nicht nur gegen die Rechtsextremisten protestieren, sondern auch explizit der ebenfalls auf dem Waldfriedhof in Halbe bestatteten 57 Wehrmachtsdeserteure und zwei Dutzend sowjetischer Zwangsarbeiter gedenken.
Rechte Demo auf Friedhof verweigert
Gericht: Amt muss Absage begründen.
(MAZ) HALBE Zwei Demonstrationsanträge für den Volkstrauertag in Halbe beschäftigen
Gerichte und Polizei. Sowohl eine rechte als auch eine linke Demonstration wurden
für den 17. November beantragt.Unter dem Motto “Ruhm und Ehre den deutschen
Frontsoldaten” rufen Neonazis um den Hamburger Christian Worch zum
“Heldenaufmarsch” auf dem Soldatenfriedhof auf. “Mit Uniformen und Fahnen”, so der
schenkenländische Amtsdirektor Rainer Oncken. Auch deshalb sei der Antrag abgelehnt
worden. Grundlage dafür ist die kommunale Friedhofsordnung, die solche Aufmärsche
grundsätzlich nicht zulässt. Ausnahmen ausgenommen. So eine Ausnahme wollten die
rechten Anmelder per Eilverfahren vor dem Cottbuser Verwaltungsgericht erzwingen.
Darüber wurde am 25. Oktober verhandelt. Das Amt Schenkenländchen wurde beauflagt,
“bis zum 4. November zu begründen, warum es keine Ausnahme zulässt”, sagte
Gerichtssprecher Matthias Vogt. “Wir prüfen das gerade”, so Oncken: “Vielleicht
gehen wir vor das Oberverwaltungsgericht.“Außerhalb des Friedhofes endet die
Zuständigkeit des Amtes. Möglich wäre es, dass der rechte Aufmarsch anderswo in
Halbe stattfindet. Darüber entscheidet das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder). “Der
Bescheid ergeht in den nächsten Tagen”, sagte ein Sprecher gestern. Über die linke
Gegendemonstration wird Anfang November in der Königs-Wusterhausener
Polizei-Hauptwache befunden.
Neonazis wollen wieder in Halbe aufmarschieren
Linke Gruppen kündigen Gegenaktionen an
(Berliner Zeitung) HALBE Neonazis aus ganz Deutschland wollen am 17. November die so genannten
Heldengedenkfeiern auf dem deutschen Soldatenfriedhof in Halbe wiederbeleben. “Unter
dem Motto Ruhm und Ehre dem deutschen Frontsoldaten ist eine Kundgebung mit 1 000
Teilnehmern angemeldet”, sagte Lothar Walter, Polizeisprecher in Dahme-Spreewald.
Neben dem traditionellen Gedenkmarsch für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess im
bayrischen Wunsiedel gehörten Anfang der 90er-Jahre die Totensonntags-Aufmärsche in
Halbe zu den wichtigsten Daten deutscher Neonazis. Bis 1992 versammelten sich dort
teilweise 1 000 Rechtsextremisten mit Fackeln und Trommelwirbel unter Fahnen mit
verbotenen Nazi-Symbolen. Später wurden die Umzüge gerichtlich untersagt, das
Gelände abgeriegelt und das Verbot von bis zu 1 000 Polizisten durchgesetzt. “Die
Entscheidung, ob die Kundgebung diesmal stattfinden darf, wird in den nächsten Tagen
fallen”, sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder), Matthias Kühnel.
Es habe bereits “Kooperationsgespräche” mit den Anmeldern der Kundgebung gegeben.
Hinter der Anmeldung soll der Hamburger Neonazi-Aktivist Christian Worch stehen. Er
ruft im Internet so genannte Freie Kameradschaften zu reger Teilnahme auf, weil die
Brandenburger Szene die Veranstaltung nicht organisiert bekomme. Bei ihrem
“Heldengedenken” wollen die Neonazis separate Kränze für Wehrmacht, Volkssturm und
Hitlerjugend sowie sogar für die Waffen-SS ablegen. Halbe, an der Autobahn A 13
Berlin-Dresden, ist ein historischer Ort. Dort tobte im April 1945 die letzte
Kesselschlacht des Zweiten Weltkriegs. Südlich von Berlin starben damals 40 000
deutsche und sowjetische Soldaten sowie Flüchtlinge aus Schlesien und Ostpreußen.
Auf dem Friedhof liegen 27 000 deutsche Soldaten und 3 000 sowjetische
Zwangsarbeiter sowie 4 000 Nachkriegsopfer aus einem Lager des sowjetischen
Geheimdienstes. Selbst linke Gruppen, die für den 17. November am selben Ort eine
Gegendemonstration unter dem Motto “Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus”
angemeldet haben, rechnen nicht mit einem Verbot der Neonazi-Demonstration.
Antifa-Sprecher Silvio Kurz sagt: “Es wird sich zeigen, ob eine Gedenkkundgebung für
die Opfer des Nationalsozialismus zu Gunsten einer Glorifizierung von
Nazi-Verbrechern verboten oder verlegt wird.” “Wir können den rechten Aufmarsch
leider nicht verbieten”, sagte der Chef des Amtes Schenkenländchen, Reiner Oncken.
Das Amt sei nur für den Friedhof an sich, nicht aber für den Vorplatz zuständig. Die
Neonazis hätten eine Sondergenehmigung für eine Kundgebung auf dem Friedhof
angemeldet. “Die haben wir nicht genehmigt”, sagte er. Daraufhin seien die Anmelder
vor das Verwaltungsgericht Cottbus gezogen, bekamen aber auch dort keine
Genehmigung. Am Vortag des Totensonntags hat auch die Fraktion der rechtsextremen
DVU im Potsdamer Landtag zu einer Kranzniederlegung in Halbe aufgerufen. “Wir
brauchen kein Motto”, sagte Geschäftsführer Sigmar-Peter Schuldt. “Wir gedenken
aller Toten, auch derer des bolschewistisch-kommunistischen Terrors nach 1945.”