POTSDAM. Die Polizei in Brandenburg beschreitet neue Wege — und geht dabei in die Luft: Als erste in Deutschland will die märkische Polizei ab dem 1. August den Einsatz von sogenannten Tragschraubern testen. Diese oben offenen Fluggeräte sehen aus wie ein fliegender Zweierbob mit einem motorgetriebenen Propeller am Heck und einem nicht angetriebenen Rotor oder auch Drehflügel. Auf dem Flugplatz Saarmund südlich von Potsdam wird in den nächsten Monaten ausprobiert, ob Tragschrauber für die Verkehrsüberwachung, bei der Verfolgung von Straftätern oder der Vermisstensuche nützlich sein können. Auch die Vermisstensuche soll erprobt werden. Zunächst sind 40 Flüge mit einem anleitenden Piloten geplant — bei gutem und bei schlechtem Wetter. Die insgesamt vier angemieteten Tragschrauber stellen laut einem internem Projektpapier gar “eine einsatztaktische Nische” dar.
“Es handelt sich um die allererste Projektphase”, bestätigte Dorothée Stacke, Sprecherin des Innenministeriums. Bisher hat die Polizei in Brandenburg allein zwei Hubschrauber Typ Eurocopter 35 zur Verfügung, die zentral nahe dem Flughafen Schönefeld in Diepensee stationiert sind. Doch der Betrieb dieser beiden Hubschrauber ist teuer: Eine Flugstunde schlägt laut Innenministerium mit 3 000 Euro zu Buche, während eine Flugstunde im Zwei-Mann-Tragschrauber nur 120 Euro Sprit- und Betriebskosten verursache. Die zwei schweren Hubschrauber hätten bei manchen Polizeieinsätzen aus Kostengründen am Boden bleiben müssen, heißt es. Denn ein Flug in die entlegenen Regionen Brandenburgs kostet viel Geld. Die Tragschrauber könnten indes dezentral in der Nähe von Polizeiwachen stationiert werden und dann wesentlich kostengünstiger fliegen, so glaubt das Innenministerium. Allerdings können die Tragschrauber anders als gewöhnliche Hubschrauber nicht senkrecht starten, sondern benötigen eine geeignete Start- und Landebahn.
Kritik kommt schon jetzt von der Gewerkschaft der Polizei: “Das ist ein Luxusprojekt”, sagte Landeschef Andreas Schuster. Denn gerade erst habe man die zwei Eurocopter-Hubschrauber zum Stückpreis von fünf Millionen Euro erworben. Ein Tragschrauber könne noch nicht einmal Lasten mit an Bord nehmen — keine Wärmebildkamera, kein Geschwindigkeitsmessgerät. “Insofern dürfte man kaum etwas Beweiskräftiges feststellen können”, so Schuster. Er räumte aber ein, dass es innerhalb der Polizei auch andere Meinungen gebe. So bei Sven Bogacz, Leiter des Schutzbereiches Brandenburg/Havel. Der ehemalige NVA-Pilot leitet die Projektphase mit den Ultraleicht-Fluggeräten, die immerhin eine Spitzengeschwindigkeit von 160 Kilometer pro Stunde erreichen. Eine Flugstunde mit angemietetem Piloten der Berliner Firma Aeronautix kostet 150 Euro. Eine komplette Pilotenausbildung würde mit 5 000 Euro zu Buche schlagen. Immerhin kündigte Gewerkschaftschef Schuster nun an, die erste Testphase kritisch begleiten zu wollen.
Lieblingsprojekt des Ministers
Er und andere Gewerkschafter fürchten auch um den Ruf der Kollegen. “Sie könnten sich der Lächerlichkeit preisgeben”, heißt es. Vereinzelt wird in Polizeikreisen auch befürchtet, dass sich die Beamten in dem exotischen Fluggerät bei schlechtem Wetter ernsthaft erkälten könnten. Und selbst die Flugsicherheit der Geräte wird angezweifelt, nachdem vor einem Jahr ein ähnliches Modell im Havelland abgestürzt war. Dabei sind sie vom Luftfahrtbundesamt zugelassen.
Bis Ende 2007 will das Innenministerium entscheiden, ob die Tragschrauber für die Polizeiarbeit überhaupt taugen. So ist unklar, ob der Funkverkehr funktioniert. Erst wenn die Tauglichkeit erwiesen ist, sollen bis Herbst 2008 alle Einsatzmöglichkeiten des Tragschraubers getestet werden. Offenbar handelt es sich um ein Lieblingsprojekt von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der mit seiner Polizei noch einmal bundesweit auffallen will.