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Antifaschismus

Psychiatrisches Gutachten sieht Christian W. als schuldfähig

Neu­rup­pin (ipr) Der dritte Ver­hand­lungstag des Prozess­es gegen die bei­den Tem­plin­er Recht­sex­trem­is­ten Sven P. (19) und Chris­t­ian W. (22) wegen der Ermor­dung des 55-jähri­gen Bernd K. in der Nacht zum 22. Juli 2008 lässt sich in drei Kom­plexe unterteilen: Aus­sage der bei­den Kripobeamten, vor denen Chris­t­ian W. ein Geständ­nis abgelegt hat­te, Rekon­struk­tion des Weges zum Tatort und psy­chi­a­trisches Gutacht­en über Chris­t­ian W.

Ins­ge­samt hat­te das Gericht für diesen Ver­hand­lungstag 10 Zeug­in­nen und Zeu­gen geladen. Stephanie C., die Fre­undin von Chris­t­ian W., ließ sich entschuldigen. Das Ende Jan­u­ar geborene Kind aus dieser Beziehung sei krank. Da gegen die junge Frau wegen Ver­nich­tung von Beweis­mit­tel ermit­telt wird, ist es eher unwahrschein­lich, dass sie über­haupt in den Zeu­gen­stand treten wird. Sie soll die blutver­schmierten Hose und Turn­schuhe von Sven P. aber auch die Klei­dung ihres Fre­un­des in der Waschmas­chine gewaschen haben.

Die damals 17-jährige Stephanie C. hat­te sich kurz nach der Tat in der Bild-Zeitung zu dem Geschehen in dieser Nacht geäußert: „Ich wurde wach und hörte die bei­den tuscheln. Ich bin hin. Plöt­zlich begann Chris­t­ian, von der grausamen Blut­tat zu erzählen. … Sven hat mit der Tat richtig geprahlt. Er sagte, dass er schon immer mal einen Men­schen umbrin­gen wollte.“

Außer­dem hätte man sie fra­gen kön­nen, ob Sven P. in jen­er Nacht wirk­lich ein Rudolf Hess T‑Shirt getra­gen hat, was gestern trotz inten­siv­er Bek­lei­dungsnach­fra­gen aller am Prozess beteiligten Parteien nicht zur Sprache kam. Ins­ge­samt gab es am gestri­gen Prozesstag immer wieder Nach­fra­gen der Neben­klage zur poli­tis­chen Gesin­nung der Angeklagten. Die Zeu­gen kon­nten dazu allerd­ings nur Vages berichten.

Das vor­läu­fige Geständnis

Wie bish­er macht­en bei­de Angeklagten von ihrem Recht Gebrauch, vor Gericht zu schweigen. Das war bei der polizeilichen Vernehmung von Chris­t­ian W. am Tag nach der Tat anders. „W. war aus­ge­sprochen gesprächig. Er war fast trau­rig, als wir die Vernehmung nach acht Stun­den abbrachen“, schilderte ein­er der Vernehmungs­beamten die Sit­u­a­tion. W. machte detail­liert Angeben zu dem was auf dem Weg zum und am Tatort geschehen sein soll. Jed­er Tritt aufs Gesicht, eine Schuh­sohle bre­it zwis­chen Stirn und Ober­lippe, soll von Sven P. gekom­men sein.

Allerd­ings gab es am Tatort und durch die Obduk­tion Erken­nt­nisse, die der Ablauf­schilderung von Chris­t­ian W. wider­sprechen. Chris­t­ian W. berichtete nichts darüber, dass K. heftigst gewürgt wor­den war, was zu einem Kehlkopf­bruch führte. Stattdessen erzählte er, dass er am Hals des K. den Puls gefühlt habe, um zu über­prüfen, ob er noch lebe. Möglicher­weise um vor­ab schon eine Erk­lärung zu liefern, soll­ten seine Fin­ger­ab­drücke am Hals des Opfers gefun­den wer­den. Außer­dem habe er P. davon abhal­ten müssen, sein Opfer mit einem abge­broch­enen Flaschen­hals „aufzuschnei­den“. Fin­ger­ab­drücke von P. fan­den sich allerd­ings auf dem Flaschen­hals nach Aus­sage seines Anwalts nicht. Die waren von ein­er anderen Per­son, deren Namen er nicht nannte.

Der Weg zum Tatort

Die erste Frau im Zeu­gen­stand, die 24-jährige Haus­frau San­dra H., war gle­ich wieder raus­ger­an­nt mit Trä­nen in den Augen. Später erk­lärte sie ihr Ver­hal­ten. Sie habe Schuldge­füh­le, weil sie damals nicht gle­ich die Polizei gerufen habe.

Dabei hat­te sie eine Aller­weltssi­t­u­a­tion beobachtet. Sie hörte Gebrüll und das Geräusch von zer­schep­pern­den Flaschen. Sie schaute aus dem Fen­ster und sah drei Män­ner die Werder­straße herun­terkom­men. Ein Älter­er vorneweg war von einem Jün­geren ohne Brille (Chris­t­ian W.), der ein Fahrrad führte, vor­angeschub­st und beschimpft wor­den. Es fie­len Worte wie „Alter Sack“ und „Assi“. Ein Jün­ger­er mit Brille (Sven P.) und eben­falls Fahrrad ging schweigend hin­ter­drein. Vor der Haustür des Wohn­haus­es fiel der Ältere (Bernd K.) ins Gebüsch. Sie blaffte die Jun­gen von ihrem Fen­ster aus an, sie soll­ten den Alten in Ruhe lassen und nicht so laut sein, weil hier Kinder schliefen. Bernd K. durfte sich daraufhin auf die Hau­sein­gangsstufen set­zen und man wartete bis er weit­erge­hen wollte.

Mit ihrer Zei­tangabe für das Vorge­fal­l­ene – gegen 21.15 Uhr — brachte sie die von Polizei und Staat­san­waltschaft rekon­stru­ierten Zeitabläufe jenes Abends gehörig durcheinan­der. An diesen Zeit­punkt erin­nerte sie sich so genau, weil sie zuvor und danach ihrem Fre­und ges­imst hat­te und weil der Vor­fall sich kurz nach dem Ende ein­er Vam­pir-Serie auf Pro 7 ereignet haben sollte. Tat­säch­lich endete laut TV-Pro­gramm des „Uck­er­mark Kuri­er“ die Folge „Moon­light“ der (Vam­pir) Serie „Black Crys­tal“ um 21.10 Uhr. Zu den Lichtver­hält­nis­sen sagte die Zeu­g­in, es wäre schon dunkel gewesen.

Um 23:15 Uhr will der aus Rich­tung Müh­len­tor kom­mende 22-jährige Stu­dent Mar­cel G. nur wenige Meter von diesem Ort ent­fer­nt auf die drei Män­ner gestoßen sein. Bernd K. lag am Boden. Das Fahrrad lag auf ihm und Chris­t­ian W. wollte ihm ger­ade aufhelfen. Als er zu den drei Män­nern kam und fragte, ob er helfen könne, wurde dies verneint. Mar­cel G. begrün­det das Wis­sen um die Uhrzeit mit ein­er kurzen Verabre­dung, die er um 23:00 Uhr in der Szenekneipe Pub gehabt und er zuvor zwecks Pünk­tlichkeit auf seine Handyzeit geschaut hat­te. Auch er kon­nte später bei der Polizei genau wie San­dra H. die drei Män­ner ein­deutig iden­ti­fizieren. Im Gegen­satz zu San­dra H. will er allerd­ings drei Fahrräder bei den Män­nern gese­hen haben.

Dieser offen­sichtliche Wider­spruch wurde ein Stück weit wieder ger­ade gerückt durch die Aus­sagen von Melanie K. (21) und Mareike F. (23). Bei­de waren zwis­chen 21:00 Uhr und 21:30 Uhr am Rewe-Markt an der Lych­en­er Straße auf Chris­t­ian W. getrof­fen. Chris­t­ian W. hat­te etwas von Sven P. erzählt wegen dem er nun eine Gerichtsver­hand­lung hätte und begleit­ete die bei­den Frauen auf dem Fahrrad Rich­tung Mark­t­platz. Bei­den Frauen war diese Begleitung sichtlich unan­genehm. Als sie nach ca. 500 Metern auf Sven P. trafen, die bei­den Män­ner sich sofort angin­gen, macht­en sich die bei­den Frauen zügig aus dem Staub. Bei­de Frauen sagten, es wäre noch hell gewe­sen. Laut Wet­terkarte des „Uck­er­mark Kuri­er“ war es an diesem Tag bewölkt und reg­ner­isch. Son­nenun­ter­gang war 21:21 Uhr.

Die Aus­sage der bei­den Frauen deckt sich mit den Aus­führun­gen von Chris­t­ian W. gegenüber den Kripobeamten, sodass man davon aus­ge­hen muss, dass sich San­dra H. geir­rt hat und sie ihre Beobach­tung min­desten eine Stunde später gemacht haben muss. Vielle­icht hat sie sich ja die näch­sten Serien-Episode „Eure­ka, die geheime Stadt“ auch noch angeschaut. Und eine weit­ere Möglichkeit, ihr Handy war noch nicht auf Som­merzeit umgestellt.

Das Gutacht­en

Vor der Aus­sage der Gutach­terin ver­suchte der Anwalt des Sven P. die Öffentlichkeit auss­chließen zu lassen. Das Gericht lehnte diesen Antrag ab. Außer­dem kam es an diesem Tag gar nicht mehr zum Vor­trag des psy­chi­a­trischen Gutacht­ens über Sven P.

Während der Zeu­ge­naus­sagen dieses Tages gab es ständig Nach­fra­gen zum Grad der Trunk­en­heit der bei­den Angeklagten, wobei es keine ein­deuti­gen Aus­sagen der Zeu­gen gab. Fest ste­ht, dass die Angeklagten reich­lich getrunk­en hat­ten. Fest ste­ht aber auch, dass Chris­t­ian W. ein klares Erin­nerungsver­mö­gen an die Mord­nacht hatte.

Die Sachver­ständi­ge Frau Dr. Hei­de-Ulrike Horn sah für Chris­t­ian W. keine Anhalt­spunk­te für eine Voll­trunk­en­heit beziehungsweise ver­min­derte Schuld­fähigkeit zur Tatzeit. „Er hat es geschehen lassen. Sich­er spiel­ten Alko­hol und seine Per­sön­lichkeit eine Rolle“, sagte die Gutach­terin. Für sie sei die Tat nicht nachvol­lziehbar. Ihr gegenüber hat­te Chris­t­ian W. gesagt, Bernd K. tue ihm etwas leid. Er sei bei ihm gewe­sen und habe gese­hen, wie schlecht es ihm gehe.

Über seine poli­tis­che Gesin­nung wollte Chris­t­ian W. nicht mit der Gutach­terin reden. Auf Nach­frage des Neben­kläger­an­walts beschrieb Frau Dr. Horn einige Tätowierun­gen am Kör­p­er des Angeklagten, die darauf hin­deuten, dass Chris­t­ian W. ein wan­del­nder 86a ist (§ 86a Ver­wen­den von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organisationen).

Der Prozess wird am 19. Feb­ru­ar mit weit­eren Zeu­gen­vernehmungen fortgesetzt.

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