Die NPD habe damit begonnen, Flugblätter zu verteilen, in denen die Erinnerungspolitik der Gedenkstätte Sachsenhausen kritisiert und der gescheiterte Hitler-Attentäter Georg Elser als „Mehrfachmörder“ diffamiert wird. Nach Angaben ihres Sprechers Thomas Salomon wollen die rechten Marschierer in den nächsten Tagen angeblich mehr als Zehntausend ihrer Schriften in die Briefkästen im Landkreis werfen.
Dabei geht die NPD mit der Geschichte einmal mehr nicht sonderlich genau um. Die NPD kritisierte laut MZ, dass es am 15. Februar in der Gedenkstätte keine Veranstaltung zum Ende des sowjetischen Speziallagers gegeben hätte – jenem Tag vor 60 Jahren, an dem laut NPD die letzten Häftlinge das Speziallager verlassen hätten. Während die NPD davon spricht, dass der „politischen Klasse“ der „moralische Kompass endgültig abhanden“ gekommen sei, sieht der Sprecher der Gedenkstättenstiftung, Horst Seferens, die Angelegenheit deutlich pragmatischer. Eine Gedenkveranstaltung habe es gestern nicht gegeben, weil die letzten Häftlinge das Lager auch nicht am 15. Februar 1950 verlassen hätten, sagte er der MZ. „Das ist schlicht unzutreffend.“ Die letzten Häftlinge seien von Mitte Januar bis Ende März 1950 entlassen worden. Es gebe also kein eindeutiges Ende des Speziallagers – weshalb man sich auf den 16. August, den Tag der Lager-Einrichtung, als zentralen Gedenktag geeinigt habe. Seferens nannte die NPD-Flugblattaktion einen Versuch, Geschichtsklitterung auf dem Rücken der Opfer des Stalinismus zu betreiben.
Burkhard Gräf von der Georg-Elser-Initiative sagte dem Blatt, Elser stehe für eine Gesellschaft ohne Krieg und Mord. „Elser hat sich seine Methoden nicht ausgesucht. Das haben ihm die Nazis aufgezwungen.“ Bernhard Fricke vom „Forum gegen Rassismus und rechte Gewalt Oranienburg“ sagte den Angaben zufolge, das Gedenken liege in der Hand der Opferverbände. „Sie sind nicht auf die Nachhilfe einer Partei angewiesen, die mit Hilfe eines autoritären und nationalistischen Staates Menschen anderer Herkunft und anderer Weltanschauung aus der Gesellschaft ausgrenzen will.“
Die MZ veröffentlichte zu der NPD-Propaganda einen Kommentar, in dem es heißt, die “ideologischen Wiedergänger” von Hitler “sprechen nun von den Opfern des Stalinismus als Opfer zweiter Klasse und gerieren sich als Verteidiger der Freiheit und Vorkämpfer gegen totalitäres Gedankengut. Es ist dasselbe Muster, mit dem die Neonazis am Wochenende auch in Dresden marschierten. Dort instrumentalisiert man die Toten der Luftangriffe für die eigenen Zwecke.” Diese Taktik sei einfach, durchschaubar und abstoßend. Und sie zeige, “wie verzweifelt die NPD vor Ort wohl sein muss. Da konstruiert man das Ende des Speziallagers einfach auf den 15. Februar – um dann der Gedenkstätte und der Politik vorzuwerfen, man begehe diesen Tag nicht. Der Versuch der neuen NPD-Kreisspitze um Thomas Salomon und Lore Lierse, die Menschen mit einem lokalen Thema aufzurütteln, sollte dort landen, wo ihr rassistisches Gedankengut ebenfalls hingehört: im Mülleimer.”