Ihr habt hier in Deutschland nichts zu suchen‹ – ja, das ist so eine Aussage, bei der man hinterher schwanken kann, was es wirklich bedeuten soll«, sagt Dörte Braun, die Pressesprecherin der Neuruppiner Polizei. Ihr müssen schon stichhaltigere Beweise vorliegen, bevor sie von einer ausländerfeindlichen Parole spricht. Deshalb steht für die Neuruppiner Polizei immer noch in Frage, ob die mexikanische Ska-Band Panteón Rococó in den Morgenstunden des 15. Oktober tatsächlich Opfer eines rassistischen Angriffs geworden ist.
Während einer Pause an der Raststätte »Linumer Bruch« in der Nähe Neuruppins trafen die Bandmitglieder Luis Román »Dr. Shenka« Ibarra und Daniel Bardo nach eigenen Angaben auf sechs stark alkoholisierte junge Männer, die nach einigen Pöbeleien auf die beiden losgingen. Der Tourmanager Humberto Pereira rannte sofort zum Bus, um die übrigen Bandmitglieder zur Hilfe zu holen. »Es war halt Glück, dass wir insgesamt 15 Leute waren«, sagt Pereira. »Eine vierköpfige Panflötentruppe aus Peru wäre da wohl aufgeschmissen gewesen.«
So konnten sich die Musiker zunächst in die Richtung des Busses zurückziehen und einzelnen Attacken ausweichen. Als aber Alfredo Enciso von einer Flasche getroffen wurde und zu Boden ging, rief Pereira Polizei und Krankenwagen – und die Bandmitglieder begannen, sich zu wehren. »Klar haben sich die Typen am Ende mehr wehgetan als wir, aber wir haben uns nur verteidigt. Die haben uns angegriffen«, kommentiert Paco Barajas das Handgemenge, bei dem neben Alfredo Enciso auch drei der Jugendlichen verletzt wurden.
Sicherheitshalber fuhr die Band mit ihrem Bus zum nächsten Parkplatz, um dort auf die Polizei zu warten. Seit dem ersten Anruf war bereits eine Dreiviertelstunde vergangen. Als die Polizei endlich eintraf, blockierten die Beamten mit ihren Autos zunächst den Bus und kassierten die Pässe der Musiker ein. Denn so klar sei die Lage eben nicht, bemerkte einer der Beamten gegenüber Pereira. »Die waren der Meinung, wir hätten die Jugendlichen verprügelt, da sie eine andere Ideologie verfolgen würden als wir.« Alle Bandmitglieder mussten mit aufs Revier. Alfredo Enciso wurde erst nach über einer Stunde ins Krankenhaus gebracht, nachdem der erste Krankenwagen die verletzten Jugendlichen abtransportiert hatte.
Noch werte man aus, ob die Beamten bei dem Vorfall Fehler begangen hätten, sagt Dörte Braun. Die Schilderungen von Panteón Rococó lassen daran keinen Zweifel. So musste sich der Busfahrer der Band einem Drogentest unterziehen, während die offensichtlich alkoholisierten Jugendlichen mit ihrem Wagen vor dem Krankenhaus und dem Polizeirevier umherfuhren. Erst über eine Stunde nach dem Geschehen und auf Nachfrage sollen an der Raststätte Zeugen befragt worden sein. Und schließlich riet der Polizeiführer der Band davon ab, Anzeige zu erstatten. In Pereiras Gedächtnisprotokoll liest sich die Aussage des Beamten so: »Die einen haben eine große Klappe gehabt (…) und, nun ja, haben dafür dann auch eins auf die Klappe bekommen. Dabei könnte man es doch belassen.« Und man solle doch bitte nicht hinterher zur Presse rennen und erzählen, die Polizei in Neuruppin bliebe in solchen Fällen untätig.
Dominique John von der Opferperspektive Brandenburg kritisiert die Polizei: »Die blocken ab, und dabei ereignen sich hier seit Ende letzten Jahres wieder gehäuft rechte Übergriffe.« Die Band erwägt inzwischen, Anzeige gegen die Polizei zu erstatten, denn die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen beide beteiligte Gruppen wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung. »Dass man ab und zu an einer Tankstelle angemacht wird, wenn man ein St. Pauli-T-Shirt trägt, daran hab’ ich mich nach fünf Jahren Konzerten in Deutschland gewöhnt«, sagt Paco Barajas. »Aber die Polizei in Deutschland kam mir immer entspannter vor als in Mexiko. Die Leute in Neuruppin haben uns diese Illusion jetzt genommen.«