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Potsdam macht auf Antifa

(Wera Richter) Während Ermyas M. auf ein­er Pots­damer Inten­sivs­ta­tion weit­er um sein Leben ringt, reichen sich Repräsen­tan­ten der bran­den­bur­gis­chen Lan­deshaupt­stadt über die Partei­gren­zen hin­weg die Hände. »Wir sind Bran­den­burg« heißt der Schlachtruf, den Min­is­ter­präsi­dent Matthias Platzeck (SPD), sein Stel­lvertreter Jörg Schön­bohm (CDU), der Vor­sitzende der Linkspartei Lothar Bisky sowie die Vor­sitzen­den der Indus­trie- und Han­del­skam­mer und des Deutschen Gew­erkschafts­bun­des neben vie­len weit­eren nun gle­icher­maßen auf den Lip­pen haben. Gemein­sam sind sie schock­iert über den bru­tal­en Über­fall auf einen ihrer Mit­bürg­er am Oster­son­ntag; gemein­sam ste­hen sie am heuti­gen Fre­itag auf gegen Haß, Intol­er­anz und Ras­sis­mus; gemein­sam sind sie Patri­oten. In ihrem Aufruf öff­nen die Unterze­ich­n­er ihre Türen und ihre Herzen allen, die Bran­den­burg besuchen wollen. Ver­mut­lich wie bish­er, den einen mehr und den anderen weniger weit. Denn die von der SPD ins Leben gerufene Image-Kam­pagne »Wir sind Bran­den­burg« scheint mehr eine Reak­tion auf die Stornierung von Hotelz­im­mern zu sein als auf den ras­sis­tis­chen Mor­dan­schlag gegen den 37jährigen aus Äthiopi­en stam­menden Ermyas M. 

Am Don­ner­stag beklagte die Direk­torin des Voltaire-Hotels, Beate Fer­nen­gel, einen Ver­lust von 6000 Euro, weil eine Del­e­ga­tion nige­ri­an­is­ch­er Wis­senschaftler eine Buchung zurückgenom­men hat. Und nicht nur aus der Ferne wird storniert: Auch die Deutsche Gesellschaft für All­ge­mein- und Fam­i­lien­medi­zin (DEGAM) über­legt, offen­bar in Sorge um nichtweiße Kol­le­gen, ob sie ihren jährlichen Kon­greß im Herb­st in Pots­dam ver­anstal­ten kann. In einem Brief an Ober­bürg­er­meis­ter Jann Jakobs (SPD) äußerte DEGAM-Präsi­dent Michael Kochen Bedenken, ob sich Men­schen ander­er Haut­farbe ohne Risiko frei in der Stadt bewe­gen kön­nten. Er habe den Ein­druck, daß nicht mit aus­re­ichen­der Härte gegen rechte Täter vorge­gan­gen werde. 

Um weit­eren Schaden von der Lan­deshaupt­stadt abzuwen­den, wer­den sich am Fre­itag in Pots­dam vor den vie­len, die tat­säch­lich gegen neo­faschis­tis­che Gewalt demon­stri­eren wollen, in der ersten Rei­he also vor allem solche vor den Kam­eras drän­gen, die es son­st nicht auf die Straße zieht. 

Wenig Ver­ständ­nis für diese Neuau­flage eines Auf­s­tandes der Anständi­gen zeigt unter­dessen Bun­desin­nen­min­is­ter Wolf­gang Schäu­ble (CDU). Als hät­ten ras­sis­tis­che Attack­en in Pots­dam echt­en Sel­tenheitswert und als hätte es den Handy-Mitschnitt des Anrufes von Ermyas M. während des Über­falls, in dem er als »Scheiß Nig­ger« beschimpft wird, nie gegeben, warnte er vor vor­eili­gen Schlüssen. Bish­er sei nur klar, daß ein Men­sch Opfer ein­er Gewalt­tat gewor­den sei, so Schäu­ble am Don­ner­stag im Deutsch­landra­dio Kul­tur. »Wir wis­sen die Motive nicht, wir ken­nen die Täter nicht. Wir soll­ten ein wenig vor­sichtig sein«, fuhr er fort. Schließlich seien auch blonde, blauäugige Men­schen Opfer von Gewalt­tat­en. »Zum Teil sog­ar von Tätern, die möglicher­weise nicht die deutsche Staat­sange­hörigkeit haben«, so der Innen­min­is­ter. Und sollte es doch ein­mal umgekehrt laufen, so hat er auch eine Erk­lärung parat: Die »Abschot­tung der Men­schen in der DDR«. Die hät­ten hin­ter ihrer Mauer gar nicht die Erfahrung sam­meln kön­nen, was für eine Bere­icherung es sei, mit Men­schen aus anderen Teilen der Welt zusam­men­zuleben. Und so soll wohl auch der 25jährige Asyl­be­wer­ber aus dem Tschad, der nach Angaben des Pots­damer Polizeiprä­sid­i­ums vom Don­ner­stag am Mittwoch abend in einem Bus belei­digt, bedro­ht und bespuckt wurde, als ein spätes Opfer der DDR-Dik­tatur hin­genom­men werden.

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