Während des Prozesses um den lebensgefährlichen Angriff auf den Deutsch-Äthiopier in Potsdam sind mehrere Verfehlungen der Polizei ans Licht gekommen. So wurde etwa die Spurensicherung nicht von Spezialisten, sondern von einfachen Polizisten erledigt. Auch bei der Zeugenbefragung leisteten sich die Beamten grobe Schnitzer.
Potsdam — Im Prozess um den folgenschweren Überfall auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. sind schwerwiegende Ermittlungspannen ans Licht gekommen. So wurden nach der Potsdamer Attacke in der Osternacht 2006 die Spuren nicht von den Spezialisten der Kriminalpolizei gesichert, sondern von einfachen Streifenpolizisten. Dies berichtete ein beteiligter Beamter am Freitag vor dem Landgericht Potsdam. Verteidiger Matthias Schöneburg sprach von einer großen Panne.
Der Streifenpolizist, der als einer der ersten am Tatort war, räumte Mängel bei der Spurensicherung ein. Zahlreiche umherliegende Glasscherben von verschiedenen Bierflaschen seien in einer Papiertüte aufgesammelt worden. An einer Scherbe stellten die Ermittler später eine verwischte DNA-Spur fest, die nicht mehr mit letzter Sicherheit einem der Angeklagten zugeordnet werden konnte. Der Polizist hatte am frühen Morgen jenes 16. April 2006 eigenen Angaben zufolge die Kriminaltechnik angefordert. „Dies wurde verneint, aus welchen Gründen auch immer“, sagte er.
„Das ist eine große Panne“, erklärte Rechtsanwalt Matthias Schöneburg, der den Angeklagten Björn L. verteidigt. „Üblich ist, dass bei solchen Fällen von Körperverletzung die Spezialisten von der Kripo kommen.“ Auch auf den Tatortfotos sei fast nichts zu erkennen. „Die sind schwarz“, sagte Schöneburg. Der Streifenbeamte, der die Bilder gemacht hatte, räumte ein: „Die kann man im Prinzip vergessen.“
Auch die Wahrnehmungen eines Taxifahrers blieben unklar, der während der Tat zwei Mal an der Haltestelle vorbei fuhr. Der Mann habe ausgesagt, zwei Männer hätten auf einen Dunkelhäutigen eingetreten, sagte eine Polizistin. Sie habe aber nicht nachgefragt, auf welche Weise und wie stark dies geschehen sei. Später bei der Staatsanwaltschaft schilderte der Fahrer, der auch vor Gericht gehört werden soll, den Ablauf anders. Danach sollte der Dunkelhäutige nach einem der anderen Männer getreten haben.
Erschwert wird die Aufklärung auch wegen der Gedächtnislücken M.s nach dessen lebensbedrohenden Kopfverletzungen. „Ich habe definitiv keine Erinnerung“, sagte der 38-Jährige vor den Richtern. Er äußerte sich nicht dazu, ob er die beiden Angeklagten wiedererkennt. In einer TV-Sendung hatte er gesagt: „Wenn ich ehrlich bin, die beiden waren es.“ Die Angeklagten bestreiten aber jede Beteiligung. Sie hatten vor Gericht erklärt, nicht am Tatort gewesen zu sein.
M. berichtete, er wisse nur noch, dass er den Abend vor der Tat mit seiner Frau bei einer Grillparty in einem Nachbargarten verbracht habe. Dort habe er etwa drei Bier und einen Schnaps getrunken, sagte der Nebenkläger. Gegen 3 Uhr sei er losgegangen, um noch einen Freund zu besuchen. Seine Frau bestätigte diese Angaben im Wesentlichen.
Die 32-Jährige berichtete außerdem von einem Telefonat, das ihr Handy zum Zeitpunkt der Attacke erreichte. Als sie abgenommen habe, seien zunächst nur Schritte und Hundegebell zu hören gewesen. Kurz darauf habe ein Mann gesagt: „Lass uns abhauen.“ Dies sei jedoch nicht die Stimme gewesen, die mit rassistischen Beleidigungen auf ihrer Mailbox zu hören war.
Das Gerät hatte Beschimpfungen wie „Ey Nigger“ und „Scheißnigger“ mitgeschnitten, weil Ermyas kurz vor der Tat versucht hatte, seine Frau zu erreichen. In der knapp zwei Minuten langen Aufnahme ist eine Auseinandersetzung zwischen M. und anderen Männern zu hören.