Gegen eine so genannte „Wandermahnwache“ der NPD im Landkreis Havelland protestierten heute dutzende Menschen in Schönwalde-Glien, Brieselang, Wustermark und Nauen. Die neonazistische Partei hatte ihre Versammlungen kurzfristig angemeldet. Jedoch kamen alleine schon in Brieselang ungefähr 200 Menschen zusammen, um die NPD Kundgebung mit einem lauten Pfeifkonzert zu stören. In Wustermark störte eine Einzelperson mit einem mit Boxen beladenen LKW die in der Nähe befindliche Mahnwache der Neonazis derart, dass diese ihren Kundgebungsort aufgaben und sich 200m weiter zurückzogen. An diesem Punkt wurde allerdings gerade für das örtliche Brunnenfest aufgebaut und bei Ankunft der NPDler ebenfalls die Musik aufgedreht. Das gleiche Schicksal ereilte die Partei dann auch in Nauen, als sich der LKW aus Wustermark erneut aufbaute. Bei den Neonazis machte sich zunehmend Frustration breit. Ein Stadtverordneter der Partei aus Halle/Saale griff dabei auch eine Gegendemonstrantin an. Weiterhin gab es aber auch Zwischenfälle einzelner überforderter Polizeibeamte gegen Pressefotografen.
Schönwalde-Glien: Auftakt am Rathaus
Begonnen hatte die Wandermahnwache der NPD übrigens gegen 9.00 Uhr morgens vor dem Rathaus der Gemeinde Schönwalde-Glien. Der Gemeindevertreter Burkhardt Sahner (NPD) war dort mit einem LKW, der mit Parteipropaganda behangen war, vorgefahren und hatte den genauen Kundgebungsort gewählt. Kurze Zeit später stießen dann weitere NPD Anhänger_innen aus dem Havelland, Potsdam-Mittelmark und Oberhavel hinzu, entrollten zwei Banner sowie eine Fahne und lauschten dem Redebeitrag des Kreistagsabgeordneten Michel Müller (NPD). Er hatte allerdings wenig Neues zu berichten. Die NPD steht, so das Resümee seines Redebeitrages, auch nach dem Brandanschlag auf die als Notunterkunft für Flüchtlinge geplante Sporthalle in Nauen, für eine konstante Hetze gegen Asylsuchende. Allerdings blieb die auch in Schönwalde-Glien nicht unbeantwortet. Den 14 Neonazis stellten sich so ungefähr 14 Bürger_innen, darunter Sympathisant_innen der Partei Bündnis 90 / Die Grünen und ein regionales Aktionsbündnis gegen rechts entgegen, zeigten Flagge und pfiffen den Redner aus. Auch ein SPD Sympathisant dem die NPD heuchlerisch ihr Mikrophon angeboten hatte, fand klare Worte gegen Fremdenfeindlichkeit und für die Aufnahme von Flüchtlingen.
Brieselang: Massive Proteste am Bahnhof
Noch deutlicher wurde die Abneigung gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sowie die zentrale Organisation, die derartige Hassideologie transportiert, in Brieselang. Dort erwartete die vierzehnköpfige aus Schönwalde-Glien anreisende NPD Gesandtschaft bereits eine Gegendemonstration mit ungefähr 200 Teilnehmer_innen. Brieselang war der einzige Ort der gesamten Wandermahnwache, den die NPD kurz zuvor, offenbar in Hoffnung auf einen Zustrom von „besorgten“ Bürger_innen, bekannt gegeben hatte. Während einer öffentlichen Gemeindevertreter_innensitzung am vergangenen Mittwoch hatte sich nämlich ein Großteil des Publikums gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in einer größeren Notunterkunft ausgesprochen. Der Zustrom zur NPD Kundgebung blieb dennoch aus. Im Gegenteil, die NPD Anhänger_innen blieben unter sich und ihre beiden Redner Michel Müller und Frank Kittler, letzt genannter ist u.a. Gemeindevertreter der NPD in Brieselang, wurden ausgepfiffen. So blieb den Neonazis nur die Abfahrt zu ihrem nächsten Ziel.
Wustermark: Schlümpfelied vertreibt Neonazis
In Wustermark schien die Partei dann zunächst Ruhe von jeglichen Störer_innen zu haben. In Ruhe wurden drei Neuankömmlinge, ein mit der NPD sympathisierendes Ehepaar aus Potsdam-Mittelmark sowie ein Parteiabgeordneter aus Halle/Saale (Sachsen-Anhalt), begrüßt, mit der Aufstellung zur Mahnwache begonnen und ein Redebeitrag gehalten. Bei dem Redner handelte es sich übrigens abermals um Michel Müller. Ausreden konnte er jedoch nicht. Eine Einzelperson hatte in unmittelbarer Nähe einen Lkw aufgebaut und diesen mit einer sehr lauten Musikanlage versehen. Dann erklärte die Einzelperson, dass sie im Namen der Initiative “Nauen für Menschlichkeit” eine Eilversammlung angemeldet habe und mit der Musik gegen die NPD protestieren wolle. Noch während Müller redete, erklang nun plötzlich das „Lied der Schlümpfe“. Der NPD Redner war anschließend nicht mehr zu verstehen. Entnervt entschloss sich die NPD dann den momentanen Kundgebungsort aufzugeben und ungefähr 200m weiter zu ziehen. Dort ergang es ihr jedoch nicht viel besser. Da sich die NPD in der Nähe des im Aufbau befindlichen „Brunnenfestes“ versammelte und sich dort ebenfalls eine Musikanlage befand, wurde diese offenbar kurzer Hand aktiviert. Müllers eintöniger Redebeitrag kam nun abermals nicht zur Geltung. Nach einem kurzen Zwischenfall mit der Polizei gaben sich die Neonazis dann auch in Wustermark geschlagen und zogen Richtung Nauen von dannen.
Nauen: Angriff auf Gegendemonstrantin
Doch auch in der havelländischen Kleinstadt erwartete die Partei der Protest der regionalen Zivilgesellschaft. Dazu stieß noch der Lkw mit den Musikboxen aus Wustermark. Abermals wurde die Musik aufgedreht. Dies hatte offenbar dann den als cholerisch geltenden Hallenser NPD Abgeordneten Gerhard Pitsch dazu bewogen, den Lautsprecherwagen der Gegendemonstration näher „zu inspizieren“. Mögliche Sabotageakte an dem Fahrzeug wurden jedoch durch umstehende Personen vereitelt. Pitsch wurde dann von zwei NPD Anhänger_innen abgeholt. Dann begaben sich diese in den Rücken der Gegendemonstration. Als die drei nun die Gegendemonstrant_innen passieren wollten, verlor Pitsch die Beherrschung und attackierte eine Frau, die ein Schild mit der Aufschrift „tolerantes Brandenburg“ in der Hand hielt. Erst nach dem ihm seine beiden Mitstreiter und die Polizei weggezogen hatten beruhigt sich die Lage.
Die NPD hatte sich inzwischen in der Berliner Straße Ecke Gartenstraße versammelt und die Spreenhagener NPD Gemeindevertreterin Manuela Kokott, die inzwischen mit mindestens zwei weiteren Gesinnungsgenossen aus dem Landkreis Oder-Spree eingetroffen war, hielt einen Redebeitrag. Ihr folgte abermals Michel Müller. Beide waren allerdings kaum zu verstehen.
Anschließend beendete die NPD ihre Kundgebung und zog, vorbei an der gegen sie protestierenden Zivilgesellschaft, entnervt von dannen.
Überforderte Polizeibeamte begleiteten NPD Kundgebungen
Die Polizei hatte sich übrigens im Vorfeld gegen Protestveranstaltungen zu den Neonaziversammlungen ausgesprochen. Die Bürgermeister der betroffenen Städte und Gemeinden sollen demnach aufgefordert worden sein, nichts gegen die NPD Kundgebungen zu unternehmen. Etwaige Proteste seien lieber zu unterlassen, um den Neonazis dadurch die Aufmerksamkeit zu entziehen. Viele Bürger_innen wollten sich auf diese Logik jedoch nicht einlassen und, im Hinblick auf den jüngsten Brandanschlag in Nauen, heute trotzdem protestierten. Viel zulange seien neonazistische Aktivitäten zuvor schon missachtet worden.
Insofern erwartete die Polizist_innen ein möglicherweise heikler Einsatz. Trotz angespannter Situation war die überwiegende Mehrheit der eingesetzten Beamt_innen den Anforderungen des heutigen, brisanten Dienstes jedoch gewachsen. Es gab allerdings auch einige unrühmliche Zwischenfälle einzelner Polizisten.
In Wustermark näherte sich ein äußerst aggressiver NPD Sympathisant plötzlich einem Fotografen und behauptete in streitsüchtiger Art und Weise dreist, dass dieser seine Kinder fotografiert haben soll. Ein Kollege des Reporters kam hinzu und versuchte deeskalierend zu wirken. Es näherten sich nun weitere NPD Funktionäre und auch die Polizei. Aufgrund einer falschen Bezichtigung eines NPD Abgeordneten aus Rathenow drangsalierten die Beamt_innen nun den Reporter der die Situation ursprünglich deeskalieren wollte. Die Polizisten forderten außerdem einen Einblick in die zuvor angefertigten Fotos. Dabei kam es zu Gewaltandrohungen seitens der Beamten gegenüber dem Fotografen, der sich über die Maßnahmen empörte. Außerdem wurde seine Personalien aufgenommen. Als der Reporter zur allgemeinen Deeskalation den Polizisten schließlich seine zuvor angefertigten Fotos zeigte, waren dort selbstverständlich keine Fotos von irgendwelchen Kindern enthalten. Das Gleiche galt übrigens auch für die Kamera und den Speicherchip des ursprünglich beschuldigten, anderen Reporters. Als die übereifrigen Beamten nun allmählich merkten, dass sie einer dreisten Lüge der NPD Anhänger auf dem Leim gegangen waren, entspannte sich die Situation wieder. Die Neonazis, welche die falschen Behauptungen getätigt hatten, waren da allerdings schon weg, ohne dass deren Personalien festgestellt wurden. Und eine angemessene Entschuldigung für ihr unverschämtes Verhalten gab es seitens der fehlerhaft agierenden Beamten gegenüber den Fotografen natürlich auch nicht.
In Nauen kam es anschließend zu weiteren Zwischenfällen. Ein Beamter schätzte einen Reporter als „Links“ ein und verlangte dessen Verbleib bei der Gegendemonstration. Auch das Vorzeigen eines polizeilich anerkannten Presseausweises beeindruckte ihn nicht. Erst der Einsatzleiter konnte seinem übereifrigen Schützling klarmachen, dass ein sich ordnungsgemäß ausweisender Reporter das Recht hat über alle öffentlichen Versammlungen zu berichten. Der Fotograf durfte dann passieren.
Interessanter Weise waren dann andere Beamt_innen bei Fotografen von NPD Sympathisanten zunächst deutlich kulanter. Eine Bürgerin hatte sich nämlich bei drei Polizist_innen über das Abfilmen von Gegendemonstrant_innen durch Mitglieder des neonazistischen Milieus beschwert. Ihr wurde jedoch entgegnet, dass die Beamt_innen nichts dagegen machen könnten und hier nur die Verhältnismäßigkeit mit Hinblick auf die vermeintlich „linken“ Reporter gewahrt würde. Auch der Hinweis eines daneben stehenden Fotografen, dass die Polizist_innen sich doch wenigstens die Presseausweise der Personen, von denen eine eindeutig als Sympathisant des neonazistischen Milieus zu erkennen war, vorzeigen lassen könnten, wurde zunächst nur entgegnet, dass ein derartiges Dokument für fotografische Zwecke nicht unbedingt notwendig sei. Ein sehr interessanter Aspekt, im Hinblick auf die eingangs erwähnte Situation. Dennoch schienen die Beamt_innen diesmal dem Anfangsverdacht eines unrechtmäßigen Verhaltens nachzugehen und unterbanden die Filmereien der NPD Sympathisant_innen.
Fotos: hier
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