INFORIOT Ganz schön viel Jubel hat es in den vergangenen Tagen wegen einer neuen Studie gegeben, die sich mit der Verfasstheit der Brandenburger Jugendlichen befasst. Trotz mancher Probleme — alles ziemlich fein, alles ziemlich in Ordnung, so der Tenor bei der Präsentation der Ergebnisse und in den anschließenden Medienberichten (Link 1, 2, 3, 4, 5, 6). Jugendminister Holger Rupprecht (SPD) lobte, die Jugend in Brandenburg sei „eine pragmatische Generation, die optimistisch bleibt“. Etwas froheren Mutes als befürchtet würden die junge Leute nämlich in die Zukunft blicken.
Rechtsextremes Denken weit verbreitet
Gerade was die Themen Rechtsextremismus, Rassismus und Demokratie angeht, hält die Umfrage jedoch eher erschreckende Ergebnisse bereit. Die enthusiastische und erleichterte Wiedergabe der Studie passt in dieser Sicht nicht ganz zu dem, was in der Studie selbst drin steht. 10,5 Prozent stimmen rechtsextremen Aussagen tendenziell zu, weitere 3 Prozent gehören zum harten, rechten Kern. Also: 13,5 Prozent, knapp ein Siebtel der Brandenburger Jugend denkt rechtsextrem!
Diese Werte sind seit Jahren in etwa konstant – man müsste also resümieren: Wir haben in Brandenburg ein großes, stabiles, gefestigtes Potenzial von extrem rechten Jugendlichen. Ein schwacher Trost ist es dann nur, wenn mitgedacht wird, dass 60 Prozent der Jugendlichen, mehr als in den Vorjahren, rechtes Denken einigermaßen konsistent ablehnt.
„Ausländerfeindlichkeit“ weiterhin ein großes Thema
Separat zur Dimension „Rechtsextremismus“ erfasst die Studie auch „ausländerfeindliches“ Denken. Knapp 5,9 Prozent der Brandenburger Jugendlichen sind knallhart rassistisch und weitere 16,4 Prozent immer noch tendenziell rassistisch. In der Summe: 22,3 Prozent der Brandenburger Jugend will mehr oder weniger vehement keine „Ausländer“, mehr als ein Fünftel. Dieser Wert ist zwar um etwa fünf Prozentpunkte geringer als vor fünf Jahren, aber immer noch eine Menge Holz.
Sage und schreibe 40 Prozent der Brandenburger Jugendlichen sind im Übrigen der Auffassung, dass es im Bundesland zu viele „Ausländer“ gebe. Man beachte: Der tatsächliche Ausländeranteil im Bundesland bewegt sich bei gerade 2,6 Prozent.
Interessant wäre es zu wissen, wie sich die Dimensionen „Rechtsextremismus“ und „Ausländerfeindlichkeit“ zueinander verhalten. Decken sich die Personenpotenziale komplett ab, gehen die 13,5 Prozent extrem Rechten in den 22,5 Prozent „Ausländerfeinden“ auf? Oder liegen sie auch nebeneinander, gibt es eine relevante Zahl von Befragten, die zum Beispiel als „Rechtsextremisten” gezählt wurden aber nicht gleichzeitig als „Ausländerfeinde“? In diesem (wahrscheinlichen) Fall wäre das Potenzial von extrem rechten oder rassistischen Jugendlichen noch um einiges höher. Zumal manche Fragen in der Studie so formuliert waren, dass sie förmlich nach ablehnenden Antworten schrien. Der Aussage „Die Ausländer muss man ‚aufklatschen und raus hauen‘“ werden wohl selbst manche Neonazis nicht zustimmen wollen.
Die Studie
Das Forschungsteam um Dietmar Sturzbecher an der Universität Potsdam hat 3100 Jugendliche zwischen 12 und 20 Jahren befragt. Zum Vergleich liegen sechs ähnlich angelegte Studien vor, die seit 1991 durchgeführt wurden.
Rechtsextremismus und Rassismus sind nur zwei der Bereiche, welche durch die Studie abgedeckt wurden. Ebenso ging es beispielsweise um Zukunftserwartungen, Familie, Freizeitverhalten, freiwilliges Engagement, Schulfragen und Gewalterfahrungen.
Die Kernergebnisse der aktuellen Studie können hier als PDF-Dokument heruntergeladen werden.