(Henri Kramer, PNN) Innenstadt – Das finnische Denken über Schule läuft in anderen Bahnen als in Deutschland. „Was meinen sie denn immer mit Leistung“, fragte die Grundschullehrerin Ritva Lempinen aus Potsdams Partnerstadt Jyväskylä. Ein Besucher der Diskussion „Warum sind Finnlands Schulen so gut?“ hatte gefragt, ob es in Finnland gar nicht vorstellbar wäre, leistungsstarke und leistungsschwache Schüler getrennt zu unterrichten. „Wir denken nicht in solchen Kategorien – bei uns gibt es nur Schüler, die mehr oder weniger Förderung benötigen“, gab Ritva Lempinen am Dienstag Abend die Antwort.
Im voll besetzten Saal des Alten Rathauses saßen viele Potsdamer Lehrer und Direktoren, um sich von drei finnischen Schulvertretern das Bildungssystem des PISA-Siegerlandes erklären zu lassen. Dessen Struktur beruhe besonders auf der neunklassigen Gemeinschaftsschule, so Jorma Lempinen, Direktor des Gymnasiums Lyseon Lukio in Jyväskylä. Nach den neun Jahren könnten die Schüler zwischen der gymnasialen Oberstufe und beruflichen Schulen wählen – und danach jeweils an einer Universität studieren. „Wir versuchen niemanden zu bevorzugen oder auszugrenzen – wenn es Lernprobleme gibt, so bekommen die Schüler Hilfe von Sonderpädagogen. Unsere Schulen sind für alle da“, erklärte Jorma Lempinen. Es gäbe kaum Sitzenbleiber, die Klasse zu wiederholen würde nur auf Wunsch der Eltern geschehen und möglichst vermieden werden, um die Schüler nicht als Versager abzustempeln. „Wir versuchen bei den Kindern eine positive Lerneinstellung zu erzeugen, um sie für lebenslanges Lernen zu motivieren.“ Dazu sei es nötig, auch für das persönliche Wohlbefinden der jungen Leute zu sorgen, etwa durch kostenloses Mittagessen oder kurze Schulwege.
Die Ergebnisse dieser Strategie schilderte Rektor Lempinen: „Natürlich gibt es auch bei uns noch einen Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft der Schüler und ihren Ergebnissen in der Schule.“ Jedoch sei die Spanne zwischen dem Wissensstand der Schüler längst nicht so groß wie in Deutschland.
Ebenso bedeutend für die guten finnischen PISA-Ergebnisse sei der hohe Stellenwert des Lehrerberufs in der Gesellschaft. „Wer Lehrer werden will, muss durch eine schwere Aufnahmeprüfung, wo auch seine menschlichen Fähigkeiten bewertet werden“, sagte Lempinen.
Bei der anschließenden Diskussion machte ein Gast unter anderem den hohen Ausländeranteil für die schlechten Leistungen deutscher Schüler mitverantwortlich. Wie denn der Umgang mit Ausländern in Finnland sei? Frau Lempinen antwortete: „Alle müssen finnisch und ihre Muttersprache lernen, denn wir akzeptieren die kulturelle Identität unserer Ausländer – in Helsinki werden allein 40 verschiedene Muttersprachen gelehrt.