(STEPHAN BREIDING; MAZ) POTSDAM Der alltägliche Kampf gegen den Rechtsextremismus ist auf den ersten Blick unspektakulär: Zeitzeugen berichten über ihre Erlebnisse während der NS-Zeit, Verbände organisieren Fahrten zu KZ-Gedenkstätten, Vereine kümmern sich um Opfer rechtsextremer Gewalt. Erst gestern haben das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und der Verein “Opferperspektive” die Broschüre “Angriffsziel Imbiss” herausgebracht, die potenzielle Opfer warnen soll. In den vergangenen fünf Jahren wurden mehr als 60 Imbissbuden in Brandenburg Opfer rechtsradikaler Attacken.
Derzeit ist jedoch offen, wie es mit einigen dieser Projekte gegen Rechtsextremismus weitergehen soll. In zahlreichen Verbänden herrscht Unruhe, weil die Landesregierung ihre Förderpraxis ändern will. Am stärksten betroffen ist der Verein “Opferperspektive”, der sich um Opfer rechtsextremer Gewalt kümmert. Er soll, anders als 2004, in diesem Jahr keine Landeshilfen mehr erhalten. Ein Antrag über 45 000 Euro wurde vom Justizministerium abgelehnt — mit fatalen Folgen: Bleiben die Landesmittel aus, gibt es auch vom Bund keine Förderung. Dieser hatte den mehrfach für seine Arbeit ausgezeichneten Verein im vergangenen Jahr mit 200 000 Euro unterstützt.
Die Politik der Landesregierung sei “verantwortungslos gegenüber den Opfern menschenverachtender Gewalt”, prangerte Judith Porath, Geschäftsführerin der “Opferperspektive”, die Kürzungen an. Das sei vor allem vor dem Hintergrund der erneut gestiegenen Zahlen rechtsextremer Gewalttaten völlig unverständlich. Im Jahr 2004 waren 174 Menschen Opfer rechtsextremer Gewalt geworden, 20 mehr als im Vorjahr.
Verärgerung gibt es auch bei der Ausländerbeauftragten und dem Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Beiden sollen 2005 knapp 200 000 Euro für Projektförderung gestrichen werden. Dafür werde als Ausgleich in gleicher Höhe ein Fonds aus Lottomitteln aufgelegt, erklärt Thomas Hainz, Sprecher des Bildungsministeriums. Die Ausländerbeauftragte Almuth Berger zeigte sich dennoch besorgt über die Entwicklung, da der Fonds nicht mehr wie bisher von ihr und dem Aktionsbündnis, sondern vom Ministerium verwaltet werde. “Damit können wir viele Prozesse nicht mehr begleiten.”
Verärgert zeigt sich auch der Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Heinz-Joachim Lohmann. Er bezeichnete die Kürzungen bei der “Opferperspektive” als “Skandal”. Der Verein sei “einer der wichtigsten Bestandteile zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtsextremismus”, so Lohmann. “Werden die Mittel gestrichen, ist die Opferperspektive am Ende.” Scharfe Kritik äußerte er auch an der geplanten Kürzung des 610-Stellen-Programms. Das sei mit der Prioritätensetzung der Landesregierung im Kampf gegen Rechtsextremismus “nicht vereinbar”. Auch den Verlust seiner eigenen Projektmittel betrachtet Lohmann mit Sorge. “Es ist noch völlig unklar, was alles mit dem neuen Fonds gefördert werden soll.”
Von den Kürzungen nahezu unberührt bleiben lediglich die Mobilen Beratungsteams und die Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule (RAA). Sie erhalten 2005 rund 880 000 Euro aus dem Etat des Bildungsministeriums. Allerdings muss auch RAA-Geschäftsführer Alfred Roos Einbußen hinnehmen. Er sei beunruhigt, dass noch nicht absehbar sei, was mit einzelnen Projekten wie dem internationalen Zeitzeugenprogramm oder den Gedenkstättenfahrten nach Theresienstadt passiere. Dafür hatte es im vergangenen Jahr insgesamt 25 000 Euro aus der Landeskasse gegeben.