Das Oberlandesgericht Potsdam verkündet am heutigen Montag die Urteile über
eine Gruppe von zwölf rechtsextremen Gewalttätern
(FR) Vor dem Oberlandesgericht in Potsdam werden am heutigen Montag im ersten
Prozess um die Bildung einer terroristischen Vereinigung rechtsextremer
Jugendlicher in Brandenburg die Urteile verkündigt.
Berlin · 6. März · Am Nauener Goethe-Gymnasium schmückte sich Christoph H.
gerne mit den Insignien der neonazistischen Szene und wetterte gegen
Ausländer. “Bombi” nannten ihn seine Freunde. Heute will das Brandenburger
Oberlandesgericht verkünden, ob Christoph H. der Rädelsführer einer
terroristischen Vereinigung war. Ob der mittlerweile 20-Jährige für
viereinhalb Jahre ins Gefängnis muss, wie es Oberstaatsanwalt Eugen Larres
gefordert hat.
Christoph H. soll der Anführer eine Gruppe von zwölf Jugendlichen im Alter
von 14 bis 18 Jahren gewesen sein. Die “Kameradschaft Freikorps” hatte
zwischen August 2003 und Mai 2004 im Havelland eine Serie von neun
Brandanschlägen auf türkische und vietnamesische Imbisse und Geschäfte
verübt. Der Sachschaden betrug mehr als 800 000 Euro. Für die übrigen
Angeklagten forderte der Oberstaatsanwalt Bewährungsstrafen zwischen sechs
und 28 Monaten.
Der Anklage zufolge ging Christoph H. äußerst zielstrebig vor. Er wählte die
Anschlagsziele aus, bastelte die Brandsätze und fuhr seine Kameraden zum
Tatort. Die Kameradschaft traf sich auf dem elterlichen Hof, hisste dort die
Reichskriegsflagge. Die Brandsätze lagerten in der Scheune. Noch vor dem
ersten Anschlag gab sich die Gruppe eine Satzung und wählte einen
Schriftführer. Wer mitzündeln wollte, musste monatlich fünf Euro geben.
Davon wurde das Benzin für die Brandsätze bezahlt.
Soweit ist die Sache weitgehend unstrittig, auch wenn die Öffentlichkeit
wegen des jugendlichen Alters der Angeklagten von der Beweisaufnahme
ausgeschlossen wurde. Die Angeklagten waren geständig. Doch waren die zwölf
auch eine terroristische Vereinigung? Es habe eine gemeinsame Zielsetzung
und eine dauerhafte Organisationsstruktur gegeben, sagt die Anklage. Die
Verteidigung widerspricht dem Terrorismus-Vorwurf. Die Bevölkerung sei nicht
eingeschüchtert, der Staat nicht geschädigt worden, sagt Verteidiger Michael
Tschirschke. Sein Kollege Michael Barth sah die Schüler gar als Opfer der
“totalitären Machtphantasien eines fanatischen Anstifters”.
Doch es gab nicht nur einen Anführer sondern auch ein Umfeld, das
wegschaute. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm sprach gar von einem
“vollständigen Versagen der sozialen Lebenskontrolle”. Er ermöglichte der
Öffentlichkeit kürzlich einen kurzen Blick in die Vernehmungsprotokolle der
Polizei. Darin gaben Lehrer, Eltern, Mitschüler und ein örtliche
Revierförster gleich reihenweise zu Protokoll, dass in der Schule über die
Täter “gemunkelt” wurde, dass man von “Schießübungen im Wald” gewusste habe.
Zu dem prahlte H. prahlte mit den Zeitungsartikeln über die Anschläge. Viele
ahnten was, manche wusste es, aber niemand stoppte die Brandstifter. Im
Gegenteil. Hs. Mutter gab ihrem Sohn den Rat: “Lasst euch nicht erwischen”.
Urteile im Neonazi-Prozess werden gesprochen
Viereinhalb Jahre Haft für Hauptangeklagten gefordert
(MAZ) Potsdam — Im Potsdamer Neonazi-Prozess werden heute voraussichtlich die
Urteile gesprochen. Erstmals mussten sich vor dem brandenburgischen
Oberlandesgericht zwölf junge Männer wegen der Gründung einer
terroristischen Vereinigung verantworten.
Während sie in dem zweieinhalb Monate dauernden Verfahren ihre Beteiligung
an Anschlägen auf Imbisse und Geschäfte von Ausländern im Havelland
einräumten, wiesen die Beschuldigten den Terrorismus-Vorwurf zurück. Zur
Tatzeit waren die Angeklagten zwischen 14 und 18 Jahre alt. Sie sollen aus
Fremdenhass zwischen August 2003 und Mai 2004 zehn Anschläge auf Imbisse und
Geschäfte von Ausländern im Havelland verübt haben um sie zu vertreiben.
Dazu gründeten sie laut Anklage die rechtsgerichtete Kameradschaft
“Freikorps”. Verletzt wurde bei den Anschlägen niemand. Der Sachschaden
betrug rund 800.000 Euro.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat für den 20-jährigen Hauptangeklagten
viereinhalb Jahre Haft gefordert. Für weitere Angeklagte wurden Jugendhaft
sowie Bewährungsstrafen beantragt.
Heute Urteile im Potsdamer Neonazi-Prozess
Vorwurf der Gründung einer terroristischen Vereinigung / Anschläge auf
Imbisse und Läden
(LR) Im Potsdamer Neonazi-Prozess werden heute die Urteile gesprochen. Erstmals
mussten sich vor dem brandenburgischen Oberlandesgericht zwölf junge Männer
wegen der Gründung einer terroristischen Vereinigung verantworten.
Sehen so Terroristen aus« Zumindest in diesem Punkt sind sich der
Oberstaatsanwalt und die Verteidiger im Potsdamer Neonazi-Prozess einig:
Nein, die zwölf jungen Männer zwischen 16 und 20 Jahren entsprechen so gar
nicht den Vorstellungen von gefährlichen Terroristen. Hier endet aber fast
die Einigkeit. Die Anklage hält den Tatvorwurf für erfüllt, die Verteidigung
nicht.
Zur Tatzeit waren die Angeklagten zwischen 14 und 18 Jahre alt. Sie sollen
aus Fremdenhass zwischen August 2003 und Mai 2004 zehn Anschläge auf Imbisse
und Geschäfte verübt haben, um deren ausländische Besitzer und Betreiber aus
dem Havelland zu vertreiben. Dazu gründeten sie laut Anklage die
rechtsgerichtete Kameradschaft “Freikorps”. Verletzt wurde bei den
Anschlägen niemand; der Sachschaden betrug rund 800 000 Euro.
Bundesweit kaum Erfahrung
Die Taktik der Verteidiger wurde im Prozess bald klar: Die Anschläge
weitgehend einräumen, den Vorwurf der Gründung einer terroristischen
Vereinigung strikt zurückweisen. Erstmals klagt die
Generalstaatsanwaltschaft des Landes eine Gruppe Neonazis als terroristische
Vereinigung an. Und auch bundesweit gibt es kaum Erfahrungen im Umgang mit
dem Paragrafen 129 a, seitdem er Ende 2003 unter dem Eindruck der
Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA geändert wurde.
Natürlich seien die Angeklagten nicht mit internationalen Terroristen zu
vergleichen, räumt Oberstaatsanwalt Eugen Larres ein. Dennoch sei der
Tatbestand erfüllt. Die Kameradschaft sei keine Idee, “die aus dem Suff
heraus” entstand. Ein Anführer wurde bestimmt, ein Schriftführer und ein
Kassierer. Das später vernichtete Gründungsprotokoll sei mit Initialen
unterzeichnet worden. Der Monatsbeitrag betrug fünf Euro.
So hatten zumindest einige der Angeklagten die Szenerie vom Sommer 2003
geschildert. Mit diesem Pfund wuchert die Anklage. Die Anwälte halten
dagegen. Ihre Plädoyers gerieten zur rechtsphilosophischen Vorlesung. Was
ist Terror» Wurde die Bevölkerung — wie im Gesetz beschrieben — tatsächlich
erheblich eingeschüchtert« Wurde ein Staat erheblich geschädigt» Nein,
meinen die Verteidiger.
Folgt der Staatsschutzsenat der Anklage, müssen drei Beschuldigte mit
Gefängnisstrafen zwischen 28 Monaten und viereinhalb Jahren, der Rest mit
Bewährungsstrafen rechnen. Die Verteidigung beantragte höchstens
Bewährungsstrafen. Greift der Terror-Paragraf nicht, würde das für sechs der
Angeklagten wohl Freispruch bedeuten.
Revision beim BGH sicher
Die Verteidiger und der Oberstaatsanwalt sind sich allerdings auch noch in
einem anderen Punkt einig: Gleichgültig, wie das Urteil ausfällt, eine Seite
wird Revision beim Bundesgerichtshof beantragen.