Potsdam- Bereits zu Beginn des Jahres veröffentlichten wir eine Mitteilung
bezüglich der Ansichten des Potsdamer Polizeichefs Ralf Marschall auf den
Grad der Organisierung der Potsdamer Neonaziszene.(1) In dieser ging es um
unsere Einschätzungen und Analysen zu dem Thema mit dem wir den
Auffassungen der Potsdamer Polizei deutlich widersprachen. Nun sehen wir
uns dazu veranlasst dies erneut zu tun.
Grund hierfür sind die Aussagen vom Leiter des Potsdamer Schutzbereiches
der Polizei, Ralph Marschall, am Mittwoch Abend im Hauptausschuss.
Insgesamt gebe es “weniger politisch motivierte Gewalt in
Potsdam”. Die Straftaten in diesem Bereich hätten sich 2009 im
Vergleich zum Vorjahr verringert und die Befürchtung, dass “sich
rechte Gruppen mit der Neugründung eines NPD-Stadtverbandes neu
aufstellen” sei bislang auch nicht eingetroffen. (2)
Dies sehen wir anders. Denn unserer Ansicht nach kann von “eine[r]
erneute[n] Beruhigung der Lage”, wie es weiter in den PNN heißt,
nicht die Rede sein. Eher ist nach unseren Einschätzungen eine Zunahme
der Aktivitäten zu verzeichnen. Auch den Grund, warum “die rechten
Bündnisse ohne Struktur bislang nicht auf die Parteistrukturen
der NPD aufgesprungen” sind, sehen wir nicht in der fehlgeschlagenen
Neuaufstellung der Potsdamer Neonaziszene sondern in eben deren
Selbstbewusstsein und Möglichkeiten die sie in einem außerparteilichen
Kontext haben. Denn sowohl die “Freien Kräfte Potsdam” (FKP)
als auch die “Alternative Jugend Potsdam” (AJP) waren und sind
auch von der NPD unabhängig aktiv.
Ebenfalls interessant, was das Verhältnis der “Freien
Nationalist_innen” zur NPD angeht, war der diesjährige erste Mai.
Hier war zu beobachten, dass die “AJP” zusammen mit der
Potsdamer NPD Struktur auf dem Neonaziaufmarsch in Berlin präsent war.
Die “FKP” hingegen, zumindest in Form ihrer beiden
Protagonisten Carsten S. und Thomas P., demonstrierten in Hoyerswerda
zusammen mit den sogenannten “Spreelichtern”
(3) und weiteren “Freien Kräften”. Dabei traten die beiden
Potsdamer, in der für die “Spreelichter” mittlerweile
typischen Kluft als “Sensenmänner” auf, die somit den
vermeintlich nahenden “Volkstod” symbolisieren wollten. Auch
Daniel H., der Schlagzeuger der Potsdamer Neonaziband
“Preussenstolz”, beteiligte sich an der Demo in Hoyerswerda
und trug eine schwarze Potsdam Fahne. Dadurch wurde offensichtlich was
bereits in der letzten Zeit zu beobachten war. Die Zusammenarbeit zwischen
den “FKP” und den im südlichen Teil Brandenburgs ansässigen
“Spreelichtern”. Insgesamt waren am ersten Mai 2010 ungefähr
30 Potsdamer Neonazis in Berlin und Hoyerswerda unterwegs.
Die Brandenburgweite Vernetzung der Potsdamer Neonaziszene war zuletzt am
Beispiel einer Plakataktion zum achten Mai leicht zu erkennen. Dabei
wurden hunderte blaue A2 Plakate mit der Aufschrift “8. Mai wir
kapitulieren nie!”, den Angaben der Neonazis zufolge brandenburgweit,
plakatiert. Zumindest für den Großraum Potsdam, genauer in Fahrland,
Marquardt, Satzkorn, Groß-Glienicke, Drewitz, Schlaatz, Waldstadt,
Rehbrücke und dem Stern sowie der Stadt Brandenburg können wir dies
bestätigen.
Am achten Mai selbst war ein großer Teil der Potsdamer Neonaziszene sowohl der “AJP”, “FKP” und der NPD
in Brandenburg an der Havel um für “Freiheit, Frieden und
Selbstbestimmung” zu demonstrieren. Die von der NPD angemeldete
Demonstration wurde von rund 200 Neonazis besucht. Unter den gut zwanzig
Teilnehmenden aus Potsdam befanden sich unter anderen Marcel Guse,
Benjamin Oe., Paddy B., Patrick D., Steffen M., Mirko K., Thomas P.,
Carsten S. und Olaf E. Letzterer ist zusammen mit dem ehemals in Potsdam
wohnhaften Tobias M. auch bei den “Freie Kräfte Teltow
Fläming”(FKTF) aktiv. Dennoch sind beide immer wieder in Potsdam
anzutreffen und weiterhin in die örtlichen Neonazistrukturen eingebunden.
Die oben benannten Plakate der “FKP”; zum achten Mai, welche
auch entlang der Marschroute zu finden waren, wurden neben ihrer eigenen
Internetadresse zusätzlich noch mit denen der “AJP”,
“FKTF”, “Freie Kräfte Königswusterhausen” und
der “Kameradschaft Märkisch Oder Barnim” (KMOB)
unterzeichnet. Bei letzterer handelt es sich um eine Neonazigruppierung
die aktuell durch eine Vielzahl angemeldeter Demonstrationen auffällt.
Das Bündnis BRANDENBURG NAZIFREI mobilisiert gerade gegen
die geplanten Aufmärsche der “KMOB”;. Der erste aus einer
Reihe von insgesamt Sieben soll am 29.05.2010 in Bernau stattfinden und
die restlichen an den darauffolgenden Samstagen bis einschließlich dem
10.07.2010. Auch wir können hier nicht deutlich genug für die
Gegenproteste werben und euch alle dazu aufrufen die örtlichen
Gegenaktivitäten zu unterstützen.(4)
Antifaschistisches Engagement ist und bleibt in Potsdam und darüber
hinaus unerlässlich. Dies zeigten uns wieder ein Mal die jüngsten
Propagandaaktionen. Am 11.05.2010 entfernten Antifaschist_innen über
einhundert Schablonensprühereien der “AJP”; in Potsdams
Norden.(5) Betroffen waren wieder die üblichen Gegenden im Einzugsgebiet
der “AJP”;. Fahrland, Neu-Fahrland Marquardt und
Groß-Glienicke.
Am darauffolgenden Wochenende wurde dann das Bürgerbüro des Potsdamer
Linke-Politikers Hans-Jürgen Scharfenberg mit Hakenkreuzen und
Doppelsiegrunen beschmiert. Dieser meinte gegenüber den PNN dazu:
„Der Vorfall zeigt, dass man sich nicht in trügerischer Sicherheit
wiegen und die Verbreitung rechtsextremistischer Haltungen in Potsdam
nicht unterschätzen darf“.(6)
Die jüngsten Vorfälle können nicht als Einzeltaten abgetan werden
sondern betten sich ein in eine Reihe von Aktionen der Potsdamer
Neonaziszene. Wir stellen uns gegen jegliches Herunterspielen und
Kleinreden des Problems, wie der Leiter des Potsdamer Schutzbereiches der
Polizei es tut. Das mindeste was wir tun können ist, das Problem nicht zu
ignorieren und uns laut und deutlich dagegen zu äußern. Wir dürfen
rechten Strukturen keinen Raum geben, sich zu etablieren!