BERLINER MORGENPOST
Neuruppin — Ein möglicherweise grober Fehler von Kriminalbeamten beim Verhör hat die Staatsanwaltschaft im Mordprozess Marinus Schöberl gestern überraschend in schwere Bedrängnis gebracht. Es droht sogar ein
Verwertungsverbot der polizeilichen Geständnisse der drei mutmaßlichen
Mörder im Prozess vor dem Neuruppiner Landgericht. Das haben die Verteidiger
der drei Angeklagten gestern beantragt. Begründung: Die Vernehmungsbeamten
der Kriminalpolizei in Prenzlau hätten gegen Vorschriften zum Schutz
jugendlicher Tatverdächtiger verstoßen. Den Eltern von Marcel Sch. und
Sebastian F. sei nicht erlaubt worden, bei den Vernehmungen ihrer unter
Mordverdacht stehenden Kinder dabei zu sein.
Für Rechtsanwalt Volkmar Schöneburg, der den mutmaßlichen Haupttäter Marcel
Sch. vertritt, ist der Fall klar: “Das ist Rechtsbruch, die Geständnisse
sind null und nichtig.”
Ein Formfehler mit möglicherweise weitreichenden Folgen für die Anklage. Vom
Mordvorwurf bei zwei der drei Angeklagten müsste die Staatsanwaltschaft
abrücken, wenn die Vorsitzende Richterin Ria Becher der Ansicht der
Rechtsanwälte folgen sollte. Dazu sollen am Freitag die beiden Väter gehört
werden. Vor Gericht hatten Marco Sch. (23) und Sebastian F. (18) bislang nur
eingeräumt, das spätere Mordopfer Marinus in Potzlow (Uckermark) geschlagen
zu haben, eine Tötungsabsicht jedoch abgestritten. Die Strategie der
Verteidiger ist klar: Marco Sch. droht bei einer Verurteilung wegen Mordes
eine lebenslange Haftstrafe, Sebastian F. muss mit dem Höchstmaß — zehn
Jahre Jugendstrafe — rechnen. Weitaus geringer wären die Strafen bei einer
Verurteilung wegen Körperverletzung.
Staatsanwältin Eva Hoffmeister war bislang davon ausgegangen, dass die
Angeklagten von Anfang an einen Menschen töten wollten. Und dafür gibt es
Belege in den polizeilichen Vernehmungen.
Das Dilemma der Staatsanwaltschaft: Zeugen für die Tat gibt es nicht, nur
die schriftlichen Aussagen der Angeklagten vor Gericht.
BERLINER ZEITUNG
Verhöre ohne Beistand der Anwälte
Verteidiger werfen Ermittlern schwere Fehler vor / Prozess um Potzlow-Mord fortgesetzt
NEURUPPIN. Eigentlich sollten am Dienstag beim Prozess wegen des Mordes an
dem 16-jährigen Marinus Schöberl die psychiatrischen Gutachten über die
Schuldfähigkeit der drei Angeklagten verlesen werden. Doch dann verzögerte
sich der Prozess im Landgericht Neuruppin, bei dem zwei Jugendlichen und
einem Erwachsenen vorgeworfen wird, Marinus in der Nacht zum 13. Juli 2002
in Potzlow schwer misshandelt und anschließend kaltblütig getötet zu haben.
Ihre Verteidiger erhoben am Dienstag schwere Vorwürfe gegen
Ermittlungsbeamte. Sie werfen den Polizisten Rechtsbruch vor.
Auswirkungen auf Urteil möglich
Volkmar Schöneburg, der Verteidiger des Hauptangeklagten, erklärte, dass den
Eltern seines Mandanten nach dessen Festnahme verweigert wurde, bei den
Verhören dabei zu sein. Das hätte die Polizei nicht verbieten dürfen, da
Marcel S. zur Tatzeit noch nicht volljährig war. “Nach einer Entscheidung
des Landesverfassungsgerichts haben die Eltern ein Recht darauf”, sagte er.
“Die jugendlichen Verdächtigen wurden behandelt, als wären sie erwachsen.
Das geht nicht.” Die Eltern — deren älterer, 24-jähriger Sohn Marco
ebenfalls an der Tat beteiligt war — hatten mehrfach vergeblich versucht,
auf der Polizeiwache mit ihren Söhnen zu sprechen. Den Festgenommenen sei
bei ihren ersten Verhören, in denen zwei von ihnen die Tat gestanden, auch
kein Anwalt zugebilligt worden. Schöneburg sagte, dass ein Geständnis, das
unter solch dubiosen Umständen entstanden sei, bei der Urteilsfindung nicht
verwertet werden könne. “Auch bei einem so schrecklichen Verbrechen müssen
die rechtsstaatlichen Prinzipien gelten”, sagte er. Noch dazu, wenn es keine
Zeugen gibt und die Aussagen der Täter entscheidend seien.
Sollten die Verteidiger mit ihrer Beschwerde erfolgreich sein, könnte das
Auswirkungen auf die Urteilsfindung haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon
aus, dass die Angeklagten den Mord gemeinsam begangen haben, um zu
verdecken, dass sie Marinus zuvor stundenlang gequält hatten. Die
rechtsextremen Täter hätten ihr Opfer als “minderwertig” und “Jude”
beschimpft.
Die Verteidiger wollen nur die schriftlichen Erklärungen der Angeklagten vor
Gericht gelten lassen. Darin hatte der Haupttäter, Marcel S., geäußert, er
habe einen “Blackout” gehabt und den tödlichen “Bordsteinkick” allein
ausgeführt. Die Tat sei nicht geplant und die beiden anderen seien
überrascht gewesen. Die Mitangeklagten hatten nur zugegeben, Marinus gequält
zu haben. Nach Meinung der Verteidiger gab es kein “stillschweigendes
Einverständnis” der beiden zum Mord. Daher könnten sie nur wegen
Körperverletzung verurteilt werden. Die Strafen wären wesentlich geringer.
Dem großen Bruder droht bei einer Verurteilung wegen Mordes lebenslange
Haft.
TAGESSPIEGEL
Potzlow-Prozess: Verteidiger sprechen von Rechtsbruch
Eltern der Angeklagten durften bei deren Vernehmung nicht dabei sein
Neuruppin. Im Prozess um den Mord an dem 16-jährigen Marinus Schöberl hat
die Verteidigung mehreren Ermittlern Rechtsbruch vorgeworfen. Die Polizisten
hätten die Eltern der beiden jugendlichen Angeklagten von den Vernehmungen
ihrer Söhne ausgeschlossen, sagte Rechtsanwalt Matthias Schöneburg am
Dienstag am Rande des Prozesses am Landgericht Neuruppin. “Nach einer
Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes ist den Eltern Jugendlicher aber
das Recht zu gewähren, bei der Vernehmung ihrer Kinder dabei zu sein.” Die
Eltern, die kurz nach der Festnahme ihrer Söhne mehrfach auf der Prenzlauer
Polizeiwache waren, seien stattdessen immer wieder nach Hause geschickt
worden.
“Ein Geständnis, dass unter solch dubiosen Umständen zu Stande gekommen ist,
kann nicht verwertet werden”, sagte Anwalt Volkmar Schöneburg, der den
Hauptangeklagten verteidigt. Sein Mandant hatte bei der Polizei umfassend
ausgesagt. Alle drei mutmaßlichen Mörder hatten zu Prozessbeginn
schriftliche Geständnisse abgelegt. Der 18 Jahre alte Hauptangeklagte und
sein 24-jähriger Bruder räumten ein, Marinus stundenlang gequält und dann
getötet zu haben. Der 18-jährige dritte Angeklagte räumte nur ein, an den
Misshandlungen beteiligt gewesen zu sein.
Weil die Verteidiger am zehnten Verhandlungstag beantragten, die Ermittler
und die Eltern der beiden 18-jährigen Angeklagten vor Gericht zu befragen,
verzögert sich der Prozess erneut. Die Vernehmung dieser Zeugen ist für
kommenden Freitag geplant. An diesem Tag sollten ursprünglich schon die
Plädoyers gehalten werden. Am 4. Juli — dem geplanten Tag der
Urteilsverkündung — wird voraussichtlich ein psychiatrischer Gutachter seine
Expertise über die Angeklagten vorstellen. Danach steht nach Angaben der
Vorsitzenden Richterin wegen des Urlaubs von zwei Schöffen eine größere
Pause an. Das Urteil wird nun für Mitte Juli erwartet.
LAUSITZER RUNDSCHAU
Verteidiger werfen Polizisten Rechtsbruch vor
Potzlow-Prozess: Eltern der mutmaßlichen Mörder von Marinus wurden von Vernehmung ausgeschlossen
Im Potzlow-Prozess um den Mord an dem 16-jährigen Marinus Schöberl hat die
Verteidigung mehreren Ermittlern Rechtsbruch vorgeworfen.
Die Polizisten hätten die Eltern der beiden jugendlichen Angeklagten von den
Vernehmungen ihrer Söhne ausgeschlossen, sagte Rechtsanwalt Matthias
Schöneburg gestern am Rande des Prozesses am Landgericht Neuruppin. “Nach
einer Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes ist den Eltern
Jugendlicher aber das Recht zu gewähren, bei der Vernehmung ihrer Kinder
dabei zu sein.”
Die Eltern, die kurz nach der Festnahme ihrer Söhne mehrfach auf der
Prenzlauer Polizeiwache waren, seien stattdessen immer wieder nach Hause
geschickt worden. “Ein Geständnis, dass unter solch dubiosen Umständen zu
Stande gekommen ist, kann nicht verwertet werden”, sagte Anwalt Volkmar
Schöneburg, der den Hauptangeklagten vertritt. Sein Mandant hatte bei der
Polizei umfassend ausgesagt.
Alle drei mutmaßlichen Mörder hatten zu Prozessbeginn schriftliche
Geständnisse abgelegt (die RUNDSCHAU berichtete). Der 18 Jahre alte
Hauptangeklagte und sein 24-jähriger Bruder räumten ein, Marinus stundenlang
gequält und dann — ähnlich wie in einer grausamen Szene des Films “American
History X” — getötet zu haben. Der 18-jährige dritte Angeklagte räumte nur
ein, an den Misshandlungen beteiligt gewesen zu sein.
Aufgrund neuer Anträge der Verteidigung verzögert sich der Prozess weiter.
Am 4. Juli — dem geplanten Tag der Urteilsverkündung — soll jetzt ein
psychiatrischer Gutachter seine Expertise über die Angeklagten vorstellen.