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Nicht mauern, Schily

AktivistIn­nen der Anti-Lager-Tour absolvierten gestern einen Protest­marathon: von Kuners­dorf zur SPD-Zentrale

(TAZ, 2.9.04) Da stand sie wieder, die Berlin­er Mauer. Und zwar zwei Tage lang auf dem
Alexan­der­platz. Aufgestellt wurde sie von Aktivis­ten, die sich “Insti­tut
für Nomadolo­gie” nen­nen. “Nie­mand hat die Absicht, eine Fes­tung Europa zu
erricht­en”, ste­ht auf dem grauen Bauw­erk aus Holz und Sty­ro­por — eine
Anspielung auf das Zitat von Wal­ter Ulbricht, der im Früh­jahr 1961
bestritt, eine Mauer quer durch Berlin ziehen zu wollen. Vor 15 Jahren
hät­ten die Deutschen die neue Bewe­gungs­frei­heit enthu­si­astisch begrüßt,
sagte eine Ini­tia­torin dieser Aktion. Nun seien es Schi­ly und die
Bun­desregierung, die den Mauer­bau forcierten, und zwar an den
EU-Außengrenzen. 

Für Flüchtlinge und ihre Unter­stützer ging gestern ein langer Protesttag
zu Ende. Bere­its am frühen Mor­gen standen Teil­nehmer der “Anti-Lager-Tour
— gegen Abschiebung und Aus­gren­zung” vor den Toren des Flüchtlingsheims
Kuners­dorf in Bran­den­burg, um mit einem “Protest­früh­stück” gegen das
Chip­karten­sys­tem zu demon­stri­eren. Flüchtlinge im Landkreis
Märkisch-Oder­land bekom­men seit einiger Zeit kein Bargeld mehr ausgezahlt,
son­dern erhal­ten eine Chip­karte, mit der aber Anwalt­srech­nun­gen oder auch
Arzneimit­tel nicht bezahlt wer­den kön­nen (die taz berichtete). Trotz
Genehmi­gung der Ver­samm­lungs­be­hörde durfte die Aktion vor dem Heim nicht
stat­tfind­en. Die Polizei hat­te das Gelände weiträu­mig abgesperrt.
Daraufhin zogen die Demon­stran­ten in die nahe gele­gene Stadt Seelow und
protestierten vor dem Sozialamt weiter. 

Bei der Demo am späten Nach­mit­tag auf dem Alexan­der­platz kam es dann zu
Rangeleien, weil Polizis­ten einen Bus mit Flüchtlin­gen kontrollierten.
“Wir wollen nicht wie Krim­inelle behan­delt wer­den”, empörte sich Antoine
Fot­so vom Flüchtling­sheim Kuners­dorf. Eini­gen Flüchtlin­gen dro­hen nun
Anzeigen wegen Ver­stoßes gegen die Res­i­den­zpflicht, weil sie uner­laubt den
ihnen zugeteil­ten Land­kreis ver­lassen haben. Erst als die Hälfte der rund
600 Demoteil­nehmer den Flüchtlin­gen zu Hil­fe eilte, gaben die Polizisten
nach und ließen den Zug zur SPD-Zen­trale ziehen. 

Polizei hat­te im Lan­drat­samt Hausrecht

(MOZ, 2.9.04) Seelow/Kunersdorf (MOZ) Aus­nah­mezu­s­tand gestern in der Kreis­stadt: Seit 7
Uhr war das Zen­trum im Bere­ich zwis­chen dem Lan­drat­samt und der
Polizei­wache in der Hand der Polizei. Eine Hun­dertschaft der
Bere­itschaft­spolizei stand grüp­pchen­weise an den Zufahrtsstraßen. Eine
Hun­de­streife umrun­dete das Are­al. Fünf Beamte standen am Ein­gang zur
Kreisver­wal­tung, weit­ere fünf hat­ten hin­ter der Tür an einem Tisch Platz
genom­men. Die Polizei spielte Ein­lass. Jedoch nur für die Asylbewerber,
für die gestern Zahlt­ag war. 

Die ank­om­menden Aus­län­der wur­den nur einzeln ins Lan­drat­samt eingelassen.
An dem Tisch wur­den die Ausweise kon­trol­liert. Den Beamten lag eine Liste
mit den Namen der Bezugs­berechtigten vor. Nur, wer darauf stand, durfte
zum Sozialamt hin­auf gehen, um seine Chip­karte aufladen zu lassen. 

“Wir haben der Polizei das Haus­recht über­tra­gen”, begrün­dete Jürgen
Krüger, der Press­esprech­er des Lan­drates, auf Nach­frage die Aktivitäten
der Polizei im Haus. 

Eine Wieder­hol­ung des Geschehens von vor vier Wochen, als Asyl­be­wer­ber im
Protest gegen das Chip­karten­sys­tem stun­den­lang das Foy­er des Landratsamtes
block­iert hat­ten (Oder­land-Echo berichtete), sollte ver­mieden werden. 

Das Großaufge­bot an Polizei galt jedoch nicht vor­wiegend den
Asyl­be­wer­bern. Son­dern ein­er Ver­samm­lung, die erst einen Tag zuvor
angemeldet wor­den war. Und zwar für Kuners­dorf und Seelow. Auf ihrer
“Anti-Lager action Tour” wollte die Anti­ras­sis­tis­che Ini­tia­tive Berlin im
Kuners­dor­fer Asyl­be­wer­ber­heim und im Lan­drat­samt Sta­tion machen. 

“Wir haben bei­de Ver­samm­lun­gen nur mit der Auflage ges­tat­tet, dass weder
das Heimgelände noch das Lan­drat­samt betreten wer­den”, erk­lärte Thomas
Wilde, der Press­esprech­er des Polizei-Schutzbere­ich­es. Das Großaufgebot
von ins­ge­samt rund 250 Polizis­ten begrün­dete er damit, dass die
“Berufs-Demon­stran­ten” bei vorheri­gen Aktio­nen “aggres­siv und gewaltsam”
vorge­gan­gen seien und sog­ar Polizis­ten ange­grif­f­en hätten. 

Das sollte in Märkisch-Oder­land ver­hin­dert wer­den. Gegen Mit­tag trafen
rund 50 Demon­stran­ten, aus Kuners­dorf kom­mend, per Bus in Seelow ein. Mit
Trans­par­enten, Trom­mel­wirbel und Sprüchen wie “Bargeld für alle. Chipcard
ist ille­gal” bracht­en sie sowie einige Asyl­be­wer­ber ihre Forderun­gen zum
Ausdruck. 

Die Polizei nahm gestern vier Asyl­be­wer­ber fest: Drei wur­den per
Haft­be­fehl gesucht, ein Afrikan­er provozierte die Polizis­ten in Kunersdorf
mit dem Hitlergruß. 

Stadt befürchtet Ausschreitungen

(MOZ, 2.9.04) Eisen­hüt­ten­stadt (ndt/MOZ) Aufrufe im Inter­net zur “Ran­dalieren und
Action” haben die Stadt nach Aus­sagen ihres Press­esprech­ers Torsten
Gottschlag dazu bewogen, den Ver­anstal­tern des Camps der “Anti-Lager-Tour”
keine kom­mu­nalen Flächen und Gebäude zur Ver­fü­gung zu stellen. Die bis zu
300 Camp-teil­nehmer wer­den nun von heute bis Son­ntag ihre Zelte auf einem
Pri­vat­grund­stück am Wei­de­hof auf­schla­gen. Ziel der bun­desweit­en Tour ist
der Protest gegen Abschiebe­haf­tanstal­ten für Asylbewerber.

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