(Michael Mara, Tagesspiegel) Halbe/Potsdam — Ein für den 18. Juni geplanter Aufmarsch von Neonazis in der Nähe des größten deutschen Soldatenfriedhofs in Halbe hält Brandenburgs Politiker und Sicherheitsbehörden in Atem. Angemeldet wurde er von dem bundesweit bekannten Neonazi Christian Worch. Obwohl erneut Negativ-Schlagzeilen drohen, findet die SPD-CDU Koalition keine gemeinsame Linie für den Umgang mit den Neonazis. Vielmehr ist gestern ein offener Streit um eine von einem lokalen Aktionsbündnis geplante Gegendemonstration entbrannt, auf der auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprechen will. Die SPD ruft zur Teilnahme auf, auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) beabsichtigt laut Staatskanzlei-Chef Clemens Appel, gegen die Neonazis zu demonstrieren.
Hingegen lehnt CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm eine Teilnahme an der Gegendemonstration strikt ab, weil neben der PDS auch die Antiglobalisierungsbewegung Attac zu den 15 Aufrufern gehört. Schönbohm gestern im Landtag: „Mit diesen Veranstaltern ist eine Teilnahme der CDU unvorstellbar.“ Vor Ort sieht man das in der Union allerdings pragmatischer: Johanna Wanka, CDU–Kreischefin von Dahme-Spreewald und Wissenschaftsministerin, sprach sich gegen einen Boykott der Gegendemonstration aus. Sie wolle die Mitglieder des Kreisverbandes zur Teilnahme aufrufen und schließe das auch für sich persönlich nicht aus, sagte sie dem Tagesspiegel. Allerdings betonte auch Wanka, dass die CDU nicht Mitveranstalter sein werde.
Schönbohm unterbreitete schließlich einen Kompromissvorschlag: Er könne sich vorstellen, dass SPD und CDU gemeinsam mit dem landesweiten Aktionsbündnis gegen rechte Gewalt und Fremdenfeindlichkeit zu einer eigenen separaten Gegendemonstration aufrufen. Ob es dazu kommt und wie das praktisch funktionieren soll, war gestern unklar. Zu dem drohen Sicherheitsprobleme: Da sich inzwischen auch linke Autonome aus Berlin zur Gegendemonstration des lokalen Aktionsbündnisses angesagt haben, fürchten Sicherheitskreise eine Eskalation. Schönbohm räumte ein, dass „die polizeiliche Lage schwieriger wird, je mehr Demonstranten und Gegendemonstranten kommen“. Parallel findet auf dem Lausitz-Ring eine Großveranstaltung mit der Hard-Rock-Band „Böhse Onkelz“ statt. Zur Absicherung beider Veranstaltungen würden zusätzliche Sicherheitskräfte aus anderen Bundesländern benötigt.
Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass die Neonazis den Aufmarsch in Halbe als Testfall ansehen: Erst im Mai hat der Landtag ein Gesetz verabschiedet, das die 1200 Soldatenfriedhöfe in Brandenburg vor rechtsextremen Aufmärschen schützen soll. Danach sind Kungebungen zwar auf den Friedhöfen nicht mehr erlaubt, weil sie Totenruhe stören. Doch in Halbe wollen die Neonazis außerhalb des eigentlichen Friedhofes demonstrieren und ihre Möglichkeiten „ausreizen“.
Koalition streitet über Umgang mit Neonazis
CDU gegen gemeinsame Demonstration in Halbe
(Andrea Beyerlein, Berliner Zeitung)POTSDAM. “Die Zersplitterung der Kräfte hat noch nie gut getan!” Leicht genervt stellte Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) am Mittwochnachmittag klar, dass er an seinen Plänen nichts mehr ändern werde: Gleich zu Beginn der heutigen Parlamentssitzung will er an die Abgeordneten appellieren, die Gegendemonstration des örtlichen Aktionsbündnis in Halbe (Dahme-Spreewald) gegen den für den 18. Juni angemeldeten Neonazi-Aufmarsch zu unterstützen.
Abermals springt der Präsident ein, weil sich die Koalitionäre von SPD und CDU nicht darauf einigen können, wie sie mit den Rechtsextremisten umgehen wollen. Nachdem SPD-Fraktionschef Günter Baaske bereits zur Teilnahme aufrief und die Unionsfraktion das ablehnte, brachte CDU-Chef und Innenminister Jörg Schönbohm am Mittwoch eine dritte Variante ins Spiel: CDU und SPD sollten gemeinsam mit dem Landesaktionsbündnis gegen rechte Gewalt und Fremdenfeindlichkeit eine eigene Gegenveranstaltung anmelden. Dort könne dann auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprechen. Der hat aber schon dem örtlichen Bündnis sein Kommen angekündigt.
Zunächst hatte auch Schönbohm einen eigenen Auftritt nicht ausgeschlossen. Seit beim Volkstrauertag im vergangenen November die Bilder von rund 1 500 ungestört marschierenden Rechtsextremisten aus Halbe um die Welt gingen, hat der Brandenburger Innenminister seine ablehnende Haltung zu solchen Aktionen zumindest modifiziert.
In der CDU-Fraktion herrscht aber die Auffassung vor, der für 300 Teilnehmer angemeldete Nazi-Aufmarsch werde durch Gegenaktionen erst aufgewertet: “Wollen wir das jetzt jedes Mal machen? Dann können uns die Rechten vorführen”, sagte CDU-Innenexperte und ‑Generalsekretär Sven Petke. Vielmehr habe er der Eindruck: “Der SPD gehen die Themen aus.”
Mittlerweile verweist Schönbohm auf die problematische Zusammensetzung des örtlichen Bündnisses: “Ich marschiere doch nicht hinter der Fahne der DKP”, sagte er. Zudem hätten gewalttätige Autonome aus Berlin ihr Kommen angesagt. Baaske hält dagegen: “Wenn genug Demokraten da sind, gibt es keine Probleme.”
Intern abgestimmt war aber offenbar auch der Aufruf des SPD-Fraktionschefs zur Teilnahme nicht. In der Staatskanzlei mochte man Baaskes Ankündigung vom Dienstag, auch Platzeck werde in Halbe reden, noch nicht bestätigten. Schönbohm und Platzeck hatten abgesprochen, ihr jeweiliges Verhalten zunächst offen zu lassen.