(1.7.) POTSDAM Die brandenburgische Polizei kommt nicht zur Ruhe. Ein Jahr nach
Einführung ihrer neuen Struktur mit zwei Großpräsidien und 15 weitgehend
selbständigen Schutzbereichen müssen die Ordnungshüter mit zusätzlichen
Veränderungen rechnen.
“Dass weitere Personaleinsparungen kommen müssen, steht fest”, erklärte der
innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Werner-Siegwart
Schippel, gestern gegenüber der MAZ. Im Gespräch sind nach Informationen aus
Sicherheitskreisen knapp fünfhundert Stellen.
Schippel wollte diese Zahl gestern noch nicht bestätigen. Er wolle erst den
vom Innenministerium angekündigten Bewertungsbericht zur
Polizeistrukturreform abwarten. Danach werde deutlich, in welchen Bereichen wieviel
Personal
abzubauen sei, so der SPD-Politiker. Die Zahl von angeblich 2000 überzähligen
Stellen im Polizeidienst — die sich in einem vom Potsdamer Finanzministerium in
Auftrag gegebenen Gutachten findet — ist laut Schippel wahrscheinlich zu hoch
angesetzt.
Selbst wenn es für die Polizei noch schlimmer kommen sollte — schon heute,
am Jahrestag der Reform, bewerten die Berufsverbände der Polizeibeamten die
Lage sehr kritisch. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP),
Andreas Schuster, hat für den Jubiläumstag sogar zum “Jubel-Boykott”
aufgerufen. Die Reformziele — effektivere Arbeit, Bürgerzufriedenheit und
Wirtschaftlichkeit — seien verfehlt worden.
Diese Missstimmung ist unter den etwa 7800 uniformierten Polizisten im Land
offenbar verbreitet. “Die die Motivation ist schlecht”, beklagt der
Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, Frank Domanski. Ähnlich urteilt
der Landesvorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BDK), Wolfgang
Bauch: “Die Stimmung ist nach wie vor schlecht. Die Polizisten identifizieren
sich nicht mit der Reform.” Den meisten sei klar, dass das Hauptziel der
Reform Sparen lautete.
Entsprechend gestaltet sich mancher Arbeitsalltag im Jahr eins der Reform.
“Es ist nicht hinnehmbar, dass es Kriminalkommissariate gibt, in denen sich
mehr als zehn Ermittler einen Computer teilen müssen”, so BDK-Chef Bauch.
Schwierigkeiten gebe es auch mit Handys und Laptops. Selbst wenn dies nicht die
Regel sei, hätte man die Probleme doch “nach einem Jahr in den Griff bekommen
können”.
Besonders grotesk mutet an, dass die Kriminalisten, die in den
Schutzbereichen die Internetkriminalität bekämpfen sollen, dies ohne eigenen Zugang zum
Internet bewerkstelligen sollen. Gewerkschaftschef Domanski hat schon zu einem
besonderen Wettbewerk aufgerufen. Motto: “Wir prämieren die schlechteste
Dienststelle des Landes.” Heißer Anwärter ist offenbar die Abteilung Prävention
im Polizeipräsidium Potsdam. “Das Dach ist undicht, wenn es regnet, kann dort
niemand arbeiten”, sagt Domanski.
Für besonderen Groll unter den Polizisten sorgt offenbar auch die fehlende
Aussicht auf Beförderung. Nach Angaben von GdP-Chef Schuster wurde seit der
Reform 0,8 Prozent des Polizeipersonals befördert. Hingegen habe die
Beförderungsquote bei den Mitarbeitern des Innenministeriums bei 5,8 Prozent gelegen.
Die meisten der 1700 Kommissare sollten sich darauf einstellen, dass sie mit
ihrem Einstellungsdienstgrad 30 Jahre später auch in Pension gehen würden,
stichelte Bauch.
Das Innenministerium hat die Kritik gestern scharf zurückgewiesen.
“Brandenburg verfügt jetzt über eine der modernsten Polizeien in Deutschland, und
andere Bundesländer orientieren sich an uns”, sagte Sprecher Heiko Homburg. Alle
Ziele der Reform seien erreicht worden.
Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Petke, erklärte, die
Polizei werde trotz der angespannten Haushaltslage mit modernsten Mitteln
ausgestattet: mit modernen Pkw, einem Hubschrauber, neuen Schutzwesten “sowie
zahlreichen Bau- und Modernisierungsmaßnahmen”.