Empfänger des DENKZETTELS sind: Herr Harri Seeländer (Sozialpark MOL); Herr Thomas Böduel (Sozialamtsleiter MOL); Herrn Jürgen Reinking (Landrat a.D. MOL); Herrn H.-G. Klepzig (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben); der Filz der gesamten Bürokratie
Das Flüchtlingswohnheim in Waldsieversdorf besteht nun schon seit drei Jahren. Seit eben dieser Zeit leitete und leitet der Flüchtlingsrat Brandenburg immer neue Gespräche mit den unterschiedlichsten Gesprächspartnern, so auch den DENKZETTELempfängern, ein. Gegenüber diesen Verantwortlichen für die Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis vertritt der Flüchtlingsrat die Interessen der Flüchtlinge, die nun seit Jahren gezwungen sind in dem Heim, weit ab im Wald gelegen, ihr Leben zu fristen.
Seit der Eröffnung des Heimes wurde den Flüchtlingen und dem Flüchtlingsrat versichert, dies sei nur eine behelfsmäßige “Übergangslösung”. Immer wieder wurden neue Termine genannt, zu denen der Umzug nun endlich stattfinden solle. Bis heute ist nichts geschehen, als das die BewohnerInnen des Heimes sich hilfloser fühlen als zuvor. Die Verantwortung für diese Verzögerungen wird vom einen auf den anderen geschoben und keiner unternimmt etwas.
Die in erster Linie Verantwortlichen für diese jahrelangen Verzögerungen haben am Dienstag, den 21.03. vom Flüchtlingsrat dafür den DENKZETTEL erhalten. Die Verzögerung des Umzuges ist hier das Gemeinschaftswerk vieler Akteure. Es ist nicht unsere Absicht, diesen Akteuren als Einzelpersonen eine rassistische Einstellung zu unterstellen. Vielmehr ist die Verlängerung der ausgrenzenden und krankmachenden Lebensbedingungen das Ergebnis des Handelns bzw. Unterlassens vieler Zuständiger.
Am Abend nach der Verleihung der fünf DENKZETTEL gab es in Strausberg eine Diskussionsrunde, zu der alle Beteiligten (teilweise persönlich) eingeladen waren. Leider erschienen auch hier nur wenige Strausberger Abgeordnete, aber keiner der DENKZETTELempfänger. Die Anwesenden bekundeten auf der Veranstaltung die Absicht gemeinsam ihr Möglichstes zu tun, damit die seit Jahren isolierten Flüchtlinge aus Waldsieversdorf endlich nach Strausberg umziehen können. Es wird in Zukunft weitere Gesprächsrunden geben mit dem Ziel, den bürokratischen Prozess um den Heimumzug zügig voran zu treiben.
Im folgenden sollen die genauen Begründungen für die Wahl der einzelnen Denkzettel-Empfänger genannt werden. Die Form der eingegangen Pressemitteilung wurde dabei leicht abgeändert. Die Inhalte bleiben gleich (Inforiot).
Denkzettel 2006 für strukturellen und systeminternen Rassismus an (siehe unten) für den Erhalt der katastrophalen
Flüchtlingsunterkunft Waldsieversdorf
Begründung (als genereller Text bei allen Denkzetteln vorhanden):
Anfang Februar 2003 wurde das Flüchtlingsheim Waldsieversdorf eröffnet – es sollte als “Durchgangsheim” dienen, den Flüchtlingen wurde eine Unterbringung in Strausberg versprochen. Doch nichts dauert länger als ein Provisorium – mehr als 3 Jahre warten die Flüchtlinge nun auf den versprochenen Umzug aus einem Heim, das völlig isoliert und schwer zugänglich mitten im Wald liegt.
Die Verzögerung des Umzugs war das Gemeinschaftswerk vieler Akteure. Es ist nicht unsere Absicht, diesen Akteuren eine rassistische Einstellung zu unterstellen. Das Ergebnis des Handelns und Unterlassens der zuständigen Geschäftsführer und Behördenchefs jedoch ist die Verlängerung von Lebensbedingungen, die Flüchtlinge ausgrenzen und durch Isolation krank machen. Die Verantwortung für die katastrophale Lage der Flüchtlinge in Waldsieversdorf wollte jedoch niemand übernehmen — sie wurden zwischen den verschiedenen Lagern zerrieben und haben die Konsequenzen dieser Art der Unterbringung zu tragen.
1. An den Filz der gesamten Bürokratie
Aus diesem Grunde geht der DENKZETTEL 2006 an all diejenigen, die an diesem jahrelangen Zerren beteiligt waren und sind. Dieser undurchsichtige Filz der gesamten Bürokratie und der weggeschobenen Verantwortlichkeiten hat dazu beigetragen, dass Flüchtlinge weiterhin in der Isolation ausharren müssen. Diese Verzögerungen liegen unter anderem auch an der ungeklärten Situation des neuen Objektes in Strausberg. Alle tragen das Ihre dazu bei: es scheiterte an zu spät beantragten Vermessungen, an Baugenehmigungen, am Zaun, den der Nachbar Bundeswehr zwischen seinem Gelände und den Flüchtlingen verlangt, damit aber die Zufahrt von Rettungsfahrzeugen auf dem Gelände des Flüchtlingsheimes unterbindet.
Wer also letztendlich alle Verantwortlichen für die nun mehr als 3 Jahre andauernde “Durchgangslösung” Waldsieversdorf sind wird sich wohl von außen nie beweisen lassen – daher geht der DENKZETTEL an all diejenigen, die genau wissen, dass auch sie ihre Hände im Spiel hatten.
2. An Herrn H.-G. Klepzig, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
Aus diesem Grunde geht der DENKZETTEL 2006 an alle beteiligten Akteure – so auch an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, Direktion Potsdam, Nebenstelle Cottbus. Diesem Amt obliegt die bauliche Prüfung des neuen Gebäudes in Strausberg, in das die Flüchtlinge umziehen sollten. Das Amt teilte mit, dass nur im Ergebnis neuer Vermessungsarbeiten eine Genehmigung für die vorgeschriebene Zuwegung (Fluchtweg) für das entsprechende Grundstück erteilt werden kann. Die alleinige Zuständigkeit liegt hier in den Händen der Bundesanstalt. Die Kreisverwaltung MOL und der verantwortliche Trägerverein können demzufolge den Umzug nicht vorantreiben, wenn sie nicht ihrerseits das Baurecht verletzen wollen. Notwendige Vermessungen sind nun nach langen Verzögerungen – auch dafür ist sicher jemand aus dem Konglomerat der Akteure verantwortlich — inzwischen durch ein ortsansässiges Unternehmen erfolgt. Die weitere Bearbeitung des Vorgangs scheint nun jedoch – angeblich durch Krankheit bzw. Urlaub zuständiger Bearbeiter – zum Stillstand gekommen zu sein. Das bedeutet, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verzögert nun weiterhin den längst notwendigen Umzug der Flüchtlinge und zwingt diese, weiterhin ihr Dasein in Waldsieversersdorf zu fristen.
3. An Herrn Jürgen Reinking, Landrat a.D. Märkisch-Oderland
Aus diesem Grunde geht der DENKZETTEL 2006 an alle beteiligten Akteure – so u.a. an den ehemaligen Landrat des Landkreises Märkisch-Oderland, Herrn Jürgen Reinking. Die letztendliche Aufsicht über die Verteilung der Flüchtlinge im Landkreis obliegt dem Landrat, denn nach dem Landesaufnahmegesetz Brandenburg ist jeder Landkreis verpflichtet, Flüchtlinge in Übergangswohnungen und ‑heimen unterzubringen. Waldsieversdorf – das „katastrophale Heim“ laut Aussage des Sozialamtsleiters – kann wohl kaum als eine zu vertretende Unterkunftsleistung des Landkreises gewertet werden.
Alle in dieser Sache Verantwortlichen weisen die Schuld der jahrelangen Verzögerung von sich, ein typisches Merkmal des strukturellen Rassismus. Doch für alle Handlungen und Taten gibt es immer einen, der sich verantwortlich zeichnen muss, auch wenn er nicht direkt am Geschehen beteiligt sein sollte. Das ist in diesem Falle bis 2005 der zuständige Landrat.
4. An Herrn Thomas Böduel Sozialamtsleiter Märkisch-Oderland
Aus diesem Grunde geht der DENKZETTEL 2006 an alle beteiligten Akteure – so u.a. an den Sozialamtsleiter des Landkreises Märkisch-Oderland, Herrn Thomas Böduel, da er diese für die Flüchtlinge unhaltbare Situation lange tatenlos hingenommen und seine Aufsichts
pflicht verletzt hat. Der Sozialamtsleiter ist verantwortlich für die Umsetzung der erforderlichen Bedingungen zur Führung einer Flüchtlingsunterkunft. Herr Böduel selber hat das Heim im März 2003 als “Durchgangsheim” und als katasttrophal bezeichnet – ein “Durchgang”, der nunmehr seit 3 Jahren geprägt ist von schlechten Lebensbedingungen, Isolation und Desinformation. Der Leiter des Sozialamtes hat nur auf mehrfachen Druck einzelne Anforderungen der in einem Runderlass festgesetzten Mindestbedingungen umsetzen lassen. Eine durchgehende Qualitätskontrolle des Geländes erfolgte nicht.
Herr Böduel war größtenteils nicht bereit, mit den Flüchtlingen und ihren VertreterInnen das Problem zu diskutieren und zu beheben.
5. An Herrn Harri Seeländer Sozialpark Märkisch-Oderland
Aus diesem Grunde geht der DENKZETTEL 2006 an alle beteiligten Akteure – so u.a. an den Sozialpark-Mitarbeiter Herrn Harri Seeländer für die viel zum späte Einleitung einer Suche nach einem geeigneten Objekt für die Flüchtlinge in Strausberg. Zudem hätte die Abmachung “Vorhaltung von Betten”, also die Schaffung eines (rechtlich nicht bekannten) “Durchgangsheimes”, nicht eingegangen werden dürfen, da ein Landkreis verpflichtet ist, geeignete Unterkünfte für Flüchtlinge zu stellen (das kann eine Gemeinschaftsunterkunft oder es können auch Wohnungen sein, hat der Landkreis keine geeignete gemeinschaftliche Unterkunftsmöglichkeit). Die Flüchtlinge mussten Anfang Februar 2003 in eine Unterkunft ziehen, in der es kaum Mobiliar gab und das Trinkwasser nicht genießbar war.
Spätestens beim Einzug der Flüchtlinge aus dem geschlossenen Heim Kunersdorf im Jahre 2005 war deutlich, dass es sich hier keineswegs um eine “Durchgangsunterkunft” handelt – nun leben alle Flüchtlinge aus MOL in einem Gebäude, das eigentlich nur zur “Bettenbereithaltung” taugt. Doch die Verantwortung für die missglückte Objektsuche will auch im Sozialpark niemand übernehmen.