INFORIOT Nach sieben Monaten Pause marschieren wieder Neonazis und RassistInnen in Oranienburg auf. Zu einem sog. “Abendspaziergang” am Mittwoch, den 4. November, hatte die vermeintlich NPD-gesteuerte Facebookseite “Nein zum Heim in Oranienburg” aufgerufen. Zuvor wurden in der Stadt großflächig Flyer für die Veranstaltung verteilt. Eine weiterer Aufzug wurden am Folgetag, den 5. November, im benachbarten Velten durchgeführt. Am kommenden Sonnabend wollen die RassistInnen in Rheinsberg (OPR) aufmarschieren, am 25. November soll der nächste Aufmarsch in Oranienburg folgen.
Oranienburg: Business as usual
Nach mehreren Monaten Abstinenz und des klaren Abdriftens des bundespolitischen Diskurses nach recht, dürfte man annehmen, dass die Zahl der Demonstrierenden gegen Asyl, unter dem Vorwand der Forderung “nach angemessener Asylpolitik”, in der Kreisstadt Oranienburg steigen sollte. Mit 300 bis 350 Personen blieb die Anzahl der TeilnehmerInnen weiterhin auf konstantem Niveau.
Auch bei dem Aufmarsch wurde wieder Mal ersichtlich, dass die rassistischen Proteste weiterhin von der örtlichen NPD gesteuert werden. Wie auch die Demonstrationen zuvor, wurde die Technik durch vermeintliche NPD-Mitglieder bzw. SympathisantInnen gestellt. Die mutmaßlichen NPDler Maik N. und Marco F. bedienten die mobile Musikanlage auf dem Fahrrad. Die Fahnen der Demonstration wurden durch das JN-Mitglied Philipp Badczong verteilt. Zeitweise trug der NPDler Robert Wegner ein Hochtransparent. Weitere Personen, die an eine NPD-Kundgebung am 17. Oktober in Velten teilgenommen haben, übernahmen Ordnertätigkeiten. Die Fotos, die später auf der “Nein zum Heim in Oranienburg” Facebookseite veröffentlicht wurden, wurden mutmaßlich durch den Veltener NPD-Stadtverordneten Robert Wolinski angefertigt. Er lief mit einer Spiegelreflexkamera herum und fertigte Bilder von dem “Abendspaziergang”, Pressevertreter_innen und den Gegenprotest an.
Wie auch die Demonstrationen zuvor trat das JN-Mitglied Martin Ulbricht bei der Auftaktkundgebung als Redner auf und verbreitete erneut rassistische Hetze. In seinem Redebeitrag thematisierte er einen angeblichen Messerangriff von minderjährigen Geflüchteten auf deutsche Fußballfans in Berlin. Eine Quelle für die Geschichte nannte Ulbricht, der bewusst ohne Namen auf den Demonstrationen auftritt, nicht. Eine entsprechende Presse- oder Polizeimeldung findet sich weder im Web, noch auf der “Nein zum Heim”- Seite. Bereits in der Vergangenheit wurde sogenannte “Vorfälle” durch die RednerInnen der “Abendspaziergänge” in Oranienburg thematisiert, ohne einen richtigen Beleg. Im Frühjahr kursierten im Internet Gerüchte darüber, dass Bewohner_innen der Sammelunterkunft in Lehnitz im Rewe-Markt in der Lehnitzstraße Diebstähle begehen würden, ohne dafür belangt zu werden. Diese Meldung wurde ebenfalls auf den Demonstrationen im Frühjahr in Oranienburg thematisiert. Die Geschichte erwies sich als ein Märchen, wie der Filialleiter vom Rewe gegenüber der Presse erklärt hatte.
Als weiterer Redner trat der Oranienburger Carlo-Eik Christopeit auf. Er trat in der Vergangenheit als Anmelder der “Abendspaziergänge” auf. In seiner Rede sprach er von “Asylanten” und hetzte gegen eine multikulturelle Gesellschaft. Er sprach von der “Lüge der Bereicherung” und “Verräter am eigenen Volk”, die es zu “enttarnen” gilt. Auf der Abschlusskundgebung redeten weitere dubiose Gestalten. Ein Redner aus Berlin beendete seinen Beitrag mit dem obligatorischen “Merkel muss weg”, die Menge tat es ihm gleich und rief ebenfalls die Parole.
An einer Gegendemonstration nahmen etwa 150 Menschen aus dem demokratischen Spektrum teil. Zu einer Demonstration hatten das “Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt” aufgerufen. Die Demonstrationsstrecke führte vom Bahnhof in die Bernauer Straße / Ecke Sachsenhausener Straße, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Symbolisch wurden die Straße vom “braunen Dreck” gekehrt.
Bilder: hier.
Velten: The same procedure
In Velten nahmen am ersten sog. “Abendspaziergang” 200 Neonazis und RassistInnen teil. Zusammen mit dem Aufmarsch in Oranienburg wurde die Veranstaltung auf Flyern beworben. Dabei sind in Velten noch keine Geflüchteten untergebracht. Als möglicher Standort für eine dezentrale Unterbringung ist Velten jedoch seit einigen Monaten im Gespräch.
Bereits im Vorfeld der Demonstration wurde der NPD-Hintergrund der Veranstaltung deutlich. Die Demonstration wurde durch den in Velten lebenden Maik Neuber angemeldet. Nachweislich hat Neuber für die NPD im Oranienburger Ortsteil Marwitz Flyer verteilt. Ein entsprechendes Bild findet sich auf der Facebookseite der NPD Oberhavel. Ebenso hat er am 17.Oktober an der NPD-Kundgebung in Velten teilgenommen und hielt dort ein Transparent der neonazistischen Partei. Zu dem kam heraus, dass er Oberfeuerwehrmann der Freiwilligen Feuerwehr Oberkrämer-Marwitz ist.
Und auch auf der Demonstration in Velten wurde deutlich, dass die NPD Oberhavel in die Organisation der rassistischen Proteste im Landkreis fest eingebunden ist, bzw. diese anführt. Wie in Oranienburg wurde auch in Velten die Technik von der NPD gestellt. Der Kreisvorsitzende der NPD Oberhavel, Burkhard Sahner, holte diese im Anschluss an die Demonstration mit seinem PKW ab. Weitere NPD-Mitglieder übernahmen Aufgaben auf der Demonstration. Auch die mitgeführten Schilder sind die selben Schilder, die am 17. Oktober bei der NPD-Kundgebung in Velten gezeigt wurden. In Velten redeten exakt die selben Redner, wie einen Tag zuvor in Oranienburg. Personell wurde die Demonstration außerdem von Neonazis aus Berlin und dem Havelland unterstützt, darunter auch von dem verurteilten Rechtsterroristen Christopher Hartley aus Falkensee.
An einer Friedensandacht und Kundgebung an der evangelischen Kirche in der Viktoriastraße gegen den Aufmarsch nahmen über 120 Menschen teil. Unter dem Motto “Herz statt Hetze” hatte die “Initiativgruppe gegen Gewalt und Rassismus” aufgerufen. Auch nahmen an der Kundgebung eine Vielzahl von Feuerwehrmännern teil, sichtlich aus Protest gegen die geistige Haltung ihres Kameraden Neuber. Laut PNN-Recherchen soll in der Freiwilligen Feuerwehr Oberkrämer-Marwitz die politische Gesinnung Neubers nicht unbekannt gewesen sein.
Bilder: hier und hier.
Weitere Veranstaltungen am Wochenende
Nach den Veranstaltungen in Oranienburg und Zehdenick, sowie erstmalig in Velten, weitet sich der Aktionsradius der rassistischen Proteste über die Grenzen des Landkreises hinaus. So soll am folgenden Sonnabend, den 7. November, ein ähnlicher Aufzug in Rheinsberg, Landkreis Ostprignitz-Ruppin, stattfinden. Bei dem Layout des Flyers ist identisch mit denen in Oberhavel. Dies lässt vermuten, dass es sich einerseits um einen Ableger der Veranstaltungen in Oberhavel handeln könnte und andererseits, dass die rassistischen Proteste in Rheinsberg von Oberhavel aus gesteuert werden.
In weiteren Städten Brandenburgs sollen dieses Wochenende flüchtlingsfeindliche Veranstaltungen stattfinden. Am Freitag ruft der vermeintliche Reichsbürger Rico Handta zu einer Demonstration in Cottbus auf. Dieses Mal soll die Demonstration durch die Cottbuser Innenstadt ziehen. Am Samstag wollen Neonazis um die Facebookseite “Wittstock SAGT NEIN ZUR Asylpolitik” eine Kundgebung zwischen 10 und 12 Uhr auf den Wittstocker Marktplatz abhalten. In Eisenhüttenstadt will die rassistische Gruppierung “Beeskow wehrt sich” erneut eine Kundgebung vor der ZAST in der Poststraße abhalten. Am Sonntag soll eine weitere flüchtlingsfeindliche Kundgebung in Bad Freienwalde stattfinden.