V‑Mann-Affäre: PDS kündigt Klage an
(Berliner Zeitung, Martin Klesmann) POTSDAM. In der V‑Mann-Affäre um den Neonazi Toni S. kündigte die
innenpolitische Sprecherin der PDS-Landtagsfraktion, Kerstin Kaiser-Nicht,
am Donnerstag den Gang vor das Landesverfassungsgericht an. Per Organklage
soll das mehrfach von den SPD- und CDU-Vertretern abgelehnte Recht auf
Akteneinsicht erstritten werden, sagte die Politikerin, die der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im Landtag angehört.
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte Anfang November die PDS-Anträge auf
Akteneinsicht endgültig abgelehnt. Damit verhindere er die Aufklärung der
Affäre, sagte Kaiser-Nicht. Der V‑Mann soll im Februar 2001 eine geplante
Razzia der Polizei gegen Neonazis verraten haben. Die Rolle des verbeamteten
V‑Mann-Führers blieb seinerzeit dubios.
PDS klagt gegen Innenministerium
V‑Mann-Affäre: Akteneinsicht abgelehnt
(MAZ) POTSDAM — Der brandenburgische Verfassungsschutz hat Straftaten seiner
rechtsextremen V‑Leute nach Auffassung der PDS-Fraktion möglicherweise
länger geduldet und stärker gedeckt, als bisher bekannt ist. Zur Überprüfung
dieses Verdachtes, der durch ein Urteil des Berliner Landgerichts bestärkt
wird, will die PDS-Abgeordnete Kerstin Kaiser-Nicht ihr in Artikel 56 der
Landesverfassung verbrieftes Recht auf Akteneinsicht vor dem
Verfassungsgericht des Landes einklagen. Dieses Vorgehen kündigten
Kaiser-Nicht und der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Heinz
Vietze, gestern in Potsdam an.
Damit reagierten die PDS-Politiker auf eine Entscheidung des
Innenministeriums. Ressortchef Jörg Schönbohm (CDU) hatte in einem Schreiben
vom 6. November Landtagsabgeordneten das Recht aberkannt, Akten des
Verfassungsschutzes einzusehen. Es gebe zwingende öffentliche und private
Interessen der Geheimhaltung, die über dem Akteneinsichtsrecht der
Abgeordneten stünden. Für Kaiser-Nicht ist diese Begründung “in hohem Grade
lächerlich” und ein Indiz dafür, dass Innenministerium und Geheimdienst kein
Interesse an einer umfassenden Aufklärung haben.
Tatsächlich unterstellt Schönbohm in seiner Argumentation, dass die
PDS-Politikerin Akteneinsicht missbrauchen könne, um Geheimes öffentlich zu
machen. Schönbohm begründet jedoch an keiner Textstelle seinen Verdacht des
Geheimnisverrats durch Kaiser-Nicht. Nach Artikel 56 der Landesverfassung
muss es allerdings zwingende Gründe für die Ablehnung des
Akteneinsichtsrechts geben.
Im Gegensatz zu Schönbohms Verdächtigungen ist die PDS-Politikerin sogar von
Amts wegen zu besonderer Geheimhaltung verpflichtet. Kaiser-Nicht vertritt
die PDS in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), die den
Verfassungsschutz überprüfen soll. Per Verfassungsschutzgesetz ist jedes
Mitglied der PKK zur “Verschwiegenheit über Angelegenheiten verpflichtet”,
die Interna des Dienstes berühren.
Für die PDS stellt sich die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht somit
als Willkürakt des Innenministeriums und als Bruch der Landesverfassung
durch das Innenressort dar. “Sie wollen um jeden Preis verhindern, dass ich
Akteneinsicht nehme, weil ich dann den Kernbereich des Verfassungsschutzes
berühre”, folgert Kaiser-Nicht.
Pikanterweise will nicht nur das Innenministerium dies verhindern, sondern
auch die Mehrheit der PKK. Das vierköpfige Gremium setzt sich aus zwei
Abgeordneten der SPD und jeweils einem Vertreter der CDU sowie der PDS
zusammen. Die Mehrheitsverhältnisse in der PKK spiegeln somit die
Machtverhältnisse der Großen Koalition in Brandenburg wider.
Die aus SPD und CDU bestehende PKK-Mehrheit hat bisher stets verhindert,
dass die PKK das ihr zustehende Recht auf Akteneinsicht ausübte. Um die
Kontrollmöglichkeit der parlamentarischen Opposition einzuschränken, hat die
PKK-Mehrheit am 23. September sogar entschieden, dass es sich bei der
“Akteneinsicht ausschließlich (um) ein Gruppenrecht” der PKK als Gremium
handele.
Als Schönbohm den Antrag der PDS-Abgeordneten auf Akteneinsicht ablehnte,
betonte der Minister: “Die von der PKK vertretene Rechtsauffassung teile ich
und habe sie zur Grundlage meiner Entscheidung gemacht.”
PDS will auf Akteneinsicht in V‑Mann-Affäre klagen
Abgeordnete: Koalition behindert Aufklärung
(LR) Der Streit in der Brandenburger V‑Mann-Affäre um den Neonazi Toni S. spitzt
sich erneut zu. Die innenpolitische Sprecherin der oppositionellen PDS,
Kerstin Kaiser-Nicht, kündigte gestern die Anrufung des
Landesverfassungsgerichtes an.
Mit einer Organklage soll das mehrfach von der Koalitionsmehrheit aus SPD
und CDU abgelehnte Recht auf Akteneinsicht erstritten werden, erklärte die
Politikerin, die der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im Landtag
angehört.
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) habe Anfang November nach einer
viermonatigen Bearbeitungszeit die PDS-Anträge auf Akteneinsicht endgültig
abgelehnt. Damit verhindere er die Aufklärung der seit Sommer in der
öffentlichen Kritik stehenden Vorwürfe zum Einsatz des V‑Mannes, betonte
Kaiser-Nicht. Die PDS habe bisher stets versucht, alle Möglichkeiten der
parlamentarischen Kontrolle über den Verfassungsschutz auszuschöpfen. Alle
Anträge auf Akteneinsicht seien durch die Koalition abgeschmettert worden.
Ein anderer V‑Mann hatte im Februar 2001 eine geplante Razzia der Polizei
gegen Neonazis verraten. Nach wie vor gebe es große Unklarheiten über den
Einsatz der vom Verfassungsschutz geführten V‑Leute, meinte die
PDS-Politikerin. Die Begründung von Innenminister Schönbohm, dass durch eine
Einsicht in die Akten des Verfassungsschutzes Indiskretionen möglich wären,
sei inakzeptabel.
Das Ermittlungsverfahren der Cottbuser Staatsanwaltschaft gegen einen
V‑Mann-Führer ist zurzeit noch nicht abgeschlossen.